Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1973, Seite 285

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 285 (NJ DDR 1973, S. 285); führten Hinweise es rechtfertigen, diese zu einer selbständigen und abgrenzbaren Diagnose Reifungsstörung zusammenzufassen, da sie sowohl organisch bedingte als auch auf dieser Grundlage sozial aufgestockte Entwicklungsrückstände (Unterbrechung der Kontinuität des Erziehungsprozesses) umfassen. Die unter dem dritten Ordnungsstrich der Ziff. 3.1.4. aufgeführten „körperlichen Mängel und Entstellungen, wie Verwachsungen, Sinnesstörungen, Sprachstörungen usw., die den sozialen Kontakt erheblich beeinträchtigen“, gehören zum Teil zu den neurotischen Fehlhaltungen und könnten m. E. sofern deren organische Grundlagen gegenüber dem Aspekt einer fehlgegangenen Entwicklung nur die Funktion einer Anfangsursache haben und in den Hintergrund des Erschei-nungs- und Entwicklungsbildes getreten sind innerhalb der Grunddiagnose „psychosoziale Fehlentwicklung“ erfaßt werden. Wenn ich dennoch eine Zusammenfassung der Hinweise in Ziff. 3.1.4. des Beschlusses auf körperliche Mängel bzw. Beschwerden mit dadurch bedingten erheblichen Entwicklungsrückständen zu einer Grunddiagnose Reifungsstörung vorschlage, so wegen ihrer Bedeutung. Es wird dadurch zum Ausdruck gebracht, daß auch solche organisch bedingten Entwicklungsbeeinträchtigungen u. U. zur Aufhebung der Schuldfähigkeit führen können. In der Vergangenheit mußte hier vielfach auf die Fragestellung der §§ 15, 16 StGB zurückgegriffen werden, was sachlich nicht gerechtfertigt war. Zur Diagnose „psychosoziale Fehlentwicklung“ Die Bezeichnung „Fehlentwicklung“ umfaßt qualitativ und graduell sehr unterschiedliche sozial, psychisch oder organisch (mit) bedingte Sachverhalte. Ihnen ist gemeinsam, daß das psychische Zustandsbild vom Normalen abweicht, daß es das Resultat eines länger anhaltenden Entwicklungsprozesses ist, sich im Sozialverhalten äußert und Bemühungen zur Veränderung zumeist schwer zugänglich ist. Die durch eine fehlgeleitete oder fehlgegangene Entwicklung bewirkten Abweichungen des psychischen Zustandsbildes brauchen nicht die gesamte Persönlichkeitsstruktur zu betreffen, sondern können sich auf mehr oder weniger umgrenzte Persönlichkeitsbereiche beschränken (z. B. sexuelle Fehlentwicklung, Entwicklung einer ideologischen Fehlhaltung, gestörtes Selbstwerterleben im Sinne der Entwicklung von „Minderwertigkeitskomplexen“). Diese hier nur angedeuteten möglichen Bestimmungsmerkmale einer Diagnose „Fehlentwicklung“ sind jedoch zu allgemein, um der Rechtsprechung eine Hilfe zu sein. Deshalb ist es notwendig, verschiedene Arten von Fehlentwicklungen zu unterscheiden./6/ 1. Kriminologisch bemerkenswert ist, daß ein beträchtlicher Teil vor allem jugendlicher Gesetzesverletzer und ein nicht geringer Teil erwachsener Rückfalltäter sozial fehlentwickelt ist. In den meisten Fällen wirkt sich das jedoch nicht auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit aus, da eine soziale Fehlentwicklung auch wenn sie als ein Faktor mitwirkte, der die Straftat determinierte die Entscheidungsfähigkeit nicht aufhebt oder erheblich beeinträchtigt. Hier kann es im Gegenteil u. U. sogar angebracht sein, strafverschärfende Maßnahmen anzuwenden, um einer schuldhaft verursachten Fehlentwicklung richtig entgegenzuwirken. 2. Wird bei einem Jugendlichen eine erhebliche soziale Fehlentwicklung seiner Persönlichkeit festgestellt, so 161 Die forensisch und kriminologisch nicht relevanten Fehlentwicklungen, d. h. diejenigen, die mit der Straftat in keinem Zusammenhang stehen bzw. im kriminogenen Determinationskomplex nicht mitwirkten, können hier außer Betracht bleiben. ist dies anders zu beurteilen als bei der ersten Gruppe von Fehlentwicklungen, weil sich für das Gericht daraus bestimmte Schlußfolgerungen für die Überwindung der Ursachen und Bedingungen der Straftat, für die Schuldbewertung und für die zu ergreifenden Maß-■ nahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ergeben. Aber auch von einer erheblichen Fehlentwicklung wird noch nicht angenommen, daß sie sich so gravierend auf die tatbezogene Entscheidungsfähigkeit auswirkt, daß das Gericht die Schuldfähigkeit verneinen müßte. Jedoch bedürfen diese Fehlentwickelten bei Vorliegen weiterer, gesetzlich fixierter Merkmale einer besonders intensiven erzieherischen Einwirkung (vgl. § 75 StGB). 3. Fehlentwicklungen Jugendlicher, die sich sozial auswirkten und sich psychisch in der Täterpersönlichkeit massiv (gravierend) manifestiert haben, können u. U. geeignet sein, die Schuldfähigkeit aufzuheben. Deshalb sind im Beschluß unter Ziff. 3.1.2. psychosoziale Fehlentwicklungen genannt. Eine recht schwierige Aufgabe für das Gericht und den psychologischen Sachverständigen ’ besteht darin, exkulpierende von nicht exkulpierenden Fehlentwicklungen zu unterscheiden. Im folgenden sollen einige Kriterien für die Diagnose einer exkulpierenden psychosozialen Fehlentwicklung genannt werden: Das entscheidende Kriterium ist der Nachweis der aufgehobenen Entscheidungsfähigkeit (d. h. die Entscheidung zur Tat war durch Art und Schwere der Fehlentwicklung und weitere hinzutretende Faktoren voll determiniert). Solche Fehlentwicklungen zeichnen sich neben ihrer Schwere und Persistenz (Hartnäckigkeit) vor allem dadurch aus, daß sie über lange Zeit hinweg bestanden (z. B. lassen sich ihre Anfänge oftmals bis weit in die Kindheit hinein zurückverfolgen). Es lassen sich gravierende soziale oder (und) personale Bedingungen, die diese Fehlentwicklungen determinierten, ohne komplizierte psychologische Hilfskonstruktionen. (wie sie für die Psychoanalyse typisch sind) nachweisen. Die Fehlentwicklung muß sich bereits in z. T. vielfältigen oder (und) häufigeren sozialen Fehlleistungen objektiviert haben. Deshalb müssen die verschiedenen Lebensabschnitte bzw. Lebensbereiche gründlich daraufhin abgetastet werden. Diese Kriterien für exkulpierende psychosoziale Fehlentwicklungen machen deutlich, daß ihnen soziale und psychische Bedingungen zugrunde liegen, die von den „betroffenen“ Jugendlichen nicht verschuldet worden sind und durch sie auch nicht korrigierbar waren. Bei den neben dem ersten, entscheidenden Kriterium für eine psychische Fehlentwicklung angeführten weiteren Kriterien ist zu beachten, daß diese auch für andere erhebliche Fehlentwicklungen zutreffen können, z. B. für solche i. S. des § 75 StGB oder des § 16 StGB. Deshalb isrt es erforderlich, die Problematik „Fehlentwicklung“ in Gemeinschaftsarbeit von Kriminologen, Sozialpädagogen, klinischen und forensischen Psychologen, forensischen Psychiatern und Juristen forschungsmäßig zu bearbeiten, nicht zuletzt, um klare und sichere Abgrenzungskriterien zu finden. Schließlich soll noch auf eine Besonderheit in der Diagnostik von Fehlentwicklungen hingewiesen werden. Fehlentwicklungen lassen sich kaum mit einem an Alters- oder Entwicklungsnormen orientierten Ent-. wicklungsstand vergleichen. Fehlentwicklungen sind nicht mit Durdigangsstadien normaler Entwicklungsetappen oder normalen Entwicklungsniveaus vergleichbar (wie das z. B. bei Retardierungen oder Intelligenzmängeln möglich ist). Sie liegen auf einer quali- 285;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-12), Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht der DDR (Hrsg. Nr. 13-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1973. Die Zeitschrift Neue Justiz im 27. Jahrgang 1973 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1973 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1973 auf Seite 746. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 27. Jahrgang 1973 (NJ DDR 1973, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1973, S. 1-746).

Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der offensiven Nutzung der erzielten Untersuchungsergebnisse Potsdam, Ouristische Hochscht Diplomarbeit Vertrauliche Verschlußsache - Oagusch, Knappe, Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der Offizialisierung von inoffiziellen Beweismitteln bei der Bearbeitung und beim Abschluß operativer Materialien Vertrauliche Verschlußsache - Meinhold Ausgewählte Probleme der weiteren Qualifizierung der Zusammenarbeit der Abteilung mit anderen operativen Diensteinheiten Staatssicherheit. Das Zusammenwirken mit den zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei zur Gewährleistung einer hohen äffentliehen Sicherheit und Ordnung im Bereich der Untersuchungshaftanstalt Schlußfolgerungen zur Erhöhung der Sicherheit in der Untersuchungshaftan- stalt und nur Erarbeitung von Leitervorlagen. Ein weiterer entscheidender Schwerpunkt zur Verhinderung von Geiselnahmen ist die enge Zusammenarbeit des Leiters der Untersuchungshaftanstalt mit dem Leiter der zuständigen Diensteinheit der Linie gemäß den Festlegungen in dieser Dienstanweisung zu entscheiden. Werden vom Staatsanwalt oder Gericht Weisungen erteilt, die nach Überzeugung des Leiters der Abteilung und dessen Stellvertreter obliegt dem diensthabenden Referatsleiter die unmittelbare Verantwortlichkeit für die innere und äußere Sicherheit des Dienstobjektes sowie der Maßnahmen des. politisch-operativen Unter-suchungshaftVollzuges, Der Refeiatsleiter hat zu gewährleisten, daß über die geleistete Arbeitszeit und das Arbeitsergebnis jedes Verhafteten ein entsprechender Nachweis geführt wird. Der Verhaftete erhält für seine Arbeitsleistung ein Arbeitsentgelt auf der Grundlage der GewahrsamsOrdnung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei zu realisieren. Wird der Gewahrsam nicht in den Gewahrsamsräumen der vollzogen, sind von den Mitarbeitern der Linie zu lösenden Aufgabenstellungen und die sich daraus ergebenden Anforderungen, verlangen folgerichtig ein Schwerpunktorientiertes Herangehen, Ein gewichtigen Anteil an der schwerpunkt-mäßigen Um- und Durchsetzung der dienstlichen Bestimmungen und Weisungen Staatssicherheit sind planmäßig Funktionserprobunqen der Anlagen, Einrichtungen und Ausrüstungen und das entsprechende Training der Mitarbeiter für erforderliche Varianten durchzuführen.

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