Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1973, Seite 206

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 206 (NJ DDR 1973, S. 206); ein rechtskräftiges Urteil zu behandeln. Der Vorwurf von Pompoes, mit der von Pauli vertretenen Auffassung werde das Strafbefehlsverfahren nachträglich einem gerichtlichen Hauptverfahren gleichgestellt, ist u. E. schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil diese Gleichstellung der Gesetzgeber selbst unter Beachtung der beiden Verfahrenswege zu einer Verurteilung vorgenommen hat. Welchen Sinn sollte es auch haben, wenn aus den unterschiedlichen Regelungen der Verfahrensweisen Gegensätze zwischen den Entscheidungen (Strafbefehl oder Urteil) herausgelesen werden? Ein Strafbefehl, der rechtskräftig geworden ist, ist nicht nur hinsichtlich der Verwirklichung der Strafe einem Urteil gleichgestellt, Er hat u. a. auch die Wirkung, daß ein Bürger von einem Gericht verurteilt wird. Deshalb ist davon auszugehen, daß § 322 Abs. 1 StPO nicht nur dann Grundlage für eine Selbstentscheidung des Kassationsgerichts ist, wenn ein Urteil vorliegt, sondern auch dann, wenn eine einem Urteil ausdrücklich gleichgestellte andere Entscheidung wegen unrichtiger Anwendung des Strafgesetzes bei bleibenden tatsächlichen Feststellungen aufgehoben werden muß. Ist aber ein Strafbefehl wie ein Urteil zu behandeln, dann muß seine Aufhebung u. E. auch alle Konsequenzen einer Selbstentscheidung nach sich ziehen. So ist es z. B. möglich, daß auf der Grundlage der nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen ein unrichtiger Schuldausspruch korrigiert, eine überhöhte Geldstrafe herabgesetzt oder eine Zusatzstrafe aufgehoben werden. Wird dagegen die Möglichkeit der Selbstentscheidung bei Aufhebung eines Strafbefehls verneint, dann führt das zur Rechtsunsicherheit für den durch die fehlerhafte Verurteilung belasteten Bürger. Das Kassationsgericht müßte, statt den die Gesetzlichkeit verletzenden Mangel zu beseitigen, ihn nur feststellen. Es bliebe allein dem Staatsanwalt überlassen, ob er der Auffassung des Kassationsgerichts, daß sin Freispruch gerechtfertigt ist, folgt oder nicht. Denkbar wäre auch, daß das Verfahren nach Aufhebung des Strafbefehls und Zurückverweisung der Sache an das Instanzgericht wieder in die Zuständigkeit des Staatsanwalts gelangt. Dieser wäre durch die Entscheidung nicht gebunden. Er könnte weitere Ermittlungen anstellen und ggf. auch Anklage erheben. Pompoes hält es im Gegensatz zu der Auffassung des Präsidiums des Bezirksgerichts Suhl für zulässig, daß das Kassationsgericht bei Aufhebung des Strafbefehls im Urteil zugleich die Rückgabe der Sache an den Staatsanwalt beschließt. Er läßt dabei aber die für den Verurteilten äußerst bedeutungsvolle Frage unbeantwortet, wer zu veranlassen hat, daß z. B. eine bereits gezahlte Geldstrafe zurückgezahlt, eine Entschädigung für unschuldig verbüßte Haftstrafe gewährt und die Eintragung aus dem Strafregister entfernt wird. Das Kassationsgericht kann diese'Maßnahmen nicht einleiten, wenn es nur den Strafbefehl aufhebt, aber keine das Verfahren abschließende Entscheidung trifft. Audi der Staatsanwalt hat diese Möglichkeit nicht, weil er nicht die die Verurteilung aufhebende Entscheidung trifft. Zu beachten ist weiter, daß jeder Bürger, wenn sich seine Verurteilung als falsch erweist, ein Recht auf Rehabilitierung hat, und zwar durch das Organ, das ihn verurteilt. In der Regel ist es für einen Bürger durchaus nicht gleichgültig, ob er freigesprochen wird oder ob das Strafverfahren lediglich durch Verfügung des Staatsanwalts eingestellt wird. Die vom Präsidium des Bezirksgerichts Suhl praktizierte und von Pompoes bejahte Verfahrensweise führt aber auch zu einer Schlechterstellung des Bürgers, bei dem wegen seiner sonst positiven Persönlichkeit, seiner Ge-ständigkeit und einer unkomplizierten, in ihren Auswirkungen relativ geringfügigen Straftat das Strafbefehlsverfahren angewendet werden kann, gegenüber denjenigen Bürgern, bei denen solche Gründe nicht vorliegen und deshalb eine Hauptverhandlung erforderlich war. In den zuletzt genannten Fällen wird die Rechtslage im Kassationsverfahren durch Freispruch sofort geklärt, während sie für den durch Strafbefehl Verurteilten längere Zeit ungewiß bleibt. Eine hohe Wirksamkeit und Überzeugungskraft der gerichtlichen Ent-scheidüng erfordert aber auch die unverzügliche Wiederherstellung der Gesetzlichkeit. Im übrigen schließt auch § 244 Abs. 1 StPO den Freispruch eines rechtskräftig durch Strafbefehl Verurteilten durch eine Kassationsentscheidung nicht aus. Der Begriff „Anklage“ in dieser Bestimmung kann u. E. nur im Sinne eines Schuldvorwurfs verstanden werden. Mit dem Antrag auf Erlaß eines Strafbefehls hat der Staatsanwalt im Sinne dieser Bestimmung angeklagt. Diese Auffassung entspricht § 274 StPO. Sie ergibt sich auch daraus, daß es in der einem Einspruch gegen den Strafbefehl folgenden Hauptverhandlung nicht der Einreichung einer Anklageschrift bedarf. Anstelle des Anklagevortrags wird der Strafbefehl verlesen./4/ Eine andere Auffassung läßt sich schließlich auch nicht damit rechtfertigen, daß jeder Bürger, gegen den ein Strafbefehl erlassen wird, dagegen Einspruch einlegen kann und daß dann gemäß § 274 StPO eine Hauptverhandlung stattfindet, in der das Gericht eine Entscheidung treffen kann, die bei Kassation durch Selbstent-scheidung in einen Freispruch abgeändert werden kann. Aus all diesen Gründen entspricht daher u. E. die vom Präsidium des Bezirksgerichts Suhl praktizierte und von Pompoes bejahte Verfahrensweise nicht dem Gesetz. Sie wirkt sich zum Nachteil der zu Unrecht verurteilten Bürger aus und ist nicht geeignet, die Rechtssicherheit zu erhöhen. ;4/ Vgl. StPO-Lehrkommentar, Anm. 2 zu § 274 (S. 307). Rechtsprechung Strafrecht §§ 121, 21 Abs. 4, 48 StGB. 1. Zur Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leben und Gesundheit als Beginn der Ausführungshandlung einer Vergewaltigung. 2. Zur Anwendung staatlicher Kontrollmaßnahmen nach § 48 StGB bei Verurteilung wegen wiederholter schwerer Gewaltverbrechen. OG, Urt. vom 21. November 1972 - 5 Ust 67/72. Der 25jährige Angeklagte ist bereits einschlägig vorbestraft. Am 3. Januar 1972 verfolgte er gegen 22 Uhr die Zeugin B. in der Absicht, mit ihr gewaltsam geschlechtlich zu verkehren. Er forderte sie auf, mit ihm bis zum Ende einer unbeleuchteten Straße zu gehen. Als die Zeugin das ablehnte, hielt ihr der Angeklagte einen Hirschfänger dicht vor den Körper und sagte: „Wenn Du nicht mit mir gehst oder einen Ton von Dir gibst, steche ich zu.“ Die Zeugin schob den Angeklagten mit beiden Händen von sich und sagte, daß ihr Mann auf sie warte. Daraufhin entfernte sich der Angeklagte. 206;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 206 (NJ DDR 1973, S. 206) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 206 (NJ DDR 1973, S. 206)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-12), Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht der DDR (Hrsg. Nr. 13-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1973. Die Zeitschrift Neue Justiz im 27. Jahrgang 1973 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1973 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1973 auf Seite 746. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 27. Jahrgang 1973 (NJ DDR 1973, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1973, S. 1-746).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt muß vor der Entlassung, wenn der Verhaftete auf freien Fuß gesetzt wird, prüfen, daß - die Entlassungsverfügung des Staatsanwaltes mit dem entsprechenden Dienstsiegel und eine Bestätigung der Aufhebung des Haftbefehls dem Untersuchungsorgan und dem Leiter der Untersuchungshaftanstalt bereits vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit der Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Kr., ist die Verantwortung des Untersuchungsorgans Staatssicherheit für die Sicherung des persönlichen Eigentums Beschuldigter festgelegt. Dies betrifft insbesondere die Sicherstellung des Eigentums im Zusammenhang mit der Aufklärung politisch-operativ und ggf, strafrechtlich relevanter Handlungen bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen mit anderen politisch-operativen Zielstellungen zu befragen. Die Durchführung einer ist auf der Grundlage der gemeinsamen Lageeinschätzung das einheitliche, abgestimmte Vorgehen der Diensteinheitan Staatssicherheit und der Deutschen Volkspolizei sowie der anderen Organe des Ministeriums des Innern bei der Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens sowie der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels ist ein wesentlicher Beitrag zu leisten für den Schutz der insbesondere für die Gewährleistung der staatlichen Sicherheit der Die politisch-operativen, tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und das Erwirken der Untersuchungshaft. Die Durchführung wesentlicher strafprozessualer Ermittlungshandlungen durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit ist selbstverständlich an die strafprozessuale Voraussetzunq des Vorliecens eines der. im aufgeführten Anlässe gebunden. Der Anlaß ist in den Ermittlungsakten euszuWeisen. In den meisten Fällen stellt demonstrativ-provokatives differenzierte Rechtsverletzungen dar, die von Staatsverbrechen, Straftaten der allgemeinen Kriminalität bis hin zu Rechtsverletzungen anderer wie Verfehlungen oder Ordnungswidrigkeiten reichen und die staatliche oder öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten, möglich. Das Handeln als kann sich somit nur auf solche Aufgaben erstrecken, die sie selbst zu lösen hat.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X