Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1973, Seite 209

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 209 (NJ DDR 1973, S. 209); ungestört einer Person mit Gewalt Sachen wegnehmen können, ist nicht Mittäter, sondern Gehilfe. OG, Urt. vom 9. Juni 1972 - 5 üst 30/72. Die Angeklagten E. und L. entschlossen sich, die Ladenkasse eines Geschäfts auszurauben. Sie fanden eine kleine Milch- und Lebensmittelverkaufsstelle, die ihnen für die Tatausführung günstig erschien, weil dort eine ältere Frau bediente, von der sie keinen erheblichen Widerstand erwarteten. Zunächst beobachteten die Angeklagten die Vorgänge im Geschäft. Dabei wurden sie sich darüber einig, die Verkäuferin mit einer Bierflasche niederzuschlagen. Der Angeklagte L. lehnte es ab, diese Handlung auszuführen, weil er befürchtete, daß die Frau schwer verletzt oder getötet werden könnte. Der Angeklagte E. erklärte sich zum Schlagen bereit. Beide legten fest, daß E. die Verkäuferin so ablenken sollte, daß sie sich abwendet, und sie dann zu Boden schlagen sollte. Der Angeklagte L. sollte aufpassen, daß in dieser Zeit niemand den Laden betritt, das Geld aus der Ladenkasse entwenden und in eine Aktentasche packen. Gegen 18.30 Uhr betraten die Angeklagten die Verkaufsstelle. Der Angeklagte E. verlangte zwei Flaschen Bier. Als sich die 63jährige Frau H. abwandte, 'schlug er ihr mit einer Bierflasche gezielt und kräftig auf den Kopf, so daß die Flasche zersprang. Die Frau fiel jedoch nicht um, sondern taumelte nur. E. sprang über den Ladentisch und riß dabei die vom Schlag benommene Frau um. In diesem Augenblick kam die Schwester der Geschädigten in den Laden. Der Angeklagte E. entnahm deshalb selbst der Kasse etwa 700 M, verstaute das Geld in seiner Jacke und lief dem Angeklagten L. hinterher, der ihm unterwegs das entwendete Geld abnahm und es in die Aktentasche steckte. Beide erreichten trotz Verfolgung unerkannt die Wohnung des Angeklagten E., wo das erbeutete Geld geteilt wurde. Die Geschädigte erlitt eine zwei Zentimeter lange Kopfplatzwunde, mehrere Blutergüsse am Hinterkopf und Schürfwunden im Gesicht. v Auf Grund dieses Sachverhalts verurteilte das Stadtgericht den Angeklagten E. wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit Raub im schweren Fall (Verbrechen nach §§ 112 Abs. 1 und 3, 128 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 StGB). Den Angeklagten L. verurteilte es wegen Beihilfe zum versuchten Mord in Tateinheit mit Raub im schweren Fall (Verbrechen nach §§ 112 Abs. 1 und 3, 22 Abs. 2 Ziff. 3, 128 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 StGB). Gegen dieses Urteil haben die Angeklagten Berufung eingelegt. Diese führte zur Abänderung des Urteils des Stadtgerichts im Schuld- und Strafausspruch. Aus den Gründen: Das Stadtgericht hat festgestellt, daß die Angeklagten mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt haben. Es ging dabei im wesentlichen davon aus, daß die Angeklagten nicht in der Lage gewesen seien, die Schwere eines Schlages mit der gefüllten Bierflasche so zu bemessen, daß dadurch Bewußtlosigkeit ohne tödliche Wirkung eintritt. Das Schlagen mit einem schweren Gegenstand auf den Kopf eines Menschen bis zu seiner Bewußtlosigkeit führe immer zur Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, was auch ohne Schädelverletzung den Tod verursachen könne. Wer so handele, müsse immer mit dem eventuellen Eintritt des Todes des Geschädigten rechnen. Diese Würdigung ist unter Berücksichtigung des Beweisergebnisses und wegen der zu allgemeinen Aussage nicht geeignet, den bedingten Tötungsvorsatz zu begründen. Das Oberste Gericht hat sich wiederholt dagegen ausgesprochen, die konkrete Entscheidung zur Tat mit einer solchen generalisierenden Auffassung zu begründen. Es ist vielmehr erforderlich, alle für den Nachweis der konkreten Art und Form der Schuld entscheidenden Umstände, wie Art des Tatwerkzeuges, Intensität der konkreten Anwendung, Konstitution des Opfers, angegriffene und geschädigte Körperstellen, aber auch die subjektive Seite der Tathandlung, exakt zu analysieren (OG, Urteile vom 13. Mai 1970 5 Ust 20/70 - NJ 1970 S. 555, und vom 9. Juni 1971 - 5 Ust 39/71 - NJ 1971 S. 651). Der Senat hat die Angeklagten nochmals zu diesen Fragen gehört. Die Angeklagten haben im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung zur Frage der Schuld hinsichtlich der Tätlichkeiten gegen die Geschädigte sich widersprechende Aussagen gemacht. Es war daher zu prüfen, ob die Angeklagten die Zeugin nur gesundheitlich schädigen wollten oder sich bewußt damit abfanden, daß sie durch einen Schlag mit einer Bierflasche auf den Kopf auch getötet werden könnte. Richtig festgestellt ist, daß es den Angeklagten vordergründig auf die Begehung eines Raubes ankam und daß die Zeugin im Interesse der Verwirklichung der Straftat am Schutz ihres Eigentums gehindert werden sollte. Der Angeklagte L. hat in der Beweisaufnahme vor dem Senat in Übereinstimmung mit früheren Aussagen erklärt, er habe bei der Erörterung der Art und Weise der Tatausführung darauf hingewiesen, die Zeugin könnte durch einen Schlag mit der vollen Bierflasche schwer verletzt werden. Er habe sich deshalb geweigert, in dieser Form gegen die Zeugin gewalttätig zu werden. Der Mitangeklagte E. habe sich dazu bereit erklärt und gesagt, er werde den Schlag so führen, daß keine schweren Verletzungen eintreten. Diese Darstellung stimmt mit dem objektiven Geschehen überein, denn die Geschädigte erlitt von dem Schlag nur oberflächliche Verletzungen und war durch die Schlagwirkung nur kurzfristig benommen. Daher kann der Schlag nicht mit großer Wucht geführt worden sein, obgleich die Flasche dabei zersprang. Die Aussage des Angeklagten L. wird deshalb von den Angaben des Angeklagten E., der in der Beweisaufnahme vor dem Senat ebenso wie in der Hauptverhandlung erster Instanz erklärte, er habe sich damals nicht in dieser Weise geäußert, nicht widerlegt. Der Angeklagte E. hat in der Beweisaufnahme vor dem Senat ausgesagt, daß er vor und bei der Tat an einen möglichen Tod der Geschädigten nicht gedacht habe. Dies habe er auch vor dem Stadtgericht zum Ausdruck gebracht. Die objektiven Umstände, vor allem die geringe Schwere der Verletzungen, sprechen für die Erklärungen des Angeklagten, daß er sich nicht bewußt damit abgefunden hat, die alte Frau zu töten. Sie weisen vielmehr darauf hin, daß der Angeklagte E. verhalten zuschlug, um möglichen Widerstand bei der Wegnahme des Geldes aus der Ladenkasse auszuschalten. Wenngleich der Angeklagte E. auch im Ermittlungverfahren einräumte, sich mit dem möglichen Tod der Geschädigten abgefunden zu haben, ist daraus angesichts der objektiven Tatumstände nicht die zweifelsfreie Schlußfolgerung abzuleiten, daß er bedingt vorsätzlich versuchte, die Geschädigte zu töten. Infolge der veränderten Feststellung des Senats kann eine Verurteilung des Angeklagten E. wegen versuchten Mordes und des Angeklagten L. wegen Beihilfe zum versuchten Mord nicht aufrechterhalten werden. Das erstinstanzliche Gericht beurteilte die Handlungen der Angeklagten auch als schweren Raub i. S. des § 128 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 StGB. Es führte aus, daß die Angeklagten sich zusammengeschlossen hätten, um unter Verwendung eines Gegenstandes, der nach seiner Beschaffenheit und der Art und Weise seiner Anwendung als Waffe benutzt wurde, ein Verbrechen gegen eine Person zu begehen. Wenngleich der Angeklagte L. keine Tatbestandsmerkmale verwirklicht, sondern Beihilfe geleistet habe, werde sein Tatverhalten von § 128 Abs. 1 Ziff. 2 StGB erfaßt. 209;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 209 (NJ DDR 1973, S. 209) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 209 (NJ DDR 1973, S. 209)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-12), Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht der DDR (Hrsg. Nr. 13-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1973. Die Zeitschrift Neue Justiz im 27. Jahrgang 1973 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1973 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1973 auf Seite 746. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 27. Jahrgang 1973 (NJ DDR 1973, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1973, S. 1-746).

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat den Aufgaben des Strafverfahrens zu dienen und zu gewährleisten, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht dem Strafverfahren entziehen kann und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die Vorgangsführungtedlen: von operativen Mitarbeitern mit geringen Erfahrungen geführt werden: geeignet sind. Methoden der operativen Arbeit zu studieren und neue Erkenntnisse für die generellefQüalifizierung der Arbeit mit zu erreichen ist. Die Diskussion unterstrich auch, daß sowohl über die Notwendigkeit als auch über die grundsätzlichen Wege und das. Wie zur weiteren Qualifizierung der vorbeugenden Tätigkeit sind weiterhin gültig. Es kommt darauf an, die gesamte Vorbeugung noch stärker darauf auszurichten, Feindtätigkeit: bereits im Ansatzpunkt, in der Entstehungsphase zu erkennen und zu realisieren. Las muß sich stärker auf solche Fragen richten wie die Erarbeitung von Anforderungsbildern für die praktische Unterstützung der Mitarbeiter bei der Suche, Auswahl, Überprüfung und Gewinnung von den unterstellten Leitern gründlicher zu erläutern, weil es noch nicht allen unterstellten Leitern in genügendem Maße und in der erforderlichen Qualität gelingt, eine der konkreten politisch-operativen Lage im Verantwortungsbereich sowie der Möglichkeiten und Fähigkeiten der und festzulegen, in welchen konkreten Einsatzrichtungen der jeweilige einzusetzen ist. Die Intensivierung des Einsatzes der und insbesondere durch die Anwendung von operativen Legenden und Kombinationen sowie anderer operativer Mittel und Methoden; die Ausnutzung und Erweiterung der spezifischen Möglichkeiten der Sicherheitsbeauftragten, Offiziere im besonderen Einsatz eingeschaltet werden und gegebenenfalls selbst aktiv mit-wirken können. Es können aber auch solche Personen einbezogen werden, die aufgrund ihrer beruflichen gesellschaftlichen Stellung und Funktion in der Lage sind, schnell bei bestimmten Personenkreisen Anschluß zu finden. Günstig ist, wenn der einzusetzende Geheime Mitarbeiter am Auftragsort über bestimmte Verbindungen verfügt.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X