Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1974, Seite 278

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 278 (NJ DDR 1974, S. 278); habe gehofft, die Kinder hätten keine Tabletten, auch keine Tachmalindragees, geschluckt. Da einzelne der von ihr und der Zeugin M. aufgelesenen Tachmalindragees abgelutscht waren, habe sie vermutet, von den Kindern seien die Dragees ausgespuckt worden, nachdem sie den süßen Belag abgelutscht hatten. Daß diese Hoffnung durchaus nicht abwegig war, zeigt sich darin, daß die anderen Kinder auch tatsächlich keine Tabletten geschluckt haben. Diese Beweistatsachen lassen den Schluß, daß die Angeklagte das Kind Dirk vorsätzlich in hilfloser Lage gelassen hat, nicht zu. Der Umstand, daß sie nach dem fraglichen Vorfall die Kinder aufmerksam beobachtete, verdeutlicht vielmehr ihr Bestreben, eine möglicherweise auftretende Gefahrensituation zu erkennen, um darauf sofort entsprechend reagieren zu können, was dann schließlich auch geschah. Die Angeklagte hätte mithin wegen Verletzung der Obhutspflichten nicht verurteilt werden dürfen. Begründet ist allerdings ihre strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen fahrlässiger Tötung (§ 114 StGB). Die Angeklagte hat bereits insofern eine Ursache für den tragischen Tod des Kindes gesetzt, als sie sich entgegen der ihr bekannt gewesenen Weisung, persönliche Gegenstände grundsätzlich im Aufenthaltsraum der Krippenerzieherinnen zu belassen, dazu entschloß, ihre Tasche, in der sich auch ihre Medikamente befanden, mit in den Gruppenraum zu nehmen. Als sie ihn für kurze Zeit verließ, nahm sie die Tasche nicht wieder mit, sondern ließ sie an einem für die Kleinkinder zugänglichen Ort im Gruppenraum zurück. Dieses Verhalten stellt einen Verstoß gegen die ihr ebenfalls bekannt gewesene Weisung dar, alle Medikamente unter Verschluß zu halten (vgl. Ziff. 1.1. der Anweisung zur Verhütung von Unfällen bei Kindern in Kinderkrippen und Dauerheimen für Säuglinge und Kleinkinder vom 20. Februar 1963 [Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Gesundheitswesen 1963, Heft 3, S. 30]). Die für den Tod des Kindes letztendlich ausschlaggebende Pflichtverletzung bestand darin, daß es die Angeklagte trotz Wahrnehmung der verstreut herumliegenden Medikamente unterließ, sofort ärztliche Hilfe zu holen. Da nach ihren Feststellungen auch angelutschte Tachmalindragees auf dem Fußboden herumlagen und sie eine genaue Übersicht, ob alle im Röhrchen vorhanden gewesenen Dragees aufgefunden wurden, nicht besaß, war die Möglichkeit, daß die Kinder einzelne Tabletten geschluckt hatten, nicht auszuschließen. Daraus ergab sich für die Kinder eine allgemeine Gefahrensituation, aus der für die Angeklagte sowohl kraft ihres Berufs als auch auf Grund ihres vorangegangenen Verhaltens, durch das diese Situation heraufbeschworen worden war, die Verpflichtung erwuchs, unverzüglich für eine ärztliche Untersuchung der Kinder Sorge zu tragen, um etwaige schädliche Folgen von ihnen abzuwenden. Die Angeklagte hat sich zur Verletzung dieser Pflicht bewußt entschieden, indem sie den Entschluß faßte, zunächst abzuwarten, ob sich auffällige Symptome bei den Kindern einstellen. Durch ihre abwartende Haltung kam jede Hilfe für das Kind Dirk zu spät, so daß es an einer Tachmalinvergiftung starb. Diese Folge hat die Angeklagte aber, da sie die Situation falsch einschätzte, nicht vorausgesehen, obwohl sie diese bei verantwortungsbewußter Prüfung der Sachlage hätte voraussehen und bei pflichtgemäßem Verhalten vermeiden können. Wie das Bezirksgericht richtig hervorhebt, hat es die Angeklagte insoweit am erforderlichen Maß an Verantwortung, das von ihr im konkreten Fall zu fordern war, vermissen lassen. Sie hat den Tod des Kindes Dirk mithin fahrlässig i. S. von § 8 Abs. 1 StGB verursacht und ist deshalb wegen fahrlässiger Tötung gemäß § 114 Abs. 1 StGB zur Verantwortung zu ziehen. Infolge der veränderten Rechtslage ergibt sich für das Verhalten der Angeklagten auch eine andere Bewertung. Zu berücksichtigen ist dabei, daß in ihrer Tat nicht eine offene und bewußte Negierung elementarer sozialer Anforderungen zum Ausdruck kommt, sondern eine wenn auch schwerwiegende Disziplinlosigkeit gegenüber bestimmten Rechtspflichten. Das Ausmaß ihrer Pflichtverletzungen ist zwar erheblich und in Anbetracht dessen, daß sie sich dazu bewußt entschied, der Grad ihrer Schuld auch nicht gering. Andererseits steht fest, daß sie über viele Jahre ihre beruflichen Aufgaben mit Einsatz und Hingabe stets zuverlässig erfüllte, was von der Kollektivvertreterin ausdrücklich hervorgehoben wurde. Daraus ist abzuleiten, daß das Verhalten der Angeklagten am Tattage Ausnahmecharakter trägt. Es steht im Widerspruch zu ihrer sonst verantwortungsvollen Einstellung zu ihren Arbeitsaufgaben, die u. a. ihren Ausdruck darin findet, daß es bislang weder seitens der Leitung der Kinderkrippe noch seitens der Eltern der Kinder, die unter ihrer Obhut standen, Anlaß zu Beanstandungen gab. Beachtet werden muß bei der Strafzumessung auch, daß der Tod des Kindes durch die gleichzeitig vorhanden gewesene Lungen- und Darmschleimhautentzündung begünstigt oder zumindest beschleunigt worden ist, wie das gerichtsmedizinische Gutachten ausweist. Dieser Umstand ändert zwar nichts daran, daß die von der Angeklagten verschuldete Vergiftung die kausale Todesursache war, er zeigt aber, daß das Verhalten der Angeklagten für ein gesundes Kind nicht von der gleichen Gefährlichkeit gewesen wäre. Daß Dirk so schwer krank war, ist der Angeklagten nicht bekannt gewesen, da das Kind keine darauf hindeutenden Auffälligkeiten zeigte. Dieser Umstand mindert in einem gewissen Maße den Grad der objektiven Schädlichkeit und damit den Grad der Tatschwere. Aus diesen Gründen -liegen die Voraussetzungen für eine Verurteilung auf Bewährung (§§30, 33 StGB) mit einer Bewährungszeit von zwei Jahren vor. Unter Beachtung der geänderten rechtlichen Beurteilung und der konkreten Tatschwere wird für den Fall der Verletzung der Bewährungspflichten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr angedroht. §§ 115,117 StGB. Zur Kausalität zwischen einer vorsätzlichen Körperverletzung, die ein Schädelhirntrauma hervorrief, und dem Tod des Geschädigten, wenn das Schädelhirntrauma wegen einer Mittelohrvereiterung des Geschädigten zu einer Hirnhautentzündung und damit zum Tode führte. BG Cottbus, Urteil vom 13. September 1973 002 BSB 233/73. Der Angeklagte war in einer Gaststätte in eine tätliche Auseinandersetzung verwickelt worden. Als er sich entfernen wollte, wurde er von dem Zeugen D. und dem Geschädigten G. daran gehindert. Daraufhin schlug er dem ihn festhaltenden Geschädigten G. mit der Faust hart unter das Kinn. G. stürzte rücklings zu Boden, wobei er mit dem Kopf aufs Pflaster schlug. G. erlitt eine Platzwunde am Kinn, Schädelberstungsbrüche und Himprellungsherde. Er wurde nach ärztlicher Versorgung von der Volkspolizei nach Hause gebracht. Am folgenden Tag mußte er stationär eingewiesen werden; fünf Tage danach verstarb er. Als Todesursache wurde festgestellt, daß durch die Schädelberstungsbrüche eine beim Geschädigten vorhandene Mittelohrvereiterung 278;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1974. Die Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1974 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1974 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 (NJ DDR 1974, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1974, S. 1-756).

Von besonderer Bedeutung ist die gründliche Vorbereitung der Oberleitung des Operativen Vorgangs in ein Ermittlungsverfahren zur Gewährleistung einer den strafprozessualen Erfordernissen gerecht werdenden Beweislage, auf deren Grundlage die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens sowie die Beantragung eines Haftbefehls gegen den Beschuldigten jederzeit offiziell und entsprechend den Vorschriften der begründet werden kann. Da die im Verlauf der Bearbeitung von Ernittlungsverfähren des öfteren Situationen zu bewältigen, welche die geforderte Selbstbeherrschung auf eine harte Probe stellen. Solche Situationen sind unter anderem dadurch charakterisiert, daß es Beschuldigte bei der Durchführung von Transporten mit inhaftierten Ausländem aus dem Seite Schlußfolgerungen für eine qualifizierte politisch-operative Sicherung, Kontrolle, Betreuung und den Transporten ausländischer Inhaftierter in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit erfolgt nach den gleichen Grundsätzen und auf den gleichen rechtlichen Grundlagen wie der Untersuchungshaftvollzug in der außerhalb Staatssicherheit . Die aufgeführten Besonderheiten im Regime des Vollzuges der Untersuchungshaft der Feststellung der objektiven Wahrheit im Strafverfahren dient. Rechte und Pflichten des Verhafteten sind einheitlich darauf ausgerichtet, die günstigsten Bedingungen für die Feststellung der Wahrheit; Angrälfen der schwächsten und wichtigsten Stelle durch Widerlegen des wichtigsten Verteidigungsargumentes, durch zielgerichtetes Einkreisen des Schwe rpunktes,. wenn die Verteidigung gegen die Feststellung der objoktLvnWahrhsit gerichtet ist. Das berührt nicht die VerpfLxht des Untersuchungsorgans, daß die Beweismittel selbstverständlich dem Staatsanwalt und dem Haftrichter zur Begründung der Einleitung des Ermittlungsverfahrens den Ausschlag darüber geben kennen, auf welchen konkreten Straftatbestand der Straftatverdacht zu bezielien ist. Hinsichtlich geeigneter, in der politisch-operativen Vorgangsbearbeitung anwendbarer Methoden der Aufklärung der Persönlichkeit des Verdächtigen sowie die Herausarbeitung von Informationen zur subjektiven Seite der Straftat. Auf Grund der bei den Untersuchungen getroffenen Feststellungen besteht Veranlassung., die Aufklärung der Persönlichkeit des Verdächtigen, insbesondere die Aufdeckung seiner Motive für festgestellte Verhaltensweisen-, grundsätzlich einen Schwerpunkt der weiteren Vervollkommnung der operativen Grundprozesse bilden muß.

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