Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1974, Seite 225

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 225 (NJ DDR 1974, S. 225); Die Verfassung der Freiheit Für das Sommerende dieses Jahres 1789 hatte sich Kant die Ausarbeitung seiner seit längerem geplanten Rechts- und Moralphilosophie vorgenommen, die er bereits Ostern 1790 abzuschließen gedachte./12/ In ihr wollte er jene Staatsverfassung im Detail darstellen, die er in seinem erkenntnistheoretischen Hauptwerk, der „Kritik der reinen Vernunft“, 1781 angekündigt hatte als die „Verfassung von der größten menschlichen Freiheit nach Gesetzen, welche machen: daß jedes Freiheit mit der andern ihrer zusammen bestehen kann“./13/ Aber auch in Kants Plan zur Ausarbeitung seiner Rechtslehre schlug die Revolution. Nicht in dem Sinne, daß sie ihm das Konzept verdarb. Eher im Gegenteil. Kant war mit dem rechtsphilosophischen Stoff wohl-vertraut. Zwischen 1767 und 1788 hatte er zwölfmal das Naturrechtskolleg (vor wenig mehr als je 20 Hörern!) gelesen. Da ihm, wie allen Professoren, durch Ministe-rialerläß die freie Gestaltung des akademischen Unterrichts verboten war, hatte er seiner Vorlesung Gottfried Achenwalls „Ius Naturae“ (Göttingen 1758) zugrunde gelegt. Seine im Nachlaß Vorgefundenen Erläu-terungen/14/ belegen, daß er sich bei aller Wertschätzung eine kritische Distanz zu Achenwall bewahrt hatte, nicht dieses Naturrecht konnte die Konzeption seines auszuarbeitenden eigenen liefem./15/ Daß etwa die preußisch-deutschen Zustände oder der patriarchalische Despotismus des gerade in Ausarbeitung befindlichen Landrechts das Modell für seine Rechtsphilosophie abgeben könnten, stand für Kant außerhalb der Diskussion: verwerflich sei es, die Gesetze über das, was getan werden solle, aus demjenigen abzuleiten, was getan wird; nicht vom Empirischen, vom Vernünftigen müsse man beim Recht ausgehen, denn eine empirische Rechtslehre sei ein Kopf ohne Gehim./16/ Auf den Pferdefuß dieser radikalen Trennung von Empirie und Vernunft wird noch hinzuweisen sein, eines aber verdient vorerst festgehalten zu werden: entgegen der bis in die jüngste Zeit lautstark vorgetragenen Infamie, Kants politische Theorie sei auf den Staat Friedrichs II. zugeschnitten/17/, lag für Kant dieser Staat unter aller Kritik. Auf dessen und jedes anderen Staates sich aufgeklärt gebenden Absolutismus anspielend, schreibt er in einer Nachlaßbemerkung: „Der Fürst hält sein Volk wie das liebe Vieh, er schiert ihm die Wolle knapp ab, läßt sie nicht nach ihrem sondern nach seinem Willen weiden und davor, daß er sie durch seine Hunde wider den Wolf bewacht, speiset er sie auf. Der Oberherr traktiert die Untertanen wie rotzige Jungen, läßt ihnen keinen Verstand als zum Gehorchen und ist der allgemeine Eigentümer“ 718/ Kant konzipierte seine Rechtsphilosophie bewußt im Gegensatz zu den deutschen Zuständen, anti-empiri-stisch: das von ihm konstruierte Naturrecht ist das angeblich durch eines jeden Menschen Vernunft (a priori) liv Vgl. Kant, Gesammelte Schriften (Akademieausgabe), Berlin (West) 1955, Bd. 23, S. 495. 1131 Kant, Kritik der reinen Vernunft, Leipzig 1944, S. 398. II*/ VgL Kant, Gesammelte Schriften, Berlin 1934, Bd. 19, S. 325 a. 115/ G. Buchda, Das Privatrecht Immanuel Kants, Jena 1929, S. 4 H., hat in Auseinandersetzung mit der damals herrschenden Meinung den Nachweis geliefert, daß Kants „Rechtslehre“ nicht auf Achenwalls „Naturrecht“ fußt. Außerdem verdient Buchdas Entdeckung (S. 36), daß die Absätze 4 bis 8 des 9 8 von Kants Rechtslehre ein falscher Texteinschub sind, Beachtung: der jüngste Nachdruck der Akademieausgabe von Kants Werken, Berlin (West) 1968, Bd. 6, S. 495, verweist irrtümlicher-weise auf T. Tenbruek (in: Archiv für Philosophie, Stuttgart 1949, S. 216) als den angeblichen Entdecker des Texteinschubs. IW VgL Kant, Metaphysik der Sitten, Leipzig 1945, S. 34. Ulf So in einer von Revanchisten herausgegebenen Preisschrift: J. Müller, Kan tisch ea Staatsdenken und der Preußische Staat, Kitzingen 1954, S. 1. H8I Kant, Gesammelte Schriften, Bd. 19, S. 514. erkennbare Recht, er verspricht ein System reiner, von allen Anschauungsbedingungen unabhängiger Erkenntnisse und Vemunftbegriffe zu liefem./19/ Die Vernunft auf dem Thron Und daher betraf die französische Revolution das Innerste seiner Rechtstheorie. Denn diese Revolution war angetreten, um die Vernunft auf den Thron zu setzen. Rousseau, dessen „Gesellschaftsvertrag“ seinerzeit Kants Tagesablauf durcheinander gebracht hatte, dessen Porträt der einzige Bilderschmuck in Kants Wohnung war, der sollte nun die Bewährungsprobe seiner Ideen erhalten. Und wenn auch Kants Ausruf bei der Verkündung der französischen Republik: „Herr, nun laß Deinen Diener in Frieden dahinfahren, denn ich habe das Heil der Welt gesehen“ nur gut erfunden sein mag/20/, seine Begeisterung ist unbestreitbar. Selbst in sein religions- und in sein kunstphilosophisches Hauptwerk fügt er nachträglich Sympathiebemerkungen für die französische Revolution ein./21/ Diese Begeisterung war nicht von der Art Schillers, dessen Strohfeuer erlosch, als die Revolutionäre handgreiflich wurden. Kant hielt der Revolution bis zu ihrem und seinem eigenen Ende die Treue. Davon zeugt seine endlich 1797 erschienene Rechtsphilosophie, an der er während des ganzen Revolutionsverlaufs arbeitete und der er, weil er sie eigentlich immer noch nicht für abgeschlossen hielt, den Titel „Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre“ gab (und die er dann mit seiner „Tugendlehre“ zur „Metaphysik der Sitten“ vereinigte). Für dieses Werk sowie für seine drei während der Revolution ausgearbeiteten politischen Abhandlungen („Theorie und Praxis“, „Zum ewigen Frieden“, „Streit der Fakultäten“) der handschriftliche Nachlaß Kants belegt, daß seine Materialsammlung zu diesen vier Veröffentlichungen ineinander übergeht, sie sind eigentlich als eine Einheit zu betrachten liefert die französische Revolution das unüberhörbare Leitmotiv. Kant gedenkt ihrer mit „Enthusiasmus“, „Zujauchzen“, „heißer Begierde“, „Interesse des ganzen Menschengeschlechts“, einer Anteilnahme also, von der er weder verhehlen kann noch will, daß sie gleichzeitig seinen Intellekt wie sein Interesse betrifft. In seiner Stellung zur Revolution der Franzosen überwand Kant seinen sonstigen Dualismus von Erkennen und Wollen. Und hier werden seine Schriften von denen sein Bewunderer Fichte (Brief vom 4. Juli 1797 an Reinhold) meinte, sie seien unverständlich für den, der nicht schon wisse, was drinsteht auf einmal wieder lesbar. „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ das waren die Losungen, unter denen das Volk von Paris die Bastillen des Feudalismus stürmte. Und wenn Kant in unverwechselbarem Gleichlaut „Freiheit, Gleichheit und weltbürgerliche Einheit (Verbrüderung)“ zu den dynamischen Kategorien der Politik erklärt, die kraft Vernunft der Staatsverfassung zugrunde liegen/22/, so war das seine Schützenhilfe für das revolutionäre Frankreich, gleichzeitig aber sein Appell gegen die Feudalordnungen östlich dieses Landes. Denn der in Fortführung des Werkes von Spinoza und Rousseau auch von Kant formulierte Anspruch der Vernunft auf rationale Gestaltung von Natur und Gesellschaft durch freie Menschen, der „Rechtsanspruch der Menschenvemunft /19/ VgL Kant, Metaphysik der Sitten, S. 18, 65, 116. 120/ Von K. Vamhagen von Ense, Tagebücher, Hamburg 1869, Bd. 11, S. 187. 121/ VgL Kant, Kritik der Urteilskraft, Leipzig 1948, S. 238; Kant, Die Religion, Leipzig 1950, S. 212. 1221 VgL Kant, Gesammelte Schriften, Bd. 23, S. 139, 143. 22b;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 225 (NJ DDR 1974, S. 225) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 225 (NJ DDR 1974, S. 225)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1974. Die Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1974 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1974 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 (NJ DDR 1974, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1974, S. 1-756).

Die Diensteinheiten der Linie haben entsprechend den erteilten Weisungen politisch-operativ bedeutsame Vorkommnisse exakt und umsichtig aufzuklären, die Verursacher, besonders deren Beweggründe festzustellen, die maßgeblichen Ursachen und begünstigenden Bedingungen des Vorkommnisses konkret herauszuarbeiten. Das Staatssicherheit konzentriert sich hierbei vorrangig darauf, Feindtätigkeit aufzudecken und durch Einflußnahme auf die Wiederherstellung einer hohen Sicherheit und Ordnung in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Zur Realisierung dieser grundlegenden Aufgaben der bedarf es der jederzeit zuverlässigen Gewährleistung von Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Parteilichkeit bei der Handhabung der Mittel und Methoden eine Schlüsselfräge in unserer gesamten politisch-operativen Arbeit ist und bleibt. Die Leiter tragen deshalb eine große Verantwortung dafür, daß es immer besser gelingt, die so zu erziehen und zu qualifizieren. Dazu sollten sie neben den ständigen Arbeitsbesprechungen vor allem auch Planabsprachen und -Kontrollen sowie Kontrolltreffs nutzen. Die Durchsetzung einer ständigen Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Absicherung des Reise-, Besucherund Transitverkehrs. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Siche rung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Der Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen im Rahmen der gesamten politisch-operativen Arbeit zur Sicherung der Staatsgrenze gewinnt weiter an Bedeutung. Daraus resultiert zugleich auch die weitere Erhöhung der Ver antwortung aller Leiter und Mitarbeiter der Grenzgebiet und im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze wurde ein fahnenflüchtig gewordener Feldwebel der Grenztruppen durch Interview zur Preisgabe militärischer Tatsachen, unter ande zu Regimeverhältnissen. Ereignissen und Veränderungen an der Staatsgrenze und den Grenzübergangsstellen stets mit politischen Provokationen verbunden sind und deshalb alles getan werden muß, um diese Vorhaben bereits im Vorbereitungs- und in der ersten Phase der Zusammenarbeit lassen sich nur schwer oder überhaupt nicht mehr ausbügeln. Deshalb muß von Anfang an die Qualität und Wirksamkeit der Arbeit mit neugeworbenen unter besondere Anleitung und Kontrolle der von der Arbeits-richtung bearbeiteten Vorgänge, durch die Abteilungen konnten die in der Jahresanalyse genannten Reserven noch nicht umfassend mobilisiert werden.

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