Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1973, Seite 139

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 139 (NJ DDR 1973, S. 139); Richtigkeit der Feststellungen des Gerichts stützt oder in Zweifel zieht. Träfe das zu, dann hätten entsprechende Ausführungen in die Beweiswürdigung gehört. Die rechtliche Beurteilung des Verhaltens des Angeklagten und die Begründung der ausgesprochenen Strafe sind formal und sagen wenig aus. Es fehlt auch eine Auseinandersetzung mit dem Antrag des Staatsanwalts. Die am Schluß des Urteils ausgesprochenen Erwartungen des Gerichts an das künftige Verhalten des Angeklagten haben keine Grundlage in den vorangegangenen Urteilsgründen. Sie sind lediglich ein allgemeiner Appell, der jedoch überflüssig ist, weil bereits in der Verurteilung des Angeklagten die gesellschaftliche Forderung liegt, künftig das Gesetz zu achten. Dieses Urteil läßt sich durch das Weglassen unwesentlicher Einzelheiten, durch konzentrierte und vollständige Darlegung der Gründe sowie eine zweckmäßigere Gliederung nicht nur kürzen, sondern auch übersichtlicher und verständlicher gestalten: "Der 38jährige Angeklagte ist Möbelträger. Im März 1968 wurde er wegen gemeinschaftlichen Diebstahls zum Nachteil gesellschaftlichen Eigentums zu fünf Monaten im Gefängnis und im Juli des gleichen Jahres wegen Widerstands gegen staatliche Maßnahmen und wegen Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Am Abend des 22. Januar 1972 kam der Angeklagte in erheblich angetrunkenem Zustand am Büro der LPG in K. vorbei. Er zerschlug dort zwei Fensterscheiben und stieg ein, um zu stehlen. Zunächst versuchte er, den im Büro befindlichen Schreibtisch mit einem Feuerhaken gewaltsam zu öffnen; dann kippte er den Schreibtisch um, so daß u. a. auch eine Geldkassette herausfiel. Diese nahm der Angeklagte mit in seine Wohnung und öffnete sie gewaltsam. In der Kassette befanden sich schriftliche Unterlagen der LPG und ein Geldbetrag in Höhe von 1 364,22 M. Die Papiere verbrannte er. Einen Teil des Geldes versteckte er. Der von der LPG gestellte Schadenersatzantrag umfaßt den gestohlenen Betrag von 1 364,22 M, den Wert der Kassette in Höhe von 28 M und 6 M für die Erneuerung der Fensterscheiben. Dieser Sachverhalt beruht auf dem Geständnis des Angeklagten und den Aussagen der Zeugin T. Der Angeklagte hat sich des Diebstahls von sozialistischem Eigentum schuldig gemacht (§ 158 Abs. 1 StGB). Er ist zwar bereits im Jahre 1968 wegen Diebstahls von sozialistischem Eigentum und wegen Hehlerei bestraft worden; verbrecherischer Diebstahl i. S. des § 162 Abs. 1 Ziff. 4 StGB ist jedoch nur formal gegeben. Die deh Vorstrafen zugrunde liegenden Handlungen wurden vor mehr als vier Jahren begangen und waren nicht besonders schwerwiegend. Gemäß § 62 Abs. 3 StGB ist deshalb die Strafe aus § 161 StGB zu entnehmen. Der Angeklagte hat aus den Vorstrafen keine nachhaltigen Lehren gezogen und sich, nachdem er sein Geld in Alkohol umgesetzt hatte, erneut ohne Bedenken durch Diebstahl auf Kosten des sozialistischen Eigentums um einen erheblichen Geldbetrag bereichert. In Anbetracht dessen ist eine Freiheitsstrafe von einem Jahr erforderlich, um ihn nachdrücklich anzuhalten, künftig seiner Verantwortung gegenüber der sozialistischen Gesellschaft nachzukommen. Dem Schadenersatzantrag der LPG war gemäß § 823 BGB zu entsprechen.“/2/ 121 Ob die dem Urteil zugrunde liegende Auffassung zur Anwendung des § 62 Abs. 3 StGB zutreffend ist, kann hier nicht mit Sicherheit beurteilt werden, weil der Sachverhalt insbesondere zur Entwicklung des Angeklagten seit der letzten Ver-urteUung kaum etwas aussagt. Deshalb und wegen der Vergleichbarkeit beider Urteilsfassungen mußte der „Neufassung“ das gleiche Ergebnis hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung und der Höhe der Freiheitsstrafe zugrunde gelegt werden. Die insoweit den Gründen hinzugefügten inhaltlichen Ergänzungen mußten sich auf das aus dem im Urteil festgestellten Sachverhalt Ableitbare beschränken. * Die beispielhafte Gegenüberstellung beider Urteilsfassungen läßt erkennen, wie ein Urteil nicht nur übersichtlicher, besser verständlich und überzeugender wird, sondern auch noch kürzer gefaßt sein kann, selbst wenn ihm zu wesentlichen Fragen ergänzende Ausführungen angefügt werden. In der Praxis sind solche Mängel wie sie in dem angeführten Beispiel sichtbar wurden trotz vielfacher Bemühungen der Leitung der Rechtsprechung und einer Reihe von Veröffentlichungen/3/ noch immer anzutreffen. Für die Überwindung dieser Mängel gibt es kein Schema. Die Länge eines Urteils kann an keine Norm gebunden werden. So können sich bei einem kurzen Sachverhalt längere Ausführungen erforderlich machen, wenn z. B. die Beweiswürdigung kompliziert oder über schwierige Rechts- oder Strafzumessungsprobleme zu entscheiden ist. Andererseits müssen ein umfangreicher Sachverhalt oder auch ein schweres Verbrechen nicht, solche Probleme aufwerfen, so daß ein kurzes Urteil möglich und auch richtig ist. Es geht allein darum, jedes Urteil entsprechend der Bedeutung und der Spezifik der in ihm zu behandelnden Probleme auf den jeweils notwendigen Inhalt zu reduzieren und ihn kurz und prägnant darzulegen. Das Urteil ist also freizumachen von allen unnötigen Ausführungen, die es belasten, die von den wesentlichen Fragen ablenken und damit das Verstehen seines Grundanliegens erschweren. Dazu muß beachtet werden, daß zwischen der Tat, ihren Umständen und Zusammenhängen, der Persönlichkeit des Täters sowie der Bedeutung des entstandenen gesellschaftlichen Konflikts und den an Inhalt und Umfang des Urteils zu stellenden Anforderungen enge Beziehungen bestehen. Werden diese beachtet und wird danach differenziert verfahren, dann wird zugleich vermieden, daß wie es vereinzelt festzustellen ist, bei dem Bemühen um Kürze die gesetzlichen Anforderungen an den Inhalt der Urteilsgründe nicht beachtet oder Fragen offengelassen werden, zu denen das UrteilStellung nehmen muß. Hohe Qualität des Urteils hat nichts mit der Länge seiner Gründe zu tun, sondern setzt insbesondere Konzentration auf das Wesentliche und Prägnanz voraus. In diesem Sinn sind die auf den notwendigen Inhalt konzentrierten Urteilsgründe und die Wirksamkeit des Urteils eine Einheit. Keinesfalls sind jedoch unterschiedslos und unabhängig von den Problemen der jeweiligen Strafsache sowie ihrer Bedeutung in jedem Verfahren die gleichen Anforderungen zu stellen. Das würde bedeuten, kurz und bündig zu beantwortende Fragen unabhängig von ihrem tatsächlichen Gehalt allseitig, tiefgründig und umfangreich zu behandeln und die Proportionen zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem zu verschieben. Der Aufwand muß vor allem von der Schwierigkeit einer Problematik bestimmt sein, die sich aus den Besonderheiten des Einzelfalls ergeben, sei es aus dem Charakter und der Schwere einer Straftat, aus komplizierten Beweisfragen, Rechtsproblemen von grundsätzlicher Bedeutung oder Strafzumessungsfragen. Bei der übergroßen Mehrzahl der Strafsachen handelt es sich um einfach gelagerte Fälle, die keine besonderen Probleme aufwerfen. Notwendig ist es aber in jedem Fall, daß sich das Gericht vor Abfassung des Urteils die zu ’ behandelnden Probleme sowie ihre Bedeutung und ihre eventuellen Zusammenhänge bewußt macht. Unter diesen Aspekten muß es den notwendigen Inhalt, den Aufbau und eine rationelle Gliederung der 131 Zum Inhalt und Aufbau der Gründe des erstinstanzlichen Strafurteils vgl. NJ 1953 S. 400 ff., 636, 698; NJ 1954 S. 101 ff.; NJ 1955 S. 684; NJ 1961 S. 371; NJ 1963 S. 102.; NJ 1964 S. 229 ff.: NJ 1965 S. 727 ff. 139;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 139 (NJ DDR 1973, S. 139) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 139 (NJ DDR 1973, S. 139)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-12), Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht der DDR (Hrsg. Nr. 13-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1973. Die Zeitschrift Neue Justiz im 27. Jahrgang 1973 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1973 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1973 auf Seite 746. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 27. Jahrgang 1973 (NJ DDR 1973, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1973, S. 1-746).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Spitzengeheimnisträger in staatlichen und bewaffneten Organen, in der Volkswirtschaft, in Forschungseinrichtungen einschließlich Universitäten und Hochschulen; Einschätzung der Wirksamkeit der politisch-operativen Aufklärung, Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. :, Ausgehend davon, daß; die überwiegende Mehrzahl der mit Delikten des unge- !i setzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen schenhande angefallenen Bürger intensive Kon- takte und ein großer Teil Verbindungen zu Personen unterhielten, die ausgeschleust und ausgewiesen wurden legal in das nichtsozialistische Ausland bestünden. Diese Haltungen führten bei einer Reihe der untersuchten Bürger mit zur spätereri Herausbildung und Verfestigung einer feindlich-negativen Einstellung zu den verfassungsmäßigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der angegriffen werden bzw, gegen sie aufgewiegelt wird. Diese ind konkret, detailliert und unverwechselbar zu bezeichnen und zum Gegenstand dee Beweisführungsprozesses zu machen. Im Zusammenhang mit der Bestimmung der Zielstellung sind solche Fragen zu beantworten wie:. Welches Ziel wird mit der jeweiligen Vernehmung verfolgt?. Wie ordnet sich die Vernehmung in die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die Tätigkeit des Untersuchungsführers in der Vernehmung, insbesondere bei der Protokollierung. Es ist Anliegen der Ausführungen, die ErfOrdermisse der Wahrung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlih-keit und Gesetzlichkeit die Möglichkeit bietet, durch eine offensive Nutzung der gesetzlichen Bestimmungen den Beschuldigten zu wahren Aussagen zu veranlassen.

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