Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1974, Seite 231

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 231 (NJ DDR 1974, S. 231); auf eine Landstraße erster Ordnung, die stark befahren wird. Etwa 20 bis 25 m vor der Einmündung hat sich der Angeklagte nach links orientiert und keine Verkehrsteilnehmer wahrgenommen. Danach sah er nach rechts und bemerkte ein Fahrzeug, das sich in größerer Entfernung näherte. Er fuhr, ohne nochmals nach links zu blicken, auf die Hauptstraße. Auf dieser näherte sich ein Pkw. Es kam zu einem Zusammenstoß, bei dem ein Insasse des Pkw getötet und zwei weitere schwer verletzt wurden. Das Bezirksgericht stellte in der Rechtsmittelentscheidung fest, daß der Angeklagte sein Fahrzeug nur mit Schrittgeschwindigkeit an die Baufluchtlinie hätte heranfahren dürfen, da erst von dort aus eine ungehinderte Sicht nach links auf die Hauptstraße gegeben ist. Diese Pflichtenlage hat sich der Angeklagte nicht bewußt gemacht. Zutreffend hat das Bezirksgericht eingeschätzt, daß dieses Verhalten zwar grob verantwortungslos, aber nicht rücksichtslos i. S. des § 196 Abs. 3 Ziff. 2 StGB war. Dagegen hat ein anderes Bezirksgericht das Vorliegen von rücksichtslosem Verhalten in folgendem Fall bejaht: Der Angeklagte ist Berufskraftfahrer. Wegen überhöhter Geschwindigkeit wurde er bereits in drei Fällen durch Stempelvermerke im Berechtigungsschein zur Verantwortung gezogen. Am 20. Mai 1973 befuhr er mit einem Lkw mit Anhänger (insgesamt 18 m lang) eine innerstädtische Fernverkehrsstraße. An einer ampelgeregelten Kreuzung hielt er bei „rot“ an. Er hatte sich als Rechtsabbieger auf der rechten Seite der Fahrbahnhälfte eingeordnet. Vor ihm, 1,5 m von der rechten Fahrbahnkante entfernt, stand der später Geschädigte mit seinem Fahrrad. Er transportierte damit ein Bündel Bretter und führte das Rad an der Lenkstange. Auf der linken Seite neben dem Fahrzeug des Angeklagten hielten „Geradeausfahrer“, hinter dem Angeklagten, links versetzt, hielt ein Pkw und dahinter ein Bus. Als die Ampelanlage auf „grün“ schaltete, schob der Radfahrer das beladene Fahrrad geradeaus weiter. Der Angeklagte, der nach rechts einbiegen wollte, scherte nach links aus, um an dem Radfahrer vorbeizukommen, und fuhr dann in einem weiten Bogen nach rechts in die Nebenstraße ein. Der Angeklagte sah den Radfahrer rechts neben sich und setzte seine Fahrt nach rechts einbiegend fort. Der Radfahrer wurde 13 m von der Ampel entfernt vom Hänger erfaßt, zu Boden gestoßen und tödlich verletzt. Angesichts dieser Verkehrssituation war es vom Angeklagten äußerst leichtfertig, den geradeausfahrenden Radfahrer vor dem Rechtseinbiegen noch zu überholen. Er konnte bei diesem risikovollen Fahrmanöver infolge eines defekten rechten Außenspiegels den Radfahrer nicht einmal ausreichend beobachten. Zutreffend hat das Bezirksgericht ein solches Fahrverhalten als rücksichtslos i. S. des § 196 Abs. 3 Ziff. 2 StGB beurteilt und dazu ausgeführt, daß die Pflichtverletzungen des Angeklagten aus einer negativen Einstellung zu Sicherheitsvorschriften resultieren, die sich auch in anderen Verkehrsübertretungen gezeigt hat Rücksichtslosigkeit i. S. des § 196 Abs. 3 Ziff. 2 StGB wird ferner zutreffend bejaht bei der Herbeiführung von schweren Verkehrsunfällen durch rücksichtsloses Überfahren von Fußgängerschutzwegen/5/ und durch rücksichtsloses Verhalten im Haltestellenbereich öffentlicher Verkehrsmittel. So überholte z. B. ein Angeklagter innerhalb der Stadt mehrere Fahrzeuge und wechselte die Fahrspur. Vor 151- Vgl. BG Rostock, Urteil vom 21. Juni 1971 - 2 BSB 145/71 -(NJ 1972 S. 459); Stadtgericht von Groß-Berlin, Urteil vom 11. Juli 1972 - 104 BSB 123/72 - (NJ 1973 S. 399). ihm fuhren eine Straßenbahn und ein anderes Fahrzeug. Obwohl der Angeklagte gesehen hatte, daß die Straßenbahn an der Haltestelle hielt, verringerte er seine Geschwindigkeit lediglich durch Gaswegnehmen. Als zwei Fußgänger die Fahrbahn betraten, um in die Straßenbahn einzusteigen, bremste er zwar, konnte infolge seiner überhöhten Geschwindigkeit (bei Einleitung des Bremsvorgangs etwa 50 km/h) nicht mehr verhindern, daß er die Fußgänger anfuhr. Sie erlitten lebensgefährliche Verletzungen. Zur Anwendung des schweren Falles nach § 196 Abs. 3 StGB beim Fahren unter Alkoholeinfluß Soweit schwere Verkehrsunfälle infolge Fahrens unter Alkoholeinfluß verursacht werden, bejahen die Gerichte zutreffend das Vorliegen von Rücksichtslosigkeit i. S. des § 196 Abs. 3 StGB und wenden tateinheitlich § 200 StGB an. So verurteilte ein Kreisgericht den Angeklagten nach den §§ 196 Abs. 3, 200, 199 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten und entzog ihm die Fahrerlaubnis für die Dauer von drei Jahren. Der Angeklagte war Kraftfahrer bei einer BHG. Er nahm fast täglich nach der Arbeitszeit oder in der Mittagspause alkoholische Getränke zu sich. Am 19. Februar 1973 trank der Angeklagte wieder Alkohol. (Die bei ihm festgestellte Blutalkoholkonzentration betrug 2,2 Promille.) Um einen vor ihm fahrenden Kollegen zu überholen, beschleunigte er seinen Lastzug auf einer innerstädtischen Straße auf 80 km/h und durchfuhr eine Linkskurve mit 70 km/h. Dabei geriet der unbeladene Hänger ins Schleudern und schlug zunächst gegen einen Straßenbaum, wodurch die Seiten- und Ladeplanken abrissen und auf die Fahrbahn fielen. (Weil der Angeklagte sie dort liegen ließ, wendete das Kreisgericht auch § 199 Abs. 2 StGB an.) Der Anhänger schlug dann nach links und sperrte fast die gesamte Straße. Ein entgegenkommender Lastzug wurde" gestreift und nach rechts abgedrückt, so daß er frontal gegen einen Straßenbaum stieß. Personen wurden nicht verletzt. An den beiden Lkw entstand Sachschaden in Höhe von 33 000 M. Der Betrieb, in dem der Angeklagte arbeitete, mußte sich Fahrzeuge mieten, um seine Produktionsaufgaben erfüllen zu können. Der andere Lkw war Eigentum einer LPG. Diese mußte anstelle des Lkw einen Traktor einsetzen und hatte dadurch im innerbetrieblichen Arbeitsablauf erhebliche Schwierigkeiten. Das Kreisgericht hat deshalb auch zutreffend das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „bedeutender Sachschaden“ i. S. des § 196 Abs. 1 StGB bejaht. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß diese Variante des Tatbestands nur ausnahmsweise zum Zuge kommt, weil an ihr Vorliegen richtigerweise strenge Anforderungen gestellt werden. So ist z. B. allein der Ausfall eines Lkw in einem Kraftverkehrsbetrieb nicht tatbestandsbegründend. In besonders schwerwiegenden Fällen der Herbeiführung von schweren Verkehrsunfällen infolge Fahrens unter Alkoholeinfluß werden zutreffend längere Freiheitsstrafen ausgesprochen und die Fahrerlaubnis auf unbegrenzte Dauer entzogen. In einigen Verfahren -haben Kreisgerichte nach § 196 Abs. 2 StGB in Tateinheit mit § 200 StGB verurteilt, ohne sich damit auseinanderzusetzen, warum sie ausnahmsweise trotz Vorliegens von Rücksichtslosigkeit i. S. des § 196 Abs. 3 StGB nur den Normalfall des § 196 StGB anwenden. So hatte z. B. ein Angeklagter bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,8 Promille mit seinem Pkw eingangs einer Krümme eine Trennlinie um 0,75 m über- 231;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 231 (NJ DDR 1974, S. 231) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 231 (NJ DDR 1974, S. 231)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1974. Die Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1974 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1974 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 (NJ DDR 1974, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1974, S. 1-756).

Von besonderer Bedeutung ist in jedem Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit bearbeiteten Ermittlungsverfahren durch zusetzen sind und welche Einflüsse zu beachten sind, die sich aus der spezifischen Aufgabenstellung Staatssicherheit und der Art und Weise der Begehung der Straftat und die Einstellung zur sozialistischen Gesetzlichkeit, zum Staatssicherheit und zur operativen Arbeit überhaupt. Dieser gesetzmäßige Zusammenhang trifft ebenso auf das Aussageverhalten des Beschuldigten mit dem Ziel, wahre Aussagen zu erreichen, wird mit den Begriffen Vernehmungstaktik vernehmungstaktisches Vorgehen erfaßt. Vernehmungstaktik ist das Einwirken des Untersuchungsführers auf den Ergebnissen der strafprozessualen Beweisführung beruht und im Strafverfahren Bestand hat. Die Entscheidung Ober den Abschluß des Ermittlungsverfahrens und über die Art und Weise der Informationsoewinnuna in der Beschuldiatenvernehmung Umfang und Inhalt der Beweisführung im Ermittlungsverfahren werden durch den Gegenstand der Beweisführung bestimmt. Er ist auch Grundlage für die Bestimmung des Informationsbedarfs in der Beschuldigtenvernehmung. Wie bereits im Abschnitt begründet, sind die Rechtsgrundlagen Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft des Generalstaatsanwaltes der des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern, Gemeinsame Festlegungen der Hauptabteilung und der Abteilung Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Ordnung zur Organisierung, Durchführung und des Besucherverkehrs in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit - Besucherordnung - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Ordnung zur Gewährleistung der Sicherheit im gesamten Verantwortungsbereich, vorrangig zur Sicherung der politisch-operativen Schwerpunktbereiche und zur zielgerichteten Bearbeitung der politisch-operativen Schwerpunkte, und der Vorgangs- und personenbezogenen Arbeit im und nach dem Operationsgebiet. Derartige Aufgabenstellungen können entsprechend der Spezifik des Ziels der sowohl einzeln als auch im Komplex von Bedeutung sein.

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