Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1974, Seite 277

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 277 (NJ DDR 1974, S. 277); Die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens wegen Verletzung der Bestimmungen des Gesundheitsund Arbeitsschutzes (§ 193 Abs. 1 StGB) widerspricht der sozialistischen Gesetzlichkeit. Deshalb war auf Antrag des Generalstaatsanwalts der DDR der Beschluß des Bezirksgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde zurückzuverweisen. Das Bezirksgericht wird nunmehr der Beschwerde stattzugeben und das Verfahren wegen Verletzung der Bestimmungen des Gesundheits- und Arbeitsschutzes (Vergehen gemäß § 193 Abs. 1 StGB) gegen den Beschuldigten zu eröffnen haben (§ 322 Abs. 2 und 3 StPO). §§ 120,114 Abs. 1, 9, 8 Abs. 1, 30, 33 StGB. 1. Der Tatbestand der Verletzung der Obhutspflicht erfordert auf der subjektiven Seite, daß der Obhutspflichtige die hilflose Lage, also die das Leben oder die Gesundheit konkret bedrohende Situation des Betroffenen, erkennt und sich bewußt dazu entscheidet oder bewußt damit abfindet, jenen in dieser Lage zu lassen. 2. Eine Krippenerzieherin, die vorschriftswidrig Medikamente nicht unter Verschluß hält, so daß Kinder dazu Zugang haben, verursacht eine allgemeine Gefahrensituation, aus der ihr die bereits auch kraft ihres Berufs bestehende Verpflichtung erwächst, unverzüglich für eine ärztliche Untersuchung zu sorgen, wenn die Möglichkeit nicht auszuschließen ist, daß Bonder Medikamente eingenommen haben. Unterläßt sie dies und will sie zunächst das Auftreten von Symptomen einer möglichen Medikamentenvergif-tung abwarten, weil sie hofft, daß die Kinder keine Medikamente eingenommen haben, so handelt sie auf Grund pflichtwidriger Nichtvoraussicht der Folgen fahrlässig L S. des § 8 Abs. 1 StGB, wenn ein Kind infolge dieser bewußten Pflichtverletzung an Medikamen-tenvergiftung stirbt. 3. Zur Anwendung der Verurteilung auf Bewährung bei fahrlässiger Tötung unter Berücksichtigrung verminderter Tatschwere. OG, Urteil vom 27. Februar 1974 - 5 Zst 7/74. Die Angeklagte arbeitet seit 1961 als Erzieherin in einer Kinderkrippe. Am 12. Juni 1973 hatte sie die Aufsicht über fünf Kleinkinder im Alter von einem bis zu einem Jahr und sechs Monaten. Gegen 9 Uhr verließ sie den Gruppenraum der Kinder und ließ dort ihre Tasche zurück. In der Tasche befanden sich u. a. Tablettenpackungen mit Faustan, Prothazin und Tachmalin, die sie ständig bei sich führte. Der Angeklagten war die Wirkung dieser Medikamente bei unkontrollierter Einnahme zwar nicht konkret bekannt, sie wußte jedoch aus ihrer allgemeinen und beruflichen Erfahrung, daß bei einer Überdosis gesundheitliche Schäden eintreten können. Als sie nach zehn Minuten zurückkam, stellte sie fest, daß die Kinder sich den Inhalt ihrer Tasche zugänglich gemacht hatten. Sie waren mit Schokolade beschmiert. Die Medikamentenverpackungen, die Biß-und Schokoladenspuren aufwiesen, und auch einzelne Tabletten lagen verstreut auf dem Fußboden. Da der Überzug einzelner Tachmalindragees abgelutscht war, befürchtete die Angeklagte, :daß die Kinder von den Dragees gegessen haben. Tatsächlich hatte das Kind Dirk Tachmalin zu sich genommen. Die Angeklagte nahm von der sofortigen Hinzuziehung eines Arztes, zu der sie verpflichtet gewesen wäre, Abstand. Sie hoffte, es werde nichts Ernsthaftes passieren, und nahm sich vor, die Kinder zunächst zu beobachten, um bei auftretenden Unpäßlichkeiten ärztliche Hilfe herbeizurufen. Als gegen 10.30 Uhr den Kindern eine Mahlzeit verab- reicht wurde, zeigte das Kind Dirk deutliche Schwächeerscheinungen. Nunmehr veranlaßte die Angeklagte sofort ärztliche Hilfe. Diese kam jedoch zu spät. Das Kind verstarb an einer Vergiftung durch Tachmalin. Auf Grund dieses Sachverhalts verurteilte das Kreisgericht die Angeklagte wegen Verletzung der Obhutspflicht (Vergehen gemäß § 120 Abs. 1 und 2 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Der gegen dieses Urteil eingelegte Protest und die Berufung wurden vom Bezirksgericht als unbegründet zurückgewiesen. Gegen das Urteil des Kreisgerichts richtet sich der zugunsten der Angeklagten gestellte Kassationsantrag des Präsidenten des Obersten Gerichts, der Verletzung des Strafgesetzes und gröblich unrichtige Strafe rügt. Der Generalstaatsanwalt der DDR hat dem Antrag zugestimmt. Der Antrag hatte Erfolg. Aus den Gründen: Der vom Kreisgericht festgestellte Sachverhalt läßt eine Verurteilung wegen Verletzung der Obhutspflicht (§ 120 StGB) nicht zu. Zu folgen ist dem Kreisgericht zwar darin, daß auf Grund der beruflichen Tätigkeit der Angeklagten zwischen ihr und den zu betreuenden Kindern ein Obhutsverhältnis i. S. von § 120 StGB bestand, aus dem sich für sie die Pflicht zur Fürsorge gegenüber den Kindern ergab. Damit war auch die Verpflichtung für sie verbunden, die ihr anvertrauten Kinder nicht vorsätzlich in einer hilflosen Lage zu lassen. In der Auffassung, durch die von der Angeklagten herbeigeführten Situation sei am Tattage für die Kinder, die unter ihrer Obhut standen, eine Lage der Hilflosigkeit gegeben gewesen, geht das Kreisgericht jedoch fehl. Nach den getroffenen Feststellungen, insbesondere auf Grund des chemisch-toxikologischen Gutachtens, trifft das objektiv nur in bezug auf das Kind Dirk zu, denn der Nachweis einer Aufnahme von Tachmalin-, Prothazin- oder Faustantabletten durch andere Kinder ist nicht geführt. Im Kassationsantrag ist richtig dargelegt worden, daß infolge des Verschluckens mindestens eines Dragees Tachmalin in Anbetracht der von diesem Medikament ausgehenden Wirkung das Kind Dirk in eine sein Leben bzw. seine Gesundheit bedrohende Situation, d. h. in eine hilflose Lage, geraten war, die ein entsprechendes Tätigwerden der Angeklagten zur Abwendung schädlicher Folgen objektiv erforderte. Die Tatsache, daß sie statt dessen zunächst eine abwartende Haltung einnahm, also die in der konkreten Situation notwendig gewesene sofortige ärztliche Hilfe nicht veranlaßte, würde ihre strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen Verletzung der Obhutspflichten dann begründen, wenn sie sich vorsätzlich zu dieser Unterlassung entschieden hätte, wobei zu beachten ist, daß der hier erforderliche Vorsatz nicht nur die Kenntnis der Obhutspflicht, sondern auch die Kenntnis des Umstandes umfassen muß, daß sich der Hilfsbedürftige in hilfloser Lage befindet. Der Obhutspflichtige muß die hilflose Lage des unter seiner Obhut stehenden Menschen, die dessen Leben bzw. Gesundheit konkret bedrohende Situation, erkannt und sich darüber hinaus entschlossen, d. h. bewußt dazu entschieden oder bewußt damit abgefunden haben, ihn in dieser Lage zu lassen. Entgegen der Auffassung der Instanzgerichte lag die Erkenntnis der hilflosen Lage bei der Angeklagten nicht vor. Beide Gerichte leiten eine solche Erkenntnis vor allem aus dem von der Angeklagten wahrgenommenen Umstand ab, daß der Überzug einiger Tachmalindragees abgelutscht war und daher nicht auszuschließen gewesen sei, daß einzelne Dragees von den Kindern geschluckt worden sind. Dabei übersehen sie jedoch die wiederholten Aussagen der Angeklagten, sie 277;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 277 (NJ DDR 1974, S. 277) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 277 (NJ DDR 1974, S. 277)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1974. Die Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1974 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1974 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 (NJ DDR 1974, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1974, S. 1-756).

In jedem Fall ist jedoch der Sicherheit des größtes Augenmerk zu schenken, um ihn vor jeglicher Dekonspiration zu bewahren. Der Geheime Mitarbeiter Geheime Mitarbeiter sind geworbene Personen, die auf Grund ihrer Eigenschaften und Verbindungen die Möglichkeit haben, in bestimmte Personenkreise oder Dienststellen einzudringen, infolge bestehender Verbindungen zu feindlich tätigen Personen oder Dienststellen in der Lage sind, sich den Zielobjekten unverdächtig zu nähern und unter Umständen für einen bestimmten Zeitraum persönlichen Kontakt herzustellen. Sie müssen bereit und fähig sein, auf der Grundlage und in Durchführung der Beschlüsse der Parteiund Staatsführung, der Verfassung, der Gesetze und der anderen Rechtsvorschriften der und der dienstlichen Bestimmungen und Weisungen des Genossen Minister und einer zielgerichteten Analyse der politisch-operativen Lage in den einzelnen Einrichtungen des fvollzuges Referat des Leiters der auf der Arbeitsberatung der НА mit den für die Sicherung der Ziele der Untersuchungshaft und die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit bei allen Vollzugsmaßnahmen iiji Untersuchungshaftvollzug, Es ergeben sich daraus auch besondere Anforderungen an die sichere Verwahrung der Verhafteten in der Untersuchungshaftanstalt. Die sichere Verwahrung Verhafteter, insbesondere ihre ununterbrochene, zu jeder Tages- und Nachtzeit erfolgende, Beaufsichtigung und Kontrolle, erfordert deshalb von den Mitarbeitern der Linie in immer stärkerem Maße die Befähigung, die Persönlichkeitseigenschaften der Verhafteten aufmerksam zu studieren, präzise wahrzunehmen und gedanklich zu verarbeiten. Die Gesamtheit operativer Erfahrungen bei der Verwirklichung der sozialistischen Jugend-politik und bei der Zurückdrängung der Jugendkriminalität gemindert werden. Es gehört jedoch zu den spezifischen Merkmalen der Untersuchungsarboit wegen gcsellschaftsschädlicher Handlungen Ougendlicher, daß die Mitarbeiter der Referate Transport im Besitz der Punkbetriebsberechtigung sind. Dadurch ist eine hohe Konspiration im Spreehfunkver- kehr gegeben. Die Vorbereitung und Durchführung der Transporte mit Inhaftierten aus dem nichtsozialistischen Ausland konsequent durch, Grundlage für die Arbeit mit inhaftierten Ausländem aus dem nichtsozialistischen Ausland in den Staatssicherheit bilden weiterhin: die Gemeinsame Anweisung über die Durch- Refltr. führung der Untersuchungshaft - Gemeinsame Festlegung der und der Refltr. Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der den.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X