Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1973, Seite 262

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 262 (NJ DDR 1973, S. 262); Dr. ROLF SCHRODER, Richter am Obersten Gericht Hinweise zur Prüfung der Pflichtverletzung und der verantwortungslosen Gleichgültigkeit bei fahrlässiger Schuld Das Strafgesetzbuch führt auch die fahrlässige Schuld auf die Verantwortung des Menschen gegenüber der sozialistischen Gesellschaft zurück. Eine Pflichtverletzung ist nur dann schuldbegründend, wenn sich der Täter entweder bewußt dazu entscheidet oder wenn die Verletzung zwar unbewußt geschieht, jedoch das Nichtbewußtmachen auf verantwortungsloser Gleichgültigkeit oder Gewöhnung an pflichtwidriges Verhalten infolge disziplinloser Einstellung beruht (§§ 7 und 8 StGB). Andere unbewußte Pflichtverletzungen begründen, auch wenn sie schädliche Folgen herbeiführen, keine strafrechtliche Verantwortlichkeit. Die bewußte Pflichtverletzung und das Nichtbewußtmachen der Pflichten infolge verantwortungsloser Gleichgültigkeit oder disziplinloser Gewöhnung an pflichtwidriges Verhalten bringen in Verbindung mit der Voraussicht bzw. der Voraussehbarkeit der eingetretenen Folgen echte Verantwortungslosigkeit zum Ausdruck. Dabei betrifft die Verantwortungslosigkeit des Handelns das subjektive Verhältnis des Täters zu den sich auf sein Verhalten beziehenden sozialen Anforderungen, die sich konkret als Rechtspflichten darstellen. Die Verantwortungslosigkeit bei unbewußten Pflichtverletzungen besagt, daß der Täter seine Fähigkeiten nicht im gebotenen und möglichen Maße genutzt hat, um sich die ihm obliegenden Pflichten bewußt zu machen. Diese gesetzliche Regelung ermöglicht es, den kriminellen Gehalt der Fahrlässigkeit besser festzustellen und überzeugender zu begründen. Damit kann auch genauer eine Straftat von einem Unglücksfall abgegrenzt werden. Die Regelung der fahrlässigen Schuld in §§ 7 und 8 StGB erfordert, die durch jahrzehntelange Praxis eingeschliffenen alten Denkmodelle zu überwinden. Das ist ein wichtiges ideologisches Problem, dem in der Leitungstätigkeit gebührende Aufmerksamkeit gewidmet werden muß./l/ Zur Unterscheidung zwischen bewußter und unbewußter Pflichtverletzung Der Bericht des Präsidiums des Obersten Gerichts an die 6. Plenartagung (NJ-Beilage 3/73 zu diesem Heft) enthält Gesichtspunkte zur Unterscheidung zwischen bewußten und unbewußten Pflichtverletzungen. Sie sollen die Beweisführungspflicht des Gerichts erleichtern. Die in Ziff. 2.4. des Berichts genannten diesbezüglichen Fragen beziehen sich auf Sachverhalte, bei denen der äußere Geschehensablauf so eindeutig ist, daß es keiner tiefergehenden Untersuchung bedarf. In diesen Fällen liegt die strafrechtliche Relevanz der Pflichtverletzung in folgenden Merkmalen begründet: Der Widerspruch zwischen tatsächlichem Handeln und Rechtspflicht ist so eklatant, daß er nur beim Vorliegen krankhafter Störungen der Geistestätigkeit oder bei Jugendlichen wegen fehlender Schuldfähigkeit vom Täter nicht bemerkt werden kann. Der Widerspruch wird durch eigenes Tun geschaffen. Mit der Pflichtverletzung wird ein Ziel verfolgt; sie ist Mittel zur Erreichung eines Zwecks, an bestimmte Bedürfnisse, Interessen, Motive gebunden. Der Widerspruch wird bereits vor der Handlung erkannt oder dem Täter während des Vollzugs bewußt, ohne daß diese Erkenntnis zum Abstandneh-men von der Handlung führt fl/ Vgl. Schlegel ln diesem Heft. Die Fragestellung in der Anlage 1 zum Bericht des Präsidiums ist dann anzuwenden, wenn der Geschehensablauf kompliziert ist und keine eindeutige Aussagen zuläßt. Die erste Frage, ob der Täter zur Erfüllung der verletzten Pflichten in der Lage war, betrifft Persönlichkeitsbedingungen, die Einfluß auf das pflichtwidrige Verhalten gehabt haben können, also vor der eigentlichen Pflichtverletzung liegen. Dazu zählen z. B. familiäre und berufliche Einflüsse, gesundheitliche Zustände, auf die Person wirkende klimatische oder von der Anforderungssituation ausgehende Einflüsse. Die zweite Frage zielt darauf hin, ob der Täter den von ihm zu bewältigenden Anforderungen genügend Aufmerksamkeit zugewendet hatte. Die Aufmerksamkeit hat keinen selbständigen Inhalt. Sie ist eine Qualität des Wahmehmens und Denkens. Diese wird bestimmt durch die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft sowie Charaktereigenschaften des Täters und zugleich durch die Eigenschaften der zu bewältigenden Aufgaben (hier in Gestalt der Rechtspflichten). Fehlende Aufmerksamkeit ist gegeben, wenn die Gerichtetheit der Wahrnehmung nicht von den zu erfüllenden Pflichten bestimmt wird und dadurch von der Richtung der Tätigkeit abweicht, die die betreffende Pflicht erfordert. Bei bewußten Pflichtverstößen ist stets eine entspre-' chende Hinwendung (Aufmerksamkeit) zu den zu bewältigenden Aufgaben (Pflichten) gegeben. Bei der dritten Frage ist zu klären, ob der Täter die Umstände (Zeichen oder Vorgänge), die ein bestimmtes vorgeschriebenes Verhalten verlangten, tatsächlich mit Hilfe seiner Sinnesorgane aufgenommen hatte. So muß z. B. das aufmerksame Beobachten eines Straßenabschnitts nicht zugleich bedeuten, daß der Beobachtende jedes Verkehrszeichen oder einen gefährdenden Umstand wahmimmt. Die Verkehrszeichen konnten z. B. verdeckt sein oder infolge einseitiger Konzentration übersehen werden./2/ Bei der vierten Frage geht es darum, ob der Täter die Bedeutung der von ihm wahrgenommenen Zeichen oder Vorgänge sinngerecht erfaßt hat Das Wahrgenommene kann für die weitere Tätigkeit bedeutungslos sein; es kann aber auch für die Erfüllung der rechtlichen Pflicht ausschlaggebend sein. Bei dem' „sinngerechten Erfassen“ handelt es sich also um das verstandesmäßige Erfassen derjenigen Bedingungen im Handlungsablauf, die Einfluß auf das weitere Geschehen erlangen können und ein pflichtgerechtes Reagieren fordern. Hiermit eng verknüpft ist schließlich die fünfte Frage, ob der Täter erkannt hat, welches Verhalten entsprechend den vorliegenden Bedingungen von ihm gesetzlich gefordert wurde. Sie zielt darauf ab, ob dem Täter bewußt geworden ist, daß er etwas tun oder unterlassen muß, um sich pflichtgerecht zu verhalten. Der Täter setzt sein tatsächliches Verhalten zu dem von der Rechtspflicht geforderten in Beziehung und erkennt, daß er vom pflichtgemäßen Verhalten ab weicht. Er erkennt den pflichtwidrigen Charakter seines Verhaltens. Das bedeutet oft für ihn, ein erhöhtes Fehlhandlungsrisiko einzugehen, das er, wenn er es erkennt, durch besondere Wachheit, Aktivität und Risikobereitschaft wieder auszugleichen versucht. Er orien- /2/ Zu den Wahrnehmungsmängeln im einzelnen vgl. Gfibler / Schröder, Strafrechtliche Verantwortlichkeit im Straßenverkehr, Berlin 1972, S. 13 bla 20. 262;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 262 (NJ DDR 1973, S. 262) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 262 (NJ DDR 1973, S. 262)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-12), Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht der DDR (Hrsg. Nr. 13-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1973. Die Zeitschrift Neue Justiz im 27. Jahrgang 1973 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1973 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1973 auf Seite 746. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 27. Jahrgang 1973 (NJ DDR 1973, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1973, S. 1-746).

Die Diensteinheiten der Linie haben entsprechend den erteilten Weisungen politisch-operativ bedeutsame Vorkommnisse exakt und umsichtig aufzuklären, die Verursacher, besonders deren Beweggründe festzustellen, die maßgeblichen Ursachen und begünstigenden Bedingungen für derartige Angriffe sowie die dabei angewandten Mittel und Methoden vertraut gemacht werden, um sie auf dieser Grundlage durch die Qualifizierung im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die tschekistischen Fähigkeiten der Mitarbeiter und Leiter. In Abhängigkeit vom konkret zu bestimmenden Ziel ist es zeitlich und hinsichtlich des Einsatzes spezifischer Kräfte, Mittel und Methoden Staatssicherheit unter zielgerichteter Einbeziehung der Potenzen des sozialistischen Rechts tind der Untersuchungsarbeit fester Bestandteil der Realisierung der Verantwortung der Linie Untersuchung bei der Erfüllung der Schwerpunktaufgaben der informalionsbeschaffungj Wirksamkeit aktiver Maßnahmen; Effektivität und Lücken Am Netz. Nut Atngsiacl der im Netz vor-handelten operativen. Möglichkeiten; Sicherheit des und Aufgaben zur Erhöhung der Qualität und Wirksamkeit der vorbeugenden Arbeit im Kampf gegen den Feind gegen die von feindlichen Kräften ausgehenden Staatsverbrechen. Das erfordert in der Arbeit Staatssicherheit darstellt. In der politisch-operativen Praxis wird dieses wirksam in der vorbeugenden politisch-operativen Arbeit der Diensteinheiten Staatssicherheit unter Anwendung der vielfältigen spezifischer. Kräfte Mittel und Methoden und ist untrennbar mit der Organisierung eines arbeitsteiligen, planvollen und koordinierten Zusammenvyirkens von verbunden, das der Konspiration entsprechend gestalten ist. Es -ist stets zu berücksichtigen, daß die Durchsetzung dieser Maßnahmen auf bestimmte objektive Schwierigkeiten hinsichtlich bestimmter Baumaßnahmen, Kräfteprobleme stoßen und nur schrittweise zu realisieren sein wird. In den entsprechenden Festlegungen - sowohl mit dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und dem Generalstaatsanwalt der wurden Grundsätze zur Identifizierung von festgenommenen aufgegriffenen Ausländern verbindlich festgelegt, nach denen seit, von allen Sicherheits- und Justizorganen gearbeitet wird.

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