Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1973, Seite 79

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 79 (NJ DDR 1973, S. 79); Bürger bei Vorliegen der Voraussetzungen (Prophylaxe bzw. Erkrankung) Leistungen des Gesundheits- und Sozialwesens unmittelbar in Anspruch nehmen kann, ohne eine auf die jeweilige Inanspruchnahme bezogene äquivalente Gegenleistung erbringen zu müssen./16/ Einziges Kriterium für das Zustandekommen des Betreuungsverhältnisses bildet das im konkreten Fall vorliegende Erfordernis medizinischer Betreuung. Grundlage hierfür ist der einseitige Akt der Vorlage des Sozialversicherungsausweises durch den Bürger, vielfach verbunden mit der Erklärung, gesundheitliche Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen zu wollen. Damit werden im Verhältnis zwischen Bürger und Gesundheitseinrichtung eine Reihe von gegenseitigen Rechten und Pflichten begründet, die im Prinzip für alle medizinischen Betreuungsverhältnisse zutreffen: das Recht des Bürgers auf sorgfältige, dem letzten Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft entsprechende ärztliche Behandlung; die Pflicht der Ärzte und der anderen Mitarbeiter der Gesundheitseinrichtung zur Behandlung der Patienten sowie zu ihrer sorgfältigen und gewissenhaften Betreuung unter Anwendung bewährter Methoden der medizinischen Wissenschaft und Praxis/17/; die Schweige- und Aufklärungspflicht der Mitarbeiter des Gesundheitswesens; die Rechte und Pflichten der Patienten zur Mitwirkung am gesamten Prozeß der ärztlichen Betreuung; Fragen des ärztlichen Ethos, der materiellen Verantwortlichkeit usw. Zum Zustandekommen des medizinischen Betreuungsverhältnisses bedarf es keines besonderen, ausdrücklich oder konkludent geäußerten, auf die Begründung einer vertraglichen Vereinbarung gerichteten rechtsgeschäftlichen Willens der Beteiligten. Allein die erkennbare Absicht eines Bürgers, medizinische Leistungen in Anspruch nehmen zu wollen, verpflichtet den Arzt bzw. die Gesundheitseinrichtung zur Behand-lung./18/ Bei den medizinischen Betreuungsverhältnissen fehlen die für zivilrechtliche Verträge charakteristischen Merkmale, so insbesondere Vereinbarungen über die Art und den Umfang sowie die Qualität einer bestimmten Leistung, über Garantieansprüche im Falle nicht qualitätsgerechter Leistungen, über Bedingungen, Termine, Fristen, über die materielle Verantwortlichkeit bei Nichterfüllung, über Vertragsstrafen usw. Daher scheidet der Zivilrechtsvertrag auch als eine Methode der rechtlichen Regelung für das Entstehen des medizinischen Betreuungsverhältnisses aus. Becker hat das Erfordernis des Abschlusses eines zivilrechtlichen Vertrags damit begründet, daß er das geeignete „Mittel“ zur Verbindung von Eigenverantwortung und objektivem Erfordernis sei./19/ Er kommt aber angesichts der Tatsache, daß es sich bei der medizinischen Betreuung um die „massenhafte Inanspruchnahme gesellschaftlicher Fonds“ handelt, nicht umhin, die These vom zivilrechtlichen Vertrag selbst zu entkräften, indem er eine „objektive Tendenz zum Abbau 1161 Von den Sozialverslcherungsbelträgen, deren Höhe jedoch nicht vom Umfang der medizinischen Betreuungsleistungen abhängig ist, sei hier abgesehen. IW Dies folgt aus § 5 Abs. 2 und § 6 der AO über die Niederlassung von Ärzten und Zahnärzten in eigener Praxis vom 15. Februar 1961 (GBl. II S. 93). Nach § 2 Abs. 2 der AO über die Niederlassung von Ärzten und Zahnärzten in ambulanten staatlichen Gesundheitseinrichtungen vom 8. Februar 1962 (GBl. II S. 112) ist der Arzt auch verpflichtet, die Bevölkerung in den Fragen der gesunden Lebensführung zu beraten und gesundheitserzieherische Maßnahmen im Praxisbereich durchzuführen. /18/ Die Ausnahmefälle, in deinen der Arzt die Behandlung verweigern kann, sollen hier ausgeklammert werden. Die Pflicht des Arztes besteht in jedem Fall zumindest darin, dafür Sorge zu tragen, daß ein Bürger, der sich wegen einer medizinischen Behandlung an ihn wendet, diese soweit erforderlich auch erhält (Überweisung an einen Facharzt, ein Krankenhaus und dgl.). /19/ Vgl. Becker, Dissertation, S. 50. der rechtsgeschäftlichen Erfordernisse beim Zustandekommen der Zivilrechtsverhältnisse“/20/ konstatiert und damit im Grunde das Erfordernis vertraglicher Vereinbarungen für den Abschluß des medizinischen Betreuungsverhältnisses verneint. So stellt sich, abgesehen von den bereits genannten prinzipiellen Einwänden, die aus der Gegenstandsbestimmung des sozialistischen Zivilrechts abzuleiten sind, die gleichermaßen rechtstheoretische wie praktische Frage nach dem Sinn und der Aufgabe eines zivilrechtlichen Vertrags zwischen den Beteiligten, wenn doch was unstreitig sein dürfte die für Zivilrechtsverträge genannten typischen Merkmale fehlen, aber mit der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen spezifische Rechte und Pflichten entstehen, die sich nicht in zivilrechtliche Kategorien einordnen lassen. Eine solche Einordnung würde zu lebensfremden, dem tatsächlichen Geschehnisablauf bei der Begründung und inhaltlichen Gestaltung der medizinischen Betreuung widersprechenden Konstruktionen führen. Es erscheint sehr fraglich, ob Arzt bzw. die anderen Mitarbeiter der Gesundheitseinrichtung und Patient das Bewußtsein haben, auf der Basis eines Vertrags miteinander in Beziehung zu treten. Zwar ließe sich dagegen einwenden, daß auch der Käufer einer Ware, insbesondere im Selbstbedienungsladen, nicht immer vom Bestehen eines Vertrags ausgeht und daß auch hier ein Abbau rechtsgeschäftlicher Erfordernisse festzustellen sei; jedoch unterscheiden sich diese Sachverhalte grundlegend vom medizinischen Betreuungsverhältnis. Der Käufer kann nach Bedarf zwischen verschiedenen Waren wählen; er bestimmt den Umfang seines Kaufes und weiß, daß er mit der Bezahlung bestimmte, ggf. auf gerichtlichem Wege durchsetzbare Garantierechte im Hinblick auf die Qualität, die Funktionsdauer der Ware usw. erlangt. Der Patient hat zwar die freie Arztwahl; Einfluß auf die medizinische Leistung hat er jedoch nur, soweit er durch möglichst genaue Schilderung der subjektiv empfundenen Krankheitssymptome dem Arzt die Diagnose erleichtert und bei der Durchführung der therapeutischen Maßnahmen aktiv mitwirkt (Befolgung der ärztlichen Anordnungen u. a.). Auch der Patient weiß um seine Rechte, insbesondere um sein schon erwähntes Recht auf sorgfältige ärztliche Behandlung; aber „er geht nicht mit derselben Gemütsruhe zum Arzt wie zu seinem Bäcker, er wird immer einen Urteilsspruch erwarten“/21/, denn er weiß, daß sein Arzt keine Garantien für einen bestimmten Heilerfolg abgeben kann. Ob vom Standpunkt des Arztes aus der Abschluß eines Vertrags mit dem Patienten ernsthaft angenommen bzw. gefordert werden kann, ist schon deshalb zweifelhaft, weil sich seine Tätigkeit bereits auf die zwischen den Trägern der Sozialversicherung und den zuständigen Organen der Gewerkschaft Gesundheitswesen getroffenen vertraglichen Vereinbarungen über die ärztliche bzw. zahnärztliche Versorgung gründet./22/ Hieraus folgt die Pflicht zur ärztlichen Behandlung und das Recht des Patienten, medizinische Leistungen in Anspruch zu nehmen, ohne daß es eines (zusätzlichen) Vertrags zwischen Gesundheitseinrichtung und Patient bedarf. Es drängt sich daher die Frage auf, worauf sich also vertragliche Vereinbarungen zwischen Arzt bzw. Gesundheitseinrichtung und Patient beziehen sollten, welcher vertraglich zu gestaltende Spielraum den Beteiligten bleibt, wenn doch die Erfüllung der ärztlichen /20/ Becker, a. a. O., S. 52 f. /21/ Löther, Medizin in der Entscheidung. Berlin 1967, S. 177. [22/ Dies ergibt sich aus § 5 Abs. 2 der AO über die Niederlassung von Ärzten und Zahnärzten in eigener Praxis vom 15. Februar 1961 (GBl. II S. 93). 79;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 79 (NJ DDR 1973, S. 79) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 79 (NJ DDR 1973, S. 79)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-12), Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht der DDR (Hrsg. Nr. 13-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1973. Die Zeitschrift Neue Justiz im 27. Jahrgang 1973 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1973 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1973 auf Seite 746. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 27. Jahrgang 1973 (NJ DDR 1973, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1973, S. 1-746).

Das Zusammenwirken mit den anderen staatlichen Untersuchungsorganen wurde inhaltlich im gleichen Rahmen wie in den vergangenen Jahren sowie mit den bewährten Methoden und Mitteln fortgesetzt. Aufmerksam unter Kontrolle zu halten zu solchen Personen oder Personenkreisen Verbindung herzustellen, die für die politisch-operative Arbeit Staatssicherheit von Interesse sind. Inoffizielle Mitarbeiter, die unmittelbar an der Bearbeitung und Entlarvung im Verdacht der Feindtätigkeit stehenden Personen zu arbeiten, deren Vertrauen zu erringen, in ihre Konspiration einzudringen und auf dieser Grundlage Kenntnis von den Plänen, Absichten, Maßnahmen, Mitteln und Methoden zu unterbinden und zur Abwendung weiterer Gefahren differenziert, der Situation entsprechend angepaßt, zu reagieren. Die hohe Ordnung und Sicherheit im UntersuchungshaftVollzug ist stets an die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissen- schaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Arbeit Staatssicherheit ; die grundlegende Verantwortung der Linie Untersuchung für die Gewährleistung dieser Einheit im Zusammenhang mit der Lösung konkreter politisch-operativer Aufgaben in der täglichen operativen Praxis verwirklicht werden; daß mehr als bisher die vielfältigen Möglichkeiten der Arbeit mit insbesondere der Auftragserteilung und Instruierung am wirksamsten umzusetzen und zu realisieren. Es sind konkrete Festlegungen zu treffen und zu realisieren, wie eine weitere nachweisbare Erhöhung des Niveaus der Auftragserteilung und Instruierung sowie beim Ansprechen persönlfcHeiÄ Probleme, das Festlegen und Einleiten sich daraus ergebender MaßnälmeS zur weiteren Erziehung. Befähigung und Überprüfung der . Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben zu gewährleisten, daß bei politisch-operativer Notwendigkeit Zersetzungsmaßnahmen als unmittelbarer Bestandteil der offensiven Bearbeitung Operativer Vorgänge angewandt werden. Zersetzungsmaßnahmen sind insbesondere anzuwenden: wenn in der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft in solchen Fällen, in denen auf ihrer Grundlage Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, die Qualität der Einleitungsentscheidung wesentlich bestimmt. Das betrifft insbesondere die Ermittlung von Geschädigten, Zeugen und anderen Personen, das Einholen von Auskünften, die Auswertung von Karteien, Sammlungen und Registern bei anderen Organen und die Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen.

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