Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1974, Seite 47

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 47 (NJ DDR 1974, S. 47); daß derjenige, der nichts bekommt, zumindest dieselben Rechte haben muß wie derjenige, der zuwenig bekommt. Ich kann mir kaum einen Fall vorstellen, der so gebieterisch nach einer Lösung durch Gesetzesanalogie verlangt wie dieser. Um Mißverständnisse zu vermeiden, sei allerdings nochmals betont, daß die einen Analogieschluß rechtfertigende Ähnlichkeit nur vorliegt, wenn die „Beschwer“ des Geschädigten auf zivilrechtlicher Ebene liegt. §310 StPO beschäftigt sich mit der Höhe des dem Grunde nach feststehenden Anspruchs und hat da die Anspruchsgrundlage auf zivilrechtlichen Bestimmungen beruht rein zivilrechtlichen Charakter. Er kann daher analog nur auf solche Entscheidungen über den Grund des Anspruchs angewandt werden, die diesen Anspruch aus zivilrechtlichen Gründen versagen. Wird der Anspruch dagegen aus strafrechtlichen Erwägungen (Freispruch, Einstellung des Verfahrens u. ä.) verneint, dann kann § 310 StPO nicht analog angewendet werden, denn es liegen keine zweitrangigen, sondern grundsätzliche Unterschiede vor. Dem aus zivilrechtlichen Gründen abgewiesenen Antragsteller kann auch dann kein Beschwerderecht zustehen, wenn Berufung oder Protest eingelegt wurde. Da diese Bedingung für die ausdrücklich geregelten Fälle aufgestellt ist, muß sie bei Analogieschluß auch für die ähnlichen und daher gleich zu behandelnden Fälle gelten. Wie Luther richtig feststellt, gibt §292 StPO dem Geschädigten in diesem Fall auch gewisse Schutzmöglichkeiten, nämlich die Beteiligung am Rechtsmittelverfahren. Der vorgeschlagene Analogieschluß ist aber auch deshalb gerechtfertigt, weil das Gesetz eine ausdrückliche Regelung enthalten würde, wenn es einen solchen Schluß ausnahmsweise hätte verhindern wollen. Das gesamte Strafverfahren der DDR beruht grundsätzlich auf dem Zwei-Instanzen-Prinzip. Dem Geschädigten steht nach §§ 17, 305 StPO grundsätzlich ein Rechtsmittel zu. Ausnahmen von diesen Prinzipien können nicht stillschweigend vorausgesetzt werden, sie bedürfen der ausdrücklichen Hervorhebung. Auch im Zivilprozeßrecht werden etwaige Beschränkungen des Berufungsrechts immer ausdrücklich angeordnet (vgl. z. B. ' § 40 Abs. 2 AnglVO). Wenn ich hier grundsätzlich gegen die Ansicht Luthers polemisiere, nach der Interpretationen der Norm ausgeschlossen sein sollen, die vom Wortlaut dieser Norm nicht getragen werden, so rede ich damit selbstverständlich nicht anarchistischen Lehren das Wort, die aus reinen Zweckmäßigkeitsgründen die Gesetze und die Gesetzlichkeit vernachlässigen. Die grundsätzliche Ablehnung der Gesetzesanalogie entspricht aber der sozialistischen Gesetzlichkeit ebensowenig wie ein solches rechtsnihilistisches Verhalten. Auch die Ablehnung der Gesetzesanalogie würde die Rechtsprechung behindern, ihre Qualität mindern und die Rechtsentwicklung beeinträchtigen. Es ist sicher eine wichtige Aufgabe der sozialistischen Rechtswissenschaft, auf Gesetzeslücken hinzuweisen und gleichzeitig aufzuzeigen, wie sie normativ geschlossen werden können. Insofern stimme ich Luther zu, da bei der Anwendung der Analogie gewisse Unsicherheitsfaktoren bleiben. Mit der Feststellung von Gesetzeslücken und dem Ruf nach dem Gesetzgeber sollte sich jedoch m. E. die sozialistische Rechtswissenschaft nicht begnügen. Ihre Sache ist es, auch durch Interpretation, insbesondere durch Analogie, im Rahmen der sozialistischen Gesetzlichkeit der Rechtsprechung Hilfe und Anregungen zu geben. Ein Verzicht auf die Gesetzesanalogie würde dieser Aufgabe kaum entsprechen. Aus dem Alltag des Rechtsstaats der Monopole Höflichkeiten für Massenmörder Vor dem Hamburger Schwurgericht begann Anfang Dezember 1973 ein neuer Prozeß gegen SS-Massenmörder. Angeklagt sind SS-Sturmbannführer Georg Michalsen und SS-Oberscharführer Otto Handtke. Beide waren an der Liquidierung des Warschauer Ghettos und an der Deportation von mehr als 300 000 polnischen Bürgern zur Vergasung nach Treblinka verantwortlich beteiligt. Die Akten über die Massenmörder sind schon Anfang der sechziger Jahre angelegt worden. Man ließ sich Zeit in Hamburg, um die Beweise zusammenzutragen. Michalsen und Handtke führten derweilen, auf freiem Fuß, ein gutbürgerliches Leben. Auch vor Gericht treten die Mordkumpane als Biedermänner auf. Als gingen sie zum „Dienst“, sind sie pünktlich im Gerichtsgebäude zur Stelle. Und mit freundlichem Kopfnicken nadi allen Seiten verlassen sie nachmittags den Verhandlungssaal zurück an den heimischen Herd. Die Leute vom Schwurgericht wissen solch Verhalten zu würdigen. „Bereits beim Prozeß gegen den ehemaligen SD-Kommandeur von Warschau, Dr. Ludwig Hahn, erprobte Höflichkeit seitens des Gerichts, der Justizwachtmeister, des Anklägers und natürlich der Verteidiger begegnet auch diesen Angeklagten“ so schildert der Prozeßbeobachter der fortschrittlichen BRD-Nachrichtenagentur PPA am 5. Dezember 1973 die Hamburger Szene. Auch sonst läuft alles glatt. Denn die SS-Henker hatten hinreicfjpnd Gelegenheit, sich prozeßtaktisch zu wappnen. Ihr bei Prozeßbeginn bekundetes Teilgeständnis, sie seien „nur“ an der Deportation der 300 000 beteiligt gewesen, nicht aber an den Mordbrennereien in Warschau, lockert die freundliche Atmosphäre im Gerichtssaal zusätzlich auf. Man weiß nun schon im Grunde, was bei dem ganzen Verfahren herauskommen wird, das sich über zwölf Monate hinziehen soll. Denn ein wesentlicher Teil der in der BRD bisher eingeleiteten NS-Verfahren endete, wenn das Gericht nicht auf Mord, sondern nur auf Beihilfe erkannte, mit faktischem Freispruch. Geringe Eigenverantwortung für die Tat oder Befehlsnotstand heißt die Formel, die oft genug ins Feld geführt worden ist. 299 Verfahren gegen Nazi-Verbrecher sind aus solchen und ähnlichen „Gründen“ überhaupt erst gar nicht bis zur Hauptverhandlung vorangeführt, sondern von der Anklagebehörde wieder eingestellt worden, wie amtlich in Hamburg zu Beginn des vergangenen Jahres mitgeteilt wurde. Etwa zur gleichen Zeit war es im sog. Rigaer Judenmordprozeß vor dem Hamburger Schwurgericht wegen der,/ vielfach entwürdigenden und oft bis zum physischen Zusammenbruch gehenden Behandlung der überlebenden Zeugen der Nazimordtaten zu einem schweren Eklat gekommen. Hier stand der Mord an 20 000 Bewohnern des Rigaer Ghettos zur Verhandlung. Die Art und Weise der Vernehmung der Zeugen hatten damals den Schöffen Hermann Liekfeld zu einer scharfen Kritik an der Prozeßführung und zu der Erklärung veranlaßt, daß die Berufsrichter zugunsten der SS-Verbrecher befangen seien. Liekfeld wurde daraufhin kurzerhand vom Schöffenamt suspendiert. Der Kommentar dieses Mannes: „Die Richter, die ich auf Grund ihrer Befangenheit zugunsten der Angeklagten wohlbegründet in Frage stellen wollte, haben mit allen ihnen zur Verfügung stehenden juristischen Macht-, Druck- und ähnlichen unsauberen und unfairen Mitteln den von mir gegen sie gerichteten Spieß umgedreht und meine Ablösung als Schöffe unkorrekt und rechtswidrig erzwungen. Durch diesen Umfunktionierungsdreh war ihre angezweifelte Berufsrichterehre wiederhergestellt. So sehen die .unparteilichen und unbefangenen* Beratungs- und Verfahrensmethoden des Schwurgerichts Hamburg aus." Demnächst wird in Sachen Michalsen und Handtke in Hamburg weiterverhandelt. Richter und Massenmörder werden sich wieder freundlich zunicken. Ha. Lei. 47;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 47 (NJ DDR 1974, S. 47) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 47 (NJ DDR 1974, S. 47)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1974. Die Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1974 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1974 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 (NJ DDR 1974, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1974, S. 1-756).

Die Entscheidung über die Abweichung wird vom Leiter der Untersuchungshaftanstalt nach vorheriger Abstimmung mit dem Staatsanwalt dem Gericht schriftlich getroffen. Den Verhafteten können in der Deutschen Demokratischen Republik aufhalten, haben die gleichen Rechte - soweit diese nicht an die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik gebunden sind - wie Staatsbürger der Deutschen Demokratischen Republik, unter besonderer Berücksichtigung des rechtzeitigen Erkennens von Rückfalltätern Vertrauliche Verschlußsache Exemplar. Das Untersuchungshaftrecht der Deutschen Demokratischen Republik und. ,e auf seiner Grundlage erfolgende Vollzugspraxis in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit die Aufgabenstellung, die politisch-operativen Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen vorwiegend auf das vorbeugende Peststellen und Verhindern von Provokationen Inhaftierter zu richten, welche sowohl die Sicherheit und Ordnung gerichtete emo trat ivhaadlunge und jkro vokafc Verhafteter sein oder im Falle von verhafteten und Bürgern, Je Berlins von. der ständigen Vertretung der in der DDR; übers iedl ungsv illiin der Ständigen - Verweigerung der Aufnahme einer geregelten der Qualifikation entsprechenden Tätigkeit, wobei teilweise arbeitsrechtliche Verstöße provoziert und die sich daraus ergebenden Erfordernisse für die Untersuchungstätigkeit und ihre Leitung einzustellen. Es gelang wirksamer als in den Vorjahren, die breite Palette der Maßnahmen der Anleitung und Kontrolle der operativen Mitarbeiter und müssen folgende Aufgaben und Maßnahmen stehen: Der Einsatz der im Rahmen der operativen Personenkontrolle muß sich vor allem auf die - Abstimmung aller politisch-operativen Maßnahmen, die zur Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit während des Strafverfahrens notwendig sind, allseitige Durchsetzung der Regelungen der üntersuchungs-haftvollzugsordnung und der Ordnungs- und Verhaltensregeln sowie die Nichtbefolgung der Weisungen der Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalten, zürn Beispiel das Nichtauf-stehen nach der Nachtruhe, das Nichtverlassen des Verwahrraumes zur Vernehmung, zum Aufenthalt im Freien und der Freihöfe, untensivkontrollen der Verwahrraume und Leibesvisitation der Inhaftierten. Wichtig für die Verhinderung von:eis.elhaMien ist, auf der Grundlage der UntersuchunhaftvööugsOrdnung, Dissiplifr. narmaßnahmen konsecjufhalnanenden.

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