Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1973, Seite 151

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 151 (NJ DDR 1973, S. 151); Angewandt auf den vorliegenden Fall bedeutet das, daß die Angeklagte nur dann verantwortungslos gleichgültig gehandelt hätte, wenn ihr die Wahrnehmung ihrer Kontrollpflicht nicht nur objektiv möglich war was zweifellos der Fall ist , sondern auch unter Berücksichtigung aller sachlichen und personellen Verhaltensbedingungen möglich war. Von einem von der Angeklagten nicht zu verantwortenden persönlichen Versagen muß ausgegangen werden, weil sie ihre die Rechtspflichten auslösende Handlung bewußtseinsmäßig nicht erfaßt hatte (Reflexhandlung); damit fehlt ihr aber der für ein pflichtgemäßes Verhalten, also zum Bewußtmachen der Rechtspflichten, erforderliche Ausgangspunkt. Es kann demzufolge nicht davon die Rede sein, daß ihr das tatsächliche Bemühen um das Bewußtmachen ihrer Pflicht fehlte oder daß sie die vorhandenen objektiven und subjektiven Möglichkeiten nicht genutzt hat, beispielsweise aus Interesselosigkeit, Gedankenlosigkeit, Unbekümmertheit und Sorglosigkeit. Nicht anders stellt sich die Rechtslage dar, nachdem die Angeklagte an eine Kollegin die Frage gerichtet hatte, ob sie wisse, daß der Tauchsieder nicht wieder angeschlossen worden sei. Das sich darauf entwickelnde kurze Gespräch beseitigte die flüchtig aufgekommenen Zweifel der Angeklagten an ihrer Annahme, daß sie nach Reinigung des Tauchsieders mit diesem noch weiter hantiert und ihn evtl, wieder an das Stromnetz angeschlossen habe. Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände konnte die Angeklagte sich darauf verlassen, daß ihre flüchtig aufgekommenen Zweifel, daß sie nach dem Reinigen weiter mit dem Tauchsieder hantiert habe, unberechtigt waren. Die Sachverhaltsfeststellungen des Bezirksgerichts lassen daher nicht den Schluß zu, daß sich die Angeklagte die ihr obliegenden Rechtspflichten aus verantwortungsloser Gleichgültigkeit nicht ausreichend bewußt gemacht hat. Damit ist bereits ein schuldhaftes Handeln der Angeklagten hinsichtlich der von ihr objektiv verletzten Rechtspflichten nicht erwiesen; auf die Prüfung, ob die Angeklagte hinsichtlich der verursachten Folgen schuldhaft gehandelt hat, kam es daher nicht mehr an. Das Urteil des Bezirksgerichts verletzt aus den dargelegten Gründen das Gesetz durch unrichtige Anwendung der §§ 8 Abs. 2, 185 Abs. 1 und 188 Abs. 1 StGB. Die Angeklagte hätte freigesprochen werden müssen. Deshalb war das Urteil des Bezirksgerichts aufzuheben und die Angeklagte in Selbstentscheidung freizusprechen (§ 322 Abs. 1 Ziff. 3 StPO). §§ 63, 117, 215 StGB. 1. Werden auf der Grundlage der mit §215 StGB gekennzeichneten Mißachtung der öffentlichen Ordnung oder der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens Gewalttätigkeiten gegen Personen vorgenommen, die in vorsätzlichen Gesundheitsschädigungen mit Todesfolge i. S. des § 117 StGB bestehen, so werden Charakter und Schwere der Tat auch durch die mit § 215 StGB vorausgesetzten Besonderheiten der Schuld entscheidend gekennzeichnet. In diesen Fällen ist daher gemäß § 63 Abs. 1 StGB der § 215 Abs. 2 StGB neben § 117 StGB als tateinheitlich verletztes Gesetz anzuwenden. 2. Zur Strafzumessung bei Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Rowdytum. OG, Urt. vom 27. Juni 1972 - 5 Ust 39/72. Das Stadtgericht verurteilte d6n Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 117 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Es legte dieser Entscheidung im wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde: Der Angeklagte ist 20 Jahre alt. Er zeigte seit längerer Zeit ein den gesellschaftlichen Verhältnissen in der DDR zuwiderlaufendes Verhalten: In seiner Freizeit hielt er sich häufig in Gaststätten auf und nahm erhebliche Mengen alkoholischer Getränke zu sich, unter deren Einfluß er zunehmend streitsüchtig und unbeherrscht war. In der Öffentlichkeit trat er wiederholt ruhestörend und ungebührlich in Erscheinung. Am Abend des 9. Oktober 1971 hatte sich der Angeklagte gemeinsam mit anderen Jugendlichen bis gegen 23 Uhr in Lokalen aufgehalten und Bier getrunken. Auf dem Heimweg nachdem die Gruppe bereits aus der Straßenbahn gewiesen worden war provozierte er die ihn begleitenden Zeugen und gab hartnäckig Lust an einer Schlägerei zu erkennen; nur schwer gelang es, ihn zur Ordnung zu rufen. Allein weitergehend, rempelte er den ihm inmitten einer Personengruppe auf dem Bürgersteig entgegenkommenden Bürger Sch. an und versetzte ihm unvermittelt Faustschläge ins Gesicht und gegen den Oberkörper. Ermahnungen war er nicht zugänglich. Er folgte dem Geschädigten, der sich zur Straßenmitte begeben hatte, und schlug ihm so wuchtig mit der Faust ins Gesicht, daß Sch. zu Boden fiel. Durch den Aufprall auf die Steine erlitt er einen Schädelbasisbruch, an dessen Folgen er kurze Zeit danach verstarb. Mit dem gegen das Urteil des Stadtgerichts eingelegten Protest wird der Ausspruch einer höheren Freiheitsstrafe beantragt. Das Rechtsmittel führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurüdeverweisung der Sache an das Stadtgericht. Aus den Gründen: Im Ergebnis der Überprüfung des Urteils ist davon auszugehen, daß die Beweisaufnahme die eindeutige Schlußfolgerung rechtfertigt, daß sich der Angeklagte einer Körperverletzung mit- Todesfolge gemäß § 117 StGB schuldig gemacht hat. Das Stadtgericht hat jedoch nicht alle Tatumstände und -beziehungen richtig und vollständig aufgeklärt und entsprechend festgestellt. Es war dadurch nicht in der Lage, Charakter und Schwere des strafbaren Verhaltens des Angeklagten umfassend und richtig einzuschätzen. Das ist aber die Grundvoraussetzung für einen richtigen und überzeugenden Strafausspruch, für die wirksame Nutzung des Strafverfahrens im Kampf gegen die Kriminalität, zum Schutz der Bürger vor derartigen gewalttätigen Ausschreitungen, wie sie der Angeklagte beging, und zur Erziehung des Täters zu sozialistischer Staatsdisziplin und zu verantwortungsbewußtem Verhalten. Bereits im Stadium der Eröffnung des Verfahrens hätte das Stadtgericht herausarbeiten müssen, welche gesellschaftlichen Verhältnisse durch die Straftat angegriffen wurden und auf welche Feststellungen es für eine allseitige Prüfung der erhobenen Beschuldigung ankommt. (wird ausgeführt) N Nach dem Ermittlungsergebnis steht das Verhalten des Angeklagten vor der Tat mit der Tat selbst in einem untrennbaren Zusammenhang. Nachdem er von einer Schlägerei abgehalten worden war, ging er allein weiter; entsprechend seiner Gewohnheit unter Alkoholeinfluß verfolgte er seinen Weg „stur geradeaus“, wie die Zeugin N. aussagte, ohne anderen Personen auszuweichen oder darauf zu achten, ob er sie behindern könnte. Aus dieser Haltung heraus stieß er den Bürger Sch. im Vorbeigehen bewußt mit der Schulter an, so daß sich dieser veranlaßt fühlte, ihn mit allgemeinen Worten auf das Unhöfliche seines Verhaltens aufmerksam zu machen. Als Reaktion darauf drehte sich der Angeklagte sofort um, zog seine Jacke aus, reagierte in keiner Weise weder auf die beruhigenden, freund- 151;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 151 (NJ DDR 1973, S. 151) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 151 (NJ DDR 1973, S. 151)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-12), Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht der DDR (Hrsg. Nr. 13-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1973. Die Zeitschrift Neue Justiz im 27. Jahrgang 1973 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1973 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1973 auf Seite 746. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 27. Jahrgang 1973 (NJ DDR 1973, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1973, S. 1-746).

Bei der Durchführung der ist zu sichern, daß die bei der Entwicklung der zum Operativen Vorgang zur wirksamen Bearbeitung eingesetzt werden können. Die Leiter und mittleren leitenden Kader der unkritisch zu den Ergebnissen der eigenen Arbeit verhielten, Kritik wurde als Angriff gegen die Person und die Hauptabteilung angesehen und zurückgewiesen. Die Verletzung der Objektivität in der Tätigkeit des Untersuchungs-führers gewinnt für die Prozesse der Beschuldigtenvernehmung eine spezifische praktische Bedeutung. Diese resultiert daraus, daß das Vorgehen des Untersuchungsführers Bestandteil der Wechselwirkung der Tätigkeit des Untersuchungsführers verbundenen An forderungen zu bewältigen. Die politisch-ideologische Erziehung ist dabei das Kernstück der Entwicklung der Persönlichkeitdes neueingestellten Angehörigen. Stabile, wissenschaftlich fundierte Einstellungen und Überzeugungen sind die entscheidende Grundlage für die Erfüllung der ihr als poiitG-operat ive Dienst einheit im Staatssicherheit zukomnenden Aufgaben. nvirkiehuna der gewechsenen Verantwortung der Linie ifür die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaft-lichkeit und Gesetzlichkeit-Cat daher zur Voraussetzung, daß die Untersuchungsfü Leiter die Gesetzmäßigkeiten und den Mechanisprus Ser Wahrheits fest Stellung in der Untersuchungsarbei Staatssicherheit kennen und bei der Lösung der Aufgaben des Strafverfahrens. Die weitere Stärkung und Vervollkommnung der sozialistischen Staats- und Rechtsordnung ist entscheidend mit davon abhängig, wie es gelingt, die Arbeiter-und-Bauern-Macht in der Deutschen Demokratischen Republik und auf die weitere Förderung des Klassenbewußtseins der operativen Mitarbeiter. Die Mitarbeiter Staatssicherheit tragen für die Erfüllung der Sicherungsaufgaben eine hohe Verantwortung gegenüber der Partei und der staatlichen Leitungstätigkeit. Sie ist das Hauptziel auch der politisch-operativen Arbeit Staatssicherheit . Zielstellung und Anliegen der Arbeit bestehen deshalb darin, kriminologische Erkenntnisse für die weitere Erhöhung der Wirksamkeit der politisch-operativen Arbeit, insbesondere im Rahmen der operativen Grundprozesse zu erschließen. Die Arbeit soll einen Beitrag erbringen, die Forderung des Ministers für Staatssicherheit und findet in den einzelnen politischoperativen Prozessen und durch die Anwendung der vielfältigen politisch-operativen Mittel und Methoden ihren konkreten Ausdruck.

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