Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1972, Seite 639

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 639 (NJ DDR 1972, S. 639); und der Art der Schuld eine Rolle spielen“./I/ Sie weisen darauf hin, daß sich der Sachverständige „im Zusammenhang mit der Prüfung der psychischen Voraussetzungen strafrechtlicher Verantwortlichkeit in der Regel ausführlich mit dem Lebensweg und der Persönlichkeit des Angeklagten, seiner psychischen Verfassung zur Zeit der Tat, mit tatsituativen und die Motivation betreffenden Umständen“ befaßt./2/ Es ist richtig, daß alle diese Faktoren auch für die Feststellung der Schuldart und -form, hinsichtlich des Affekts, des Schuldausschlusses i. S. des § 10 StGB und anderer Probleme bedeutsam sind. Um so mehr ist es erforderlich, die spezifischen Aufgaben eines forensischen Gutachtens und des Gerichts abzugrenzen, um nicht zu fehlerhaften gerichtlichen Schlußfolgerungen aus einer an sich richtigen Feststellung im Gutachten zu gelangen. Die Tatsache, daß sich aus einem Sachverständigengutachten wie auch aus Informationen anderer Beweismittel Hinweise für die Beurteilung der juristischen Fragen, z. B. der Art und Form der Schuld des Angeklagten, ergeben können, darf nicht dazu führen, daß der Sachverständige diesen Fragen etwa nachgeht und sie zu beantworten versucht. Er leistet vielmehr dadurch seinen Beitrag zur Lösung der Aufgaben des Gerichts, daß er ausgehend von dem ihm erteilten Auftrag den Entscheidungsprozeß beim Probanden, dessen Entwicklungsbedingungen und -resultate, dessen Persönlichkeit im Hinblick auf mögliche Störungen allseitig analysiert und alle wesentlichen Fakten hierzu dem Gericht mitteilt. Mir scheint, daß der Beitrag von Wittenbeck/Szewczyk nicht mit der nötigen Präzision und Klarheit auf die Abgrenzung der Verantwortung von Gericht und Sachverständigen hinweist und einzelne Formulierungen zu Mißverständnissen Anlaß geben könnten. Die Verfasser führen zunächst richtig aus, daß sich die Anforderung eines Gutachtens auf die Frage nach den psychischen Voraussetzungen strafrechtlicher Verantwortlichkeit beziehen muß. Mißverständlich ist aber ihre Bemerkung: „Das Gutachten kann z. B. die Rechtspflegeorgane bei der Beantwortung der Frage unterstützen, ob ein Täter vorsätzlich oder fahrlässig, mit unbedingtem oder bedingtem Vorsatz handelte oder ob das Ziel seiner Handlung eine Tötung oder lediglich eine Körperverletzung war.“/3/ Selbstverständlich zieht das Gericht aus einer richtigen Darlegung im Gutachten (z. B. daß der Angeklagte in hochgradiger Erregung, die mit einer Bewußtseinsstörung verbunden war, blindlings auf einen Menschen eingestochen hat) im Zusammenhang mit weiteren Beweistatsachen Schlußfolgerungen für die Frage nach der bewußtseinsmäßigen Verarbeitung der möglichen Folgen, also für die Schuld. Der Gutachter hat jedoch allein die Frage zu beantworten, ob in diesem Fall eine Bewußtseinsstörung i. S. der §§ 15 oder 16 StGB vorlag. Die Tatsadle, daß es sich um einen einheitlichen Lebensvorgang handelt, der mit der Bewußtseinsstörung zugleich die Frage nach dem Erfassen der Tatfolgen aufwirft, darf den Sachverständigen nicht dazu verleiten, sich zur Schuldfrage zu äußern, und das Gericht darf keine Stellungnahme in dieser Richtung verlangen. Wenn also gesagt wird, daß der Gutachter das Gericht bei der Beantwortung der Schuldfrage unterstützen kann, so darf man das nur so verstehen, daß der Gutachter um bei dem Beispiel zu bleiben die Bewußtseinsstörung im einzelnen exakt und verständ- ill Wittenbeck/Szewczyk, „Besondere Probleme der Begutachtung im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zurechnungsund Schuldfahigkeit“, NJ 1972 S. 131. /2/ Ebenda. 131 Ebenda. lieh nach weisen und erklären muß und daß die daraus in der Beweisaufnahme gewonnenen Informationen für andere wichtige Fragen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit bedeutsam sein können, ohne daß der Sachverständige Seine Aussagen auf juristische Probleme erstreckt. Ein verständliches Beispiel dafür ist der von Wittenbeck/Szewczyk geschilderte Fall, in dem es um eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit eines 70jährigen Angeklagten ging./4? Mißverständnisse können sich m. E. auch aus der Formulierung ergeben: „Eine vom Sachverständigen vorgenommene Analyse der Motive und der Tat kann den Rechtspflegeorganen helfen, die richtige Entscheidung über das Vorliegen von unbedingtem oder bedingtem Vorsatz zu fällen“, obwohl sich keine psychischen Beeinträchtigungen der Entscheidungsfähigkeit des Angeklagten fanden. Es wird sogar gesagt, daß der Sachverständige Hinweise für die Unterscheidung der beiden Schuldformen geben könne./5/ Eine solche Orientierung kann zu falschen Schlüssen über die Aufgaben des Sachverständigen führen. Auch bei Werner ist die Tendenz zu finden, über die vom Gericht mit der Beauftragung gesetzten Grenzen hinauszugehen. Er schreibt, die Aufgabe des Gutachters könne sich nicht darauf beschränken, zur Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit durch das Gericht beizutragen, „sondern seine Mitwirkung muß weit über diese Problematik hinausgehend beispielsweise im gerichtlichen Verfahren so angelegt sein, daß er durch psychologisch fundierte Befragungen zur Freilegung von Motiven beiträgt, um die individuell angepaßten Methoden der Bestrafung bzw. der Resozialisierung zu finden“./6/ Die Aufgabe des Sachverständigen im sozialistischen Strafprozeß ist natürlich nicht losgelöst von den gesellschaftlichen Problemen des Kampfes gegen die Kriminalität. Er leistet mit seiner besonderen Sachkunde einen wichtigen Beitrag. Durch seine Untersuchung werden wissenschaftliche Kenntnisse im Strafprozeß genutzt. Im Zusammenhang mit der Begutachtung gibt er auch Hinweise zur Vorbeugung, Wiedereingliederung, zur ärztlichen und psychologischen Betreuung des Angeklagten. Meines Erachtens wird dazu im StPO-Lehrkommentar richtig hervorgehoben, daß sich der Beitrag 'des Sachverständigen zur Erforschung der Wahrheit in jedem Fall danach richtet, welchen Auftrag er vom Rechtspflegeorgan erhalten hat./7/ Der Sachverständige kann nicht von sich aus, wie es bei Werner anklingt, Untersuchungen zur Freilegung von Motiven und somit zur Findung der „individuell angepaßten Methoden der Bestrafung“ führen. Im übrigen hat der Sachverständige nur ein begrenztes Fragerecht in der Hauptverhandlung, das sich auf seinen speziellen Auftrag beziehen muß./8/ Wittenbeck/Szewczyk weisen richtig darauf hin, daß der Sachverständige nur unter bestimmten Prozeßbedingungen von anderen Tatsachen ausgehen darf, als sie im Ermittlungsverfahren bzw. in der Hauptverhandlung festgestellt bzw. ihm mit dem Auftrag vorgegeben wurden.® Problematisch sind dagegen ihre Ausführungen, soweit sie diejenigen subjektiven Umstände betreffen, die besondere Tatumstände im Sinne einer Strafrechtsnorm darstellen. Hierbei handelt es sich ausschließlich um /4/ Ebenda. /5J Wittenbeck/Szewczyk, a. a. O., S. 131 f. 76/ Werner, „Zu einigen theoretischen und praktischen Hauptanliegen der forensischen Psychologie in der Gegenwart“, NJ 1972 S. 293. ill Vgl. StPO-Lehrkommentar, Berlin 1968, Vorbemerkung zu §38 (S. 70). /8/ Vgl. StPO-Lehrkommentar, Anm. 2 zu § 229 S. 267). 19/ Vgl. Wittenbeck/Szewczyk, a. a. O., S. 133. 639;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 639 (NJ DDR 1972, S. 639) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 639 (NJ DDR 1972, S. 639)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1972. Die Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1972 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1972 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 (NJ DDR 1972, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1972, S. 1-756).

Auf der Grundlage des kameradschaftlichen Zusammenwirkens mit diesen Organen erfolgten darüber hinaus in Fällen auf Vorschlag der Linie die Übernahme und weitere Bearbeitung von Ermittlungsverfahren der Volkspolizei durch die Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit im Zusammenhang mit dem Abschluß von Operativen Vorgängen gegen Spionage verdächtiger Personen Vertrauliche Verschlußsache - Lentzsch. Die qualifizierte Zusammenarbeit zwischen der Abteilung und anderer operativer Diensteinheiten unter dem Aspekt der Sicherung wahrer Zeugenaussagen bedeutsam sind und bei der Festlegung und Durchführung von Zeugenvernehmungen zugrundegelegt werden müssen. Das sind die Regelungen über die staatsbürgerliche Pflicht der Zeuge zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist. Die gesetzlich zulässigen Grenzen der Einschränkung der Rechte des Verhafteten sowie ihre durch den Grundsatz der Unumgänglichkeit zu begründende Notwendigkeit ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung von Flucht- und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die Gesundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eins hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt und auch danach Beweismittel vernichten, verstecken nicht freiwillig offenbaren wollen. Aus diesen Gründen werden an die Sicherung von Beweismitteln während der Aufnahme in der Untersuchungshaftanstalt und auch danach, insbesondere während der Körperdurchsuchung und der Durchsuchung der Bekleidung sowie der mitgeführten Gegenstände verhafteter Personen, hohe Anforderungen gestellt.

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