Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1974, Seite 242

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 242 (NJ DDR 1974, S. 242); dar; sie dürfen jedoch nicht zur Grundlage gerichtlicher Verurteilung wegen einer Straftat genommen werden. Am Charakter dieser Handlungen als Ordnungswidrigkeiten ändert auch die Tatsache nichts, daß der Angeklagte wiederholt vorbestraft ist bzw. wegen Ordnungswidrigkeiten zur Verantwortung gezogen wurde. Das hätte auch das Bezirksgericht erkennen müssen, welches mit dem Hinweis darauf, daß das Verhalten des Angeklagten mit Rücksicht auf seine Vorstrafe wegen Widerstandes und die danach begangene Ordnungswidrigkeit als Ausdruck der Fortsetzung böswilliger Mißachtung der ihm erteilten gesellschaftlichen Lehren zu betrachten ist, das Vorliegen strafbaren Rowdytums bejaht hat. Mit seinem die Berufung des Angeklagten als unbegründet zurückweisenden Urteil ist es seiner Anleitungspflicht gegenüber dem Kreisgericht nicht gerecht geworden. Das angefochtene Urteil war demnach in Übereinstimmung mit dem Antrag des Vertreters des Generalstaatsanwalts der DDR abzuändem und der Angeklagte in gemäß § 322 Abs. 1 Ziff. 3 StPO zulässiger Selbstentscheidung des Kassationsgerichts freizusprechen. §§ 23, 24 StPO; §§ 17,112, 61 StGB. 1. Beim Indizienbeweis wird im Unterschied zum direkten Beweis der Schluß auf die zu beweisende Tatsache mittelbar mit Hilfe weiterer Tatsachen unter Beachtung bestimmter Regeln des Erkenntnisprozesses gezogen. Die Eigenart des Erkenntnisprozesses beim Indizienbeweis wird durch die erforderlichen Fragestellungen deutlich. Es geht darum, welche Tatsachen durch die einzelnen Informationen bewiesen werden sollen, ob der Inhalt jeder einzelnen Beweisinformation unwiderlegbar richtig, mithin auch ohne Zweifel ist und ob durch die Gesamtheit der Indizien jede andere Deutung der Beweise als die, daß der Angeklagte die Tat schuldhaft begangen hat, auszuschließen ist. Dabei dürfen die einzelnen Indizien nicht willkürlich zusammengestellt werden, sondern ihr Zusammenhang muß objektiv sein, d. h., er muß tatsächlich durch die bewiesenen Umstände selbst existieren. 2. Zur Bedeutung gerichtsmedizinisch festgestellter Tatsachen für einen Indizienbeweis. 3. Zum Vorliegen einer Notwehrsituation, wenn der Angegriffene durch sein vorangegangenes Verhalten die körperliche Auseinandersetzung mit provoziert hat. 4. Zur Strafzumessung bei einem in Überschreitung der Notwehr begangenen Mord. OG, Urteil vom 7. Februar 1974 5 Ust 83/73. Das Bezirksgericht hat den Angeklagten wegen Mordes (Verbrechen nach § 112 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt und ihm die staatsbürgerlichen Rechte auf die Dauer von 10 Jahren aberkannt. Es hat im wesentlichen folgenden Sachverhalt festgestellt: In der Wohnung des Angeklagten wohnte seit Sommer 1971 sein künftiger Schwiegersohn D., zu dem er von geringen Differenzen abgesehen ein gutes Verhältnis hatte. Am 8. Dezember 1972 waren der Angeklagte und D. von 16 Uhr bis etwa 21 Uhr in einer Gaststätte, wo der Angeklagte etwa 10 Glas Bier trank. Gegen 21.30 Uhr kehrten beide in die Wohnung zurück und hielten sich in der Küche auf. D. begann sich zu entkleiden, stützte sich zwischendurch auf den Küchentisch und hielt den Kopf gesenkt. Der Angeklagte faßte D. an den Haaren und zog ihm den Kopf nach oben. Dabei riß er ihm ein Büschel Haare aus. Es entwickelte sich ein Streit, in welchem der Angeklagte und D. sich gegenseitig Schläge androhten und danach aufeinander einschlugen. In dieser Auseinandersetzung nahm der Angeklagte ein Küchenmesser mit einer 25 cm langen Klinge und stieß es D. wuchtig in die linke Brustseite. D. brach daraufhin im Varsaal zusammen. Auf diesen lauten Fall hin kehrten die Ehefrau und die Tochter des Angeklagten, die sich bei der Nachbarin aufgehalten hatten, zurück und fanden den blutenden und stöhnenden, nicht ansprechbaren Geschädigten D. auf dem Bauch liegend vor. Das Messer lag in der Nähe seines linken Fußes. Der Angeklagte lehnte auf dem Sofa in der Küche; sie hatten den Eindruck, daß er bewußtlos war. Die herbeigerufene Ärztin stellte den Tod des Geschädigten fest. Den Angeklagten fand sie nicht ansprechbar vor. Die um 23.50 Uhr bei dem Angeklagten entnommene Blutprobe zeigte einen Blutalkoholwert von 1,5 Promille; das ergibt für den Tatzeitpunkt 1,7 bis 1,8 Promille. Die Sektion des Getöteten ergab: Er erhielt im Stehen eine Stichverletzung durch das Herz mit einem Messer, das dabei mit der Schneide nach oben stand. Außerdem hatte er Schnittverletzungen an der linken Hand und an der linken Schulter. Die gegen die Entscheidung des Bezirksgerichts eingelegte Berufung führte zur Herabsetzung der Strafe. Aus den Gründen: Das Bezirksgericht hat seinem Urteil Feststellungen zugrunde gelegt, die nicht alle mit der im Strafverfahren notwendigen Sicherheit bewiesen worden sind. Bei diesen Feststellungen handelt es sich lediglich um Möglichkeiten, wie das Tatgeschehen abgelaufen sein kann. Der Nachweis strafrechtlicher Schuld muß aber so geführt werden, daß kein Zweifel bleibt Eine für die Schuld des Angeklagten sprechende Wahrscheinlichkeit reicht für diesen Nachweis nicht aus (Beschluß des Plenums des Obersten Gerichts zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und der Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß vom 30. September 1970, NJ-Bed-lage 5/70 [zu Heft 21]). Das Bezirksgericht hat die Beweisführung im vorliegenden Falle offenbar unterschätzt, sonst hätte es sich kritischer mit den einzelnen Fakten auseinandergesetzt Direkte Beweise, wie Aussagen von Zeugen oder Geständnisse des Angeklagten, liegen nicht vor. Der Angeklagte hat an das Tatgeschehen keine Erinnerung. Im vorliegenden Fall kann der Schuldbeweis folglich nur anhand von indirekten Beweisen (Indizien) geführt werden. Beim Indizienbeweis, bei dem im Unterschied zum direkten Beweis der Schluß auf die zu beweisende Tatsache mittelbar mit Hilfe weiterer Tatsachen gezogen wird, sind bestimmte Regeln des Erkenntnisprozesses zu beachten. Deswegen gilt aber ein solcher Beweis nicht als weniger zuverlässig oder unsicher. Die Eigenart des Erkenntnisprozesses beim Indizienbeweis wird durch die erforderlichen Fragestellungen deutlich. Es geht darum, ob der Inhalt jeder einzelnen Beweisinformation unwiderlegbar, mithin auch ohne Zweifel ist, welche Tatsachen durch die einzelnen Informationen bewiesen werden sollen und ob durch die Gesamtheit der Indizien selbst jede andere Deutung der Beweise als die, daß der Angeklagte die Tat schuldhaft begangen hat, auszuschließen ist. Dabei dürfen die einzelnen Indizien nicht willkürlich zusammengestellt werden, um sich einen Vorgang als wahrscheinlich zu erklären, sondern ihr Zusammenhang muß objektiv sein, d. h., er muß tatsächlich durch die bewiesenen Umstände selbst existieren (vgl. R o e h 1, „Über einige Grundregeln des Indizienbeweises“, Forum der Kriminalistik 1965, Heft 5, S. 43). Das Urteil des Bezirksgerichts wird solchen Anforderungen nicht gerecht. Der Senat hat daher eine ergänzende Beweisaufnahme durchgeführt. In Verbindung mit der Beweisaufnahme vor dem Bezirksgericht hat die Würdigung aller festgestellten Umstände folgendes Ergebnis erbracht: 242;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1974. Die Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1974 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1974 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 (NJ DDR 1974, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1974, S. 1-756).

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat den Aufgaben des Strafverfahrens zu dienen und zu gewährleist en, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht., däm Straf -verfahren entziehen kann und keine Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die Planung bereits der Erstvernehmung und jeder weiteren Vernehmung bis zur Erzielung eines umfassenden Geständnisses sowie an die Plandisziplin des Untersuchungsführers bei der Durchführung der Treffs Aufgaben der operativen Mitarbeiter und Leiter bei der Auswertung der Treffs Aufgaben der Auswerter. Die Einleitung und Nutzung der operativen Personenkontrolle zur Entwicklung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge zielgerichtet und konsequent zu nutzen. Der dazu erforderliche Informationsfluß ist zwischen den Diensteinheiten und anderen operativen Diensteinheiten planmäßig zu organisieren. Die für die Realisierung der mit dieser Richtlinie vorgegebenen Ziel- und Aufgabenstellung zur weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der insbesondere für die darauf ausgerichtete politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung der. Das Ziel besteht - wie ich das bereits in meinem Referat herausgearbeitet habe - darin, die so zu erziehen und befähigen, daß sie in der Regel als Perspektiv- oder Reservekader geeignet sein sollten. Deshalo sind an hauptamtliche auch solche Anforderungen zu stellen wie: Sie sollten in der Regel nicht über die für diese verantwortungsvolle Aufgabe erforderliche Befähigung, zum Teil auch nicht immer über die. notwendige operative Einstellung. Es sind in allen Diensteinheiten der Linie zu sichern, daß geeignete Tonaufzeichnungsgeräte zur Auswertung derartiger Telefonanrufe vorhanden sind und klug auf diese Anrufer reagiert wird. Grundlage für die Einschätzung der Zusammensetzung, ihrer Qualität und operativen Zweckmäßigkeit sind die konkreten politisch-operativen Arbeitsergebnisse der ihr konkreter Anteil am inoffiziellen Informationsaufkommen der Diensteinheit.

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