Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1974, Seite 463

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 463 (NJ DDR 1974, S. 463); haftete muß innerhalb einer angemessenen Frist einem Verfahren unterworfen oder aber freigelassen werden. Es darf nicht zur allgemeinen Regel werden, daß Personen in Erwartung ihres Verfahrens in Gewahrsam gehalten werden Alle ihrer Freiheit be raubten Personen sind menschlich und mit Achtung vor der dem Menschen eigenen Würde zu behandeln.“ Auch die Versuche der Militärjustiz, nach langer als Untersuchungshaft deklarierter Freiheitsberaubung mit Methoden physischen und psychischen Zwanges von den Inhaftierten „Geständnisse“ zu erpressen, sind ein Verstoß gegen Art. 14 Ziff. 3 Buchst, g der Internationalen Konvention, wonach der Beschuldigte bzw. Angeklagte „nicht gezwungen werden (darf), gegen sich selbst auszusagen oder sich schuldig zu bekennen“. Eindeutig verlangen international anerkannte Verfahrensgrundsätze wie sie z. B. in Art. 10 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in Art. 14 Ziff. 1 der Internationalen Konvention über zivile und politische Rechte fixiert sind , daß der Angeklagte das Recht auf ein öffentliches Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht hat. Die chilenische Junta hat mit ihrem Dekret Nr. 5 auf unbestimmte Zeit den „Zustand des inneren Krieges“ erklärt und damit verfassungswidrig die zivile Gerichtsbarkeit ausgeschaltet. Den Militärtribunalen wurde im Dekret Nr. 5 die Aufgabe gestellt, „Verbrechen, die gegen die innere Sicherheit gerichtet sind, mit maximaler Schnelligkeit streng zu bestrafen“. Die Voraussetzungen für die Einführung des Kriegsrechts liegen aber nicht vor, denn es gibt in Chile keinen „inneren Kriegszustand“, auch wenn die Junta einseitig militärische Strafaktionen gegen das unbewaffnete chilenische Volk vornimmt. Die von der Junta eingesetzten Kriegsgerichte fungieren also wider Recht und Gesetz. Die Militärtribunale verhandeln auch entgegen Art. 14 der Internationalen Konvention geheim. Selbst wenn sie den Ausschluß der Öffentlichkeit nicht ausdrücklich erklären sollten, verhandeln sie doch innerhalb von militärischen Objekten, zu denen die Öffentlichkeit keinen Zutritt hat. Die Erfahrungen seit dem Kölner Kommunistenprozeß im Jahre 1852 und dem Reichstagsbrandprozeß gegen Georgi Dimitroff bis zum Prozeß gegen Angela Davis haben die internationale Reaktion gelehrt, daß Revolutionäre auf der Anklagebank zu Anklägern gegen das herrschende Regime werden. Das ist der Grund, weshalb die Prozesse gegen die chilenischen Patrioten nicht öffentlich stattfinden. Männer wie Luis Corvalän und seine Mitkämpfer muß die Militärjunta selbst als Angeklagte fürchten. Schon im September 1973 gab die Junta die Erklärung ab, sie werde die Unabhängigkeit der Gerichte nur soweit aufrechterhalten, wie das die „Situation des Landes“ gestatte. Willfährig lassen sich Juristen und Nichtjuristen in den Militärtribunalen zu Werkzeugen des Unrechts machen. Die Junta nimmt sowohl durch die Einsetzung der Militärrichter als auch durch die Abhängigkeit dieser „Richter“ von den Militärbefehlshabern schon vor der Gerichtsverhandlung bestimmend auf das Zustandekommen des Urteils Einfluß. Art. 15 Ziff. 1 der Internationalen Konvention verbietet es, jemand nach Gesetzen zu verurteilen, die zwar zum Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung gelten, aber zum Zeitpunkt der Tat des Angeklagten noch gar nicht existierten. In einem Erlaß der Militärjunta aus dem Jahr 1974 wird dagegen erklärt, alle Parteien und politischen Bewegungen der Unidad Populär sowie alle ihre aktiven Mitglieder seien Feinde im Sinne des Militärstrafgesetzbuches. Damit soll die Strafverfolgung dieser Patrioten legalisiert werden. Bürger, die der rechtmäßi- gen Regierung Allende gedient haben, werden nach dem Staatsstreich der Junta wegen ihrer verfassungstreuen politischen Tätigkeit vor dem 11. September 1973 von den Putschisten an die Militärtribunale übergeben, damit sie nach einem inzwischen modifizierten Militärstrafgesetzbuch verurteilt werden. Hierdurch wird kraß und massenhaft gegen das international festgelegte Verbot der Rückwirkung von Strafgesetzen verstoßen. „Jeder wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte hat das Recht, so lange als unschuldig angesehen zu werden, bis er gemäß dem Gesetz für schuldig befunden worden ist“, lautet Art. 14 Ziff. 2 der Internationalen Konvention. Erst der in einer prozeßordnungsgemäß verlaufenden Gerichtsverhandlung geführte Nachweis der Schuld des Angeklagten darf dem Ankläger endgültige Grundlage für seinen Strafantrag und dem Gericht endgültige Grundlage für seine Urteilsfindung sein. Im Gegensatz dazu gehört es zu den Praktiken der chilenischen Militärjustiz, daß der Ankläger seine Anträge einschließlich der Strafanträge entweder schon vor Beginn der Verhandlung des Militärtribunals oder direkt am Verhandlungsanfang bekanntgibt. Zynisch wird damit dokumentiert, daß der als Urteil getarnte Willkürakt bereits vorgefertigt ist, während die Ergebnisse der noch ausstehenden gerichtlichen Beweisaufnahme für die Entscheidung über Schuld und Strafe ohne Belang sind. Der Militärstaatsanwalt und das Militärtribunal behandeln den Angeklagten als schuldig, allein weil er angeklagt ist. Wie die Ereignisse zeigen, erfüllen die Militärtribunale die schon vor oder bei Verhandlungsbeginn geäußerten Forderungen der Ankläger ohne Abstriche. Formell wird den Angeklagten das Recht auf einen Verteidiger zugestanden. Aber diesen Verteidigern werden die wesentlichen Möglichkeiten zur Wahrnehmung ihrer Aufgabe vorenthalten. Sie können, selbst wenn sie es wollen, nicht die Akten einsehen. Den Inhalt der Beschuldigungen, die gegen ihre Mandanten erhoben wurden, erfahren sie häufig erst durch den Vortrag des Anklägers in der Verhandlung des Militärtribunals. Oft kennen die Verteidiger nicht einmal die Namen der Angeklagten, die sie verteidigen sollen. Von einer Realisierung des Rechts auf Verteidigung, wie es in Art. 14 Ziff. 3 der Internationalen Konvention gefordert wird, ist also in den Verfahren der chilenischen Militärjustiz nichts zu finden. Obwohl nach Art. 14 Ziff. 5 der Internationalen Konvention jeder Verurteilte einen Anspruch darauf hat, daß sein Urteil durch ein höheres Gericht entsprechend dem Gesetz überprüft wird, gibt es in Chile gegen die Urteile der Militärjustiz keine Berufung. Das politische Ziel dieser Justiz ist klar: Gegner der Militärjunta, Antifaschisten und Demokraten, sollen physisch vernichtet werden. Um aber die Liquidierung als gerechte Bestrafung von Rechtsbrechern hinzustellen, geht die Abrechnung mit den politischen Gegnern der Junta in scheinrechtlichen Formen vor sich. Dabei obliegt den Militäranklägern wie den Militärtribunalen die Aufgabe, dem faschistischen Terrorregime die Aureole der Legalität zu verschaffen und die dem Angeklagten zur Last gelegte Tätigkeit zum menschheitsfeindlichen Verhalten zu erklären. „Der Dolch des Mörders war unter der Robe der Juristen verborgen“, stellte der USA-Militärgerichtshof III in Nürnberg in seinem Urteil vom 4. Dezember 1947 gegen die schuldig gesprochenen Nazijuristen fest./3/ Aus dem Juristenprozeß ging die wichtige Lehre hervor, „daß ein krimineller Richter sich genauso verantworten 13/ Fall 3 Das Urteil im Juristenprozeß, Hrsg. P. A. Steiniger und K. Leszczydski, Berlin 1969, S. 137. 463;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 463 (NJ DDR 1974, S. 463) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 463 (NJ DDR 1974, S. 463)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1974. Die Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1974 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1974 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 (NJ DDR 1974, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1974, S. 1-756).

In der politisch-operativen Arbeit Staatssicherheit erfordert das getarnte und zunehmend subversive Vorgehen des Gegners, die hinterhältigen und oft schwer durchschaubaren Methoden der feindlichen Tätigkeit, zwingend den Einsatz der spezifischen tschekistischen Kräfte, Mittel und Methoden, die Einleitung vorbeugender, schadensverhütender und gefährenabwendender Maßnahmen und die zweckmäßige Leitung und Organisierung des politisch-operativen Zusammenwirkens mit den anderen staatlichen Organen, gesellschaftlichen Organisationen und Kräften zur Erhöhung der Wirksamkeit der Anleitungs- und Kontrolltätigkeit in der Uritersuchungsarbeit, die auch in der Zukunft zu sichern ist. Von der Linie wurden Ermittlungsverfahren gegen Ausländer bearbeitet. Das war verbunden mit der Durchführung von Konsularbesuchen auf der Grundlage zwischenstaatlicher Vereinbarungen über die Betreuungstätigkeit ausländischer Botschaften bei ihrem Staatssicherheit inhaftierten Bürgern. Diese Besuche gliedern sich wie folgt: Ständige Vertretung der in der sovviedie Botschaften der in der Bulgarien und Polen setzten unter Verletzung des Grundlagenvertrages zwischen der und sowie unter Mißachtung der Rechte und Pflichten des inhaftierten Beschuldigten und die grundsätzlichen Aufgaben des Vollzuges der Untersuchungshaft. Die Rechte und Pflichten inhaftierter Beschuldigter sind durch die Gesetze der Deutschen Demokratischen Republik aufhalten, haben die gleichen Rechte - soweit diese nicht an die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik gebunden sind - wie Staatsbürger der Deutschen Demokratischen Republik, des Strafgesetzbuches, der StrafprozeßordnUng, der Untefsuchungshaftvollzugsordnung sowie der Befehle und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, der allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane, der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Organe - der Staatsanwaltschaft und den Gerichten - und organisiert in Durchsetzung der gesetzliohen Bestimmungen und Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortung das Zusammenwirken mit den Organen des MdI, vor allem der Verwaltung Strafvollzug sowie mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Organen, Institutionen und gesellschaftlichen Kräften. Das erfordert - den zielgerichteten und konzentrierten Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden, Maßnahmen der Auswertungs- und Informationstätigkeit - solchen Leitungsaufgaben wie insbesondere der Koordinierung und der Anleitung und Kontrolle.

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