Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1974, Seite 208

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 208 (NJ DDR 1974, S. 208); zu lebenslangem Zuchthaus verurteilten KZ-Aufseher, dem vierthöchsten SS-Mann von Buchenwald, die Strafe auf 6 Jahre reduziert und ihm eine Haftentschädigung von rund 150 000 DM gewährt/2/, dann ist auch das Klassenjustiz in Aktion. Nun haben gerade die Klassenkämpfe in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre die Septemberstreiks der Arbeiter und Angestellten von 1969, die Studentenunruhen, die Demonstrationen gegen die Notstandsgesetze der großen Koalition und gegen die Vietnam-Aggression der Johnson und Nixon und die Rolle, welche die Gerichte in diesen Auseinandersetzungen spielten, weithin den Neutralitätsanspruch der BRD-Justiz als unberechtigt erkennen lassen. So fand etwa die Behauptung eines Schöffengerichtsvorsitzenden vom Jahre 1968, die Verurteilung von Ostermarschierem als Landfriedensbrecher sei als „wertneutrale Subsumtion“ erfolgt, auch im bürgerlichen Lager kein rechtes Verständnis mehr./3/ Es hat schon immer zu den Folgeerscheinungen offener Klassenkämpfe gehört, daß die Neutralitätsmaske der Justiz, symbolisiert in der Augenbinde der Gerechtigkeitsgöttin Themis und legalisiert in der Unabhängigkeitsgarantie des gesetzesunterworfenen Richters, abzubröckeln begann. In dieser Krisensituation auch des öffentlichen Justizverständnisses haben sich eine Vielzahl bürgerlicher Autoren entschlossen, den Schein aufzugeben, um die Sache zu retten: Man attestierte der Justiz, sie sei Klassenjustiz, aber man interpretierte „Klassenjustiz“ so, daß nichts Wesentliches aufgegeben zu werden braucht./4/ Daher ist es ein gesellschaftliches und folglich wissenschaftliches Erfordernis, das wirkliche Wesen und die hauptsächlichen Erscheinungsformen von Klassenjustiz aufzudecken. Diese Aufgabe hat Rolf'Geffken mit Sachkunde und Leidenschaft angepackt. Dabei wertet er die Auffassungen von Marx bis Lenin zur gesellschaftlichen Funktion kapitalistischer Justiz aus, besonders natürlich die ziemlich in Vergessenheit geratenen Untersuchungen Karl Liebknechts./5/ Der Gefahr, Behauptungen anstelle von Überzeugungen zu vermitteln, entgeht Geffken dadurch, daß er seinen Gegenstand historisch-real behandelt: Er analysiert in knappen, aber informationsprallen Abschnitten den Klassencharakter der Justiz des Kaiserreiches, der Weimarer Republik, des Nazifaschismus und schließlich der BRD. So breitet er reichlich Tatsachenmaterial aus, das er in einem Schlußabschnitt zu Leitsätzen verdichtet Nicht selten wird Klassenjustiz als ein in der Volksund Weltfremdheit der Richter bestehendes Phänomen gedeutet womit objektiv auf eine falsche Fährte gelockt wird, denn die Richter des Bundesverfassungsgerichts beispielsweise, die mit ihrem Urteil vom 31. Juli 1973 dem zwischen der DDR und der BRD abgeschlossenen Vertrag über die Grundlagen ihrer Beziehungen eine noch im kalten Krieg ersonnene Interpretation unterschoben, wußten sehr wohl, was sie taten. In Aus- /2/ Demokratie und Recht 1973, Heft 2, S. 207 fl. 131 Vgl. U. Sehroth, „Zum Problem richterlicher Tatbestandsfestlegung im Strafrecht“, in: A. Kaufmann (Hrsg.), Rechtstheorie, Karlsruhe 1971, S. 103. /4/ Aus der Fülle des Gedruckten: X. Berra, Im Paragraphenturm, Berlin (West)/Neuwied 1966; Th. Rasehorn u. a Im Namen des Volkes, Neuwied/Berlin (West) 1968; W. O. Weyrauch, Zum Gesellschaftsbild des Juristen, Neuwied/Berlin (West) 1970; R. Lautmann, Soziologie vor den Toren der Jurisprudenz, Stuttgart 1971; W. Kaupen / Th. Rasehom, Die Justiz zwischen Obrigkeitsstaat und Demokratie, Neuwied/Berlin (West) 1971; H. Rottleuthner, Richterliches Handeln (Zur Kritik der juristischen Dogmatik), Frankfurt am Main 1973, S. 162 ff.; Jura-Berufsreport 1973/74, Karlsruhe 1973. ß/ Vgl. K. Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Berlin 1958, Bd. 2, S. 17-43 (Rechtsstaat und Klassenjustiz); Bd. 3, S. 3-55 (Gegen die preußische Klassenjustiz); Bd. 4, S. 311 331 (Kritik an der Klassenjustiz); Bd. 5, S. 22 77 (Preußische Justiz); Bd. 7, S. 49-92 (Gegen Dunkelmännergeist und Klassenjustiz). einandersetzung mit jener verharmlosenden Deutung ist für Geffken Justiz deshalb Klassenjustiz, weil sie ein Organ des Klassenstaates ist. Daher läßt er sich weder auf die Vernebelungsthese ein, Klassenjustiz sei mittel-schithtfreundliche Justiz/6/, noch sieht er als Gegner und Opfer der Klassenjustiz eine „antiautoritäre“ Gesellschaftsgruppe./?/ Geffkens Kontroversen mit jenen, die wohl die Existenz einer Klassenjustiz zugeben, aber die Tatsache der Klassenherrschaft leugnen oder ignorieren, gipfeln in der profilgebenden Erkenntnis: Das Wesen der Klassenjustiz liegt in der Unterdrückung des Arbeiters als Teil seiner kämpfenden Klasse (S. 9)! Folglich ist für Ggffken auch nicht der Richter das Subjekt der Justiz, und nicht in der Rechtsbeugung liegt der Normalfall von Klassenjustiz. Vielmehr besteht für ihn die objektive Funktion der Justiztätigkeit in der BRD in der Aufrechterhaltung der Klassengesellschaft und ihres Staates. (Hinzuzufügen wäre noch die ideologische Herrschaft, denn daß nach der meinungsmanipulierten Sympathieskala braver Bundesbürger ein Polizist weit über einem Kommunisten rangiert/8/, widerspiegelt die ideologische Macht.) Die hauptsächlichen Erscheinungsformen der Klassenjustiz sieht Geffken (S. 53 ff.) in einer nach klassenmäßigen Gesichtspunkten selektierten Strafverfolgung durch Polizei und Staatsanwaltschaft, in einer demgemäßen richterlichen Prozeßführung (Behandlung des Angeklagten, Verhalten gegenüber der Verteidigung, Zeugenauswahl), in einer vom Ergebnis her diktierten Gesetzesauslegung, in einer einfachen Anwendung schlichten Klassenrechts (Eigentumsschutz, Mietrecht), in quasilegislativer Tätigkeit der Gerichte (sog. Richterrecht) bei gering normierten Rechtsgebieten (Arbeitskampfrecht) oder bei krasser Interessengefährdung des Kapitals (§ 615 BGB, Betriebsrisiko), in einem gesetzesverfälschenden Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten. (Zu ergänzen wären noch: die klassenmäßig motivierte Festlegung des Strafmaßes und der entsprechend unterschiedlich gestaltete Strafvollzug.) In der Herkunft der Richter der BRD im letzten halben Jahrhundert ist der Anteil der aus der Arbeiterklasse stammenden Richter nie über 1 Prozent hinaus-gekommen/9/! sieht Geffken ein solides Fundament der Klassenjustiz. Hier wäre noch anzufügen, daß die Richter entgegen dem Bonner Grundgesetz (Art. 97) nicht unabhängig sind, weder äußerlich (Rücksichtnahme auf Beförderungschancen, Disziplinarrecht usw.) noch innerlich (ihre Ausbildung führt an einer Einsicht in die gesellschaftlichen Verhältnisse vorbei). Sowohl das Beweismaterial als auch die Leitsätze Geffkens sind ausbaufähig. Wichtig erscheinen dabei gewisse international sichtbar werdende Tendenzen einer fehlinterpretierten Justizbehandlung der Wirtschafttskriminalität/10/ und des Nachweises der Rassen- 161 So R. Lautmann, „Klassenjustiz? Soziale Schichtung und Rechtsprechung“, in: Der Bürger im Staat (Stuttgart) 1970, S. 159. /7/ So H. Rottleuthner, „Klassenjustiz?“, in: Kritische Justiz (Frankfurt am Main) 1969, Heft 1, S. 15. 16/ Vgl. W. Kaupen, in: Jahrbuch für Rechtssoziologie und ReChtstheorie, Bielefeld 1972, Bd. 3, S. 562. 191 Vgl. W. Kaupen, Die Hüter von Recht und Ordnung, Neuwied/Berlin (West) 1969, S. 77 fl.; W. Richter, Zur soziologischen Struktur der deutschen Richterschaft, Stuttgart 1968. flOl Vgl. R. Hedlbroner (u. a.), Im Namen des Profits, Reinbek 1973. 208;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 208 (NJ DDR 1974, S. 208) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 208 (NJ DDR 1974, S. 208)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1974. Die Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1974 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1974 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 (NJ DDR 1974, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1974, S. 1-756).

Im Zusammenhang mit der Ausnutzung der Verbundenheit des zum Staatssicherheit sind ebenfalls seine Kenntnisse aus der inoffiziellen Arbeit sowie seine Einstellung zum führenden Mitarbeiter und seine Erfahrungen mit dem Staatssicherheit zu berücksichtigen. Die Ausnutzung der beim vorhandenen Verbundenheit zum Staatssicherheit und zu dessen Aufgaben als vernehmungstaktischer Aspekt kann eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, wenn der in seiner inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheit resultieren. Diese objektiv gegebenen Besonderheiten, deren Nutzung die vemehmungstaktischen Möglichkeiten des Untersuchungsführers erweitern, gilt es verstärkt zu nutzen. Im Prozeß der Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit, der Lösung der Aufgaben und der Geheimhaltung, die nicht unbedingt in schriftlicher Form erfolgen muß. Die politisch-operative Zusammenarbeit mit Gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit ist auf die Erfüllung von Sicherungs- und Informationsaufgaben Staatssicherheit gerichtet. Sie ist Ausdruck und dient der Förderung einer entfalteten Massenwachsamkeit. Die Zusammenarbeit mit Gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit und Inoffiziellen Mitarbeitern im Gesamtsystem der Sicherung der Deutschen Demokratischen Republik tritt mit Wirkung. in Kraft. Zum gleichen Zeitpunkt wird die Richtlinie für die Arbeit mit Inoffizielles! Mitarbeitern und Gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit, Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie für die Planung der polit isch-ope rativen Arbeit im Staatssicherheit , Vertrauliche Verschlußsache Dis imperialistischen Geheimdienste der Gegenwart. Vertrauliche Verschlußsache . Die Qualifizierung der politisch-operativen Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung und Bekämpfung, der gegen die Staats- und Gesellschaftsordnung der gerichteten Untergrund-tät igkeit Potsdam, Duristische Hochschule, Dissertation Vertrauliche Verschlußsache Humitzsch Fiedler Fister Roth Beck ert Paulse Winkle eichmann Organisierung der Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens sowie der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels ist ein wesentlicher Beitrag zu leisten für den Schutz der insbesondere für die Gewährleistung der staatlichen Sicherheit der DDR. Die politisch-operativen, tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und das Erwirken der Untersuchungshaft.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X