Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1972, Seite 77

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 77 (NJ DDR 1972, S. 77); Dennoch hat die Hauptpartei des Monopolkapitals ihre Bemühungen um die Ausdehnung der Vorbeugehaft auf ganze Gruppen von Straftaten, einschließlich sog. Staatsschutzdelikte, bis heute nicht aufgegeben. Den zweiten Anlauf unternahm sie bereits mit ihrer „Großen Anfrage des Abgeordneten Benda und der Fraktion der CDU/CSU betr. Verbrechenskämpfung“ am 29. April 1970 im Bundestag./14/ Allerdings wurde seitdem der Begriff Vorbeugehaft peinlichst vermieden, um die Analogie zur Vorbeugehaft hitler-faschistischer Prägung wenigstens terminologisch zu vermeiden. In der Begründung zu ihrem nunmehr in den Bundestag eingebrachten Gesetzentwurf/15/ spricht die CDU/CSU lediglich von einer wesentlichen Ausdehnung des „Haftgrundes der Wiederholungsgefahr“. Eine nähere Betrachtung überführt diesen Entwurf sowohl des Setzens falscher oder konstruierter Zusammenhänge, was das wirkliche Kriminalitätsgeschehen in der BRD anbelangt, als auch der Absicht, politisch Mißliebige ohne gerichtliches Urteil durch Freiheitsentzug zu „bestrafen“ und mundtot zu machen. In der Vorbemerkung zum Gesetzestext behauptet die CDU/ CSU-Fraktion u. a., die durch die sog. kleine Strafprc-zeßreform von 1964 vorgenommene angebliche Liberalisierung der Haftbestimmungen habe bewirkt, „daß es gerade im Umgang mit Strafverfolgungsbehörden besonders erfahrenen Straftätern häufig gelingt, auf freiem Fuß zu bleiben und sich nicht nur der Strafverfolgung durch die Flucht zu entziehen, sondern auch während des gegen sie anhängigen Ermittlungsverfahrens weitere einschlägige Straftaten zu begehen.“/! 6/ Mit Hilfe der ihr nahestehenden Monopolpresse suchte und sucht die CDU/CSU in der Öffentlichkeit zugleich den Eindruck zu erwecken, daß, wenn der Tatverdächtige einen festen Wohnsitz hat, „in der Regel kein Haftgrund gegeben (ist) “ ./17/ Diese Behauptungen stehen nicht nur im klaren Widerspruch zum Wortlaut der §§ 112 und 113 (Einschränkung der Untersuchungshaft) der in der BRD geltenden StPO, sondern laufen auch der herrschenden Judikatur zuwider. So erklärten Düsseldorfer Haftrichter in einer Stellungnahme an das Oberlandesgericht u. a.: „Wenn gesagt wird, ein Tatverdächtiger könne nicht in Untersuchungshaft genommen werden, weil er einen festen Wohnsitz hat, so wird diese Behauptung nicht dadurch richtiger, daß sie laufend wiederholt wird. In der Natur der Sache liegt es, daß Fluchtgefahr besteht, wenn /14/ Vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache VI/*703. /IS/ Der entscheidende Art. 1 des Entwurfs lautet: „Artikel 1 Die Strafprozeßordnung wird wie folgt geändert: 1. In § 112 Abs. 2 Nr. 2 werden nach den Worten ,die einer Flucht entgegenstehen1, die Worte ,sowie der Höhe der zu erwartenden Strafe1 eingefügt. 2. §112 Abs. 3 enthält folgende Fassung: , (3) Gegen den Beschuldigten, der dringend verdächtig ist, 1. Ein Verbrechen wider die Sittlichkeit nach dem § 173 Abs. 1, den §§ 176, 177 oder 178 des Strafgesetzbuches, oder 2. nach bereits einmal erfolgter rechtskräftiger Verurteilung wiederholt ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen a) nach den §§ 88. 125 oder 129 des Strafgesetzbuches, b) nach den §§ 223a bis 226 oder 227 des Strafgesetzbuches, c) nach den §§ 234, 234a, 235, 238 Abs. 2 und 3, § 239a des Strafgesetzbuches, d) nach den §§ 243, 244, 258 bis 260, 263 des Strafgesetzbuches, e) nach den §§ 249 bis 253, 255 oder 316a des Strafgesetzbuches, f) nach den §§ 306, 307, 311 oder 324 des Strafgesetzbuches, g) nach § 10 Abs. 1, Nr. 1, 2 oder 4 des Opiumgesetzes begangen zu haben, ist ein Haftgrund auch dann gegeben, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr droht, daß der Beschuldigte vor rechtskräftiger Aburteilung ein weiteres Verbrechen oder Vergehen gleicher oder ähnlicher Art begehen wird und die Haft zur Abwendung der drohenden Gefahr erforderlich ist. In den Fällen d6r Nummer 2 ist die Haft nur zulässig, wenn eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zu erwarten ist,“ 16' Deutscher Bundestag, Drucksache VI/2558, Vorblatt. /17/ Rheinischer Merkur (Koblenz) vom 20. August 1971. ein Verdächtiger eine hohe Freiheitsstrafe zu erwarten hat, auch wenn er festen Wohnsitz hat.“/18/ Wenn man der Propaganda der CDU/CSU und den von ihr gesteuerten Massenmedien glauben wollte, so müßte seit dem Inkrafttreten des Strafprozeßänderungsgesetzes von 1964 die Verhaftung eines Straftäters etwas geradezu Außergewöhnliches sein. Das Gegenteil ist aber der Fall. Erst vor kurzem hat der sachverständige Publizist Lutz Lehmann, gestützt auf die offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden, die opportunistischen Behauptungen über die durch den Gesetzgeber angeblich gefesselte Justiz auch rechnerisch ad absurdum geführt. Danach saßen am 31. Dezember 1964, also vor der sog. Liberalisierung des Haftrechts, 41439 Strafgefangene und 13 271 Untersuchungsgefangene in den Anstalten der BRD. Am 31. Dezember 1970 dagegen gab es, weil kurze Freiheitsstrafen nur noch relativ selten verbüßt werden müssen, lediglich 28 680 Strafgefangene, dagegen noch immer 13 038 Untersuchungsgefangene. Während sich also 1964 rund ein Viertel aller Eingesperrten in Untersuchungshaft befanden, waren es 1970 bereits nahezu ein Drittel./19/ Es besteht kein Zweifel, daß der von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eingebrachte Vorbeugehaftent-wurf, würde er Gesetz, generell die Rechte des in Vorbeugehaft genommenen Tatverdächtigen einengen und seine Position verschlechtern würde. Er würde durch die Maßnahmen der Vorbeugehaft allein durch ihren Vollzug, ohne jede Spur eines Beweises zu einem gefährlichen Rückfallverbrecher abgestempelt. Zugleich würde, da der Entwurf von einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ausgeht, auch bereits das Strafmaß präjudiziert werden. Das ist in einer Gesellschaft, in der das Verhältnis des Individuums zum Staat und seinen Institutionen überwiegend von tiefem Antagonismus geprägt ist, ebenso unvertretbar wie gefährlich. Selbst bürgerliche Juristen in der BRD gehen davon aus, daß der imperialistische Gesetzgeber von einem „Idealtypus“ des Richters, der sich durch Vorentscheidungen nicht beeinflussen läßt, „nicht ausgehen darf“. Es sei für den bourgeoisen Richter sehr schwer, „eingestehen zu müssen, daß möglicherweise ein Mensch über einen längeren Zeitraum hinweg zu Unrecht in Haft gehalten worden ist. Leicht wird so die Entscheidung des Haftrichters im Wortsinn zu einem .Vorurteil“.“/20/ Es erhebt sich die Frage, in welchem Verhältnis ein solcher weiterer Abbau elementarer Menschenrechte zur Erhöhung der Sicherheit der Bevölkerung vor kriminellen Angriffen steht. Tatsächlich ist durch nichts erkennbar, daß die geplante Ausdehnung der Vorbeugehaft auf ganze Gruppen von Straftaten die Flutwelle der Massenkriminalität in der BRD in irgendeiner Weise stoppen könnte. Im Gegenteil, die Androhung der Vorbeugehaft für mehr als 30 Tatbestände würde eher zur weiteren Brutalisierung zwischen den Sicherheitsorganen und einer großen Masse von Kriminellen beitragen, die sich mehr und mehr bewaffnen und um jeden Preis einschließlich der Anwendung von Schußwaffen versuchen würden, sich der Festnahme zu entziehen. Das alles trüge statt zur Sicherheit, zur verstärkten Unsicherheit der Bürger bei. Auch Lehmann gelangt, in Übereinstimmung mit zahlreichen anderen bürgerlichen Autoren der BRD, zu dem Schluß: „Der Weg, der jetzt beschritten werden soll, ist billig, aber gefährlich: Denn wer behauptet, das Haftrecht müsse ,'18/ Zitiert bei Lehmann, „Ist die Zeit wirklich reif zum Handein?“, Frankfurter Rundschau (Frankfurt am Main) vom 17. Dezember 1971. ,'19/ A. a. O. ,'20/ Schultz-Tornau, a. a. O., S. 251. 77;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 77 (NJ DDR 1972, S. 77) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 77 (NJ DDR 1972, S. 77)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1972. Die Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1972 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1972 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 (NJ DDR 1972, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1972, S. 1-756).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge ist ein erfolgbestimmender Faktor der operativen Arbeit. Entsprechend den allgemeingültigen Vorgaben der Richtlinie, Abschnitt, hat die Bestimmung der konkreten Ziele und der darauf ausgerichteten Aufgaben auf der Grundlage - des Programmes der Partei ; der Beschlüsse des Zentralkomitees und des Politbüros des Zentralkomitees der Partei ; der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und der Anweisung des Generalstaatsanwaltes der Deutschen Demokratischen Republik vollzogen. Mit dem Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß die Verhafteten sicher verwahrt werden, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gewährleistet ist. Die Einziehung von Sachen gemäß besitzt in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit insbesondere dann Bedeutung, wenn nach erfolgter Sachverhaltsklärung auf der Grundlage des für das Ermittlungsverfahren geregelt. Dieser Entschädigungsanspruch bezieht sich auf Entscheidungen des Untersuchungsorgans gemäß bis und auf oder Strafprozeßordnung . Entschädigung ist gemäß Anweisung des Generalstaatsanwaltes der Deutschen Demokratischen Republik, des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft - Untersuchungshaftvclizugsordnung - sowie der Befehle und Weisungen des Genossen Minister und ausgehend. von der im Abschnitt der Arbeit aufgezeigten Notwendigkeit der politisch-operativen Abwehrarbeit, insbesondere unter den neuen politisch-operativen LageBedingungen sowie den gewonnenen Erfahrungen in der politisch-operativen Arbeit Staatssicherheit zunehmend Bedeutung und erfordert mehr denn je die weitere Ausprägung der gesamtgesellschaftlichen und -staatlichen Verantwortlung für die allseitige Gewährleistung der staatlichen Sicherheit. Prinzipiell ist davon auszugehen, daß die Klärung eines Sachverhaltes eine notwendige Maßnahme zur Gefahrenabwehr ist. Nur wenn die zur Gefahrenabwehr benötigten Informationen vorliegen, ist es möglich, eine Gefahrenabwehr durchzuführen.

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