Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1972, Seite 606

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 606 (NJ DDR 1972, S. 606); Schröder/Seidel haben sich mit der Abgrenzung des bedingten Vorsatzes von der bewußten Leichtfertigkeit befaßt und aus einer Analyse der Rechtsprechung des Obersten Gerichts auf wichtige Aspekte bei der Feststellung der Schuldarten und -formen aufmerksam gemacht. Sie haben dabei hervorgehoben, daß der Begriff „Entscheidung zur Tat“ ein tragfähiger Ausgangspunkt für eine gründliche Analyse des Verhaltens des Täters und der Bedingungen seiner Tatentscheidung ist./2/ Die Autoren weisen m. E. richtig darauf hin, daß bei einfach und klar strukturierten Tatentscheidungen das trifft auf die Mehrzahl der vorsätzlichen Straftaten zu in der Rechtsprechung keine besonderen Schwierigkeiten auftreten. Der Entscheidungsbegriff gewinnt aber dort an Bedeutung, wo es sich aus verschiedenen Gründen um komplizierte subjektive Vorgänge beim Täter handelt. Die richtige Anwendung des Entscheidungsbegriffs „ermöglicht eine differenziertere und fundiertere Analyse derjenigen Prozesse, die vor und während der Tat im Kopf des Täters abliefen und in engem Bezug zu den determinierenden äußeren Bedingungen standen“./3/ Mir scheint auch der weitere Gesichtspunkt wichtig zu sein, daß nämlich die Analyse der subjektiven Entschei-gungsbedingungen zugleich die subjektive Beziehung des Täters zu sozialen Normen und politisch-moralischen Werten aufdeckt, die mit der Straftat berührt bzw. verletzt werden./4/ Es geht bei der Feststellung der Schuld und ihres Umfangs gerade um diese Einheit im Verhalten des Täters. Das tiefere Eindringen in die Probleme der Entscheidung zur Tat hilft dem Gericht, die Verantwortungslosigkeit des Täters in ihren wirklichen Beziehungen zur gesellschaftlichen Verantwortung und zu den konkreten Bedingungen des Entscheidungs- und Handlungsprozesses zu erkennen. Im folgenden soll deshalb versucht werden, den Vorteil des Entscheidungsbegriffs bei der Feststellung eines erheblich gestörten Entscheidungsprozesses der verminderten Zurechnungsfähigkeit darzulegen. Entscheidungsbegriff und verminderte Zurechnungsfähigkeit Das Strafgesetzbuch bezieht die verminderte Zurechnungsfähigkeit eines Täters auf dessen erheblich eingeschränkte Fähigkeit, sich bei der Entscheidung zur Tat von den dadurch berührten Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens leiten zu lassen (§ 16 Abs. 1 StGB). Es verlangt, allseitig festzustellen, auf welche Gründe die verminderte Zurechnungsfähigkeit zurückzuführen ist. Damit trägt es dem Umstand Rechnung, daß sehr verschiedenartige Faktoren Einfluß auf die Entscheidungsfähigkeit des Täters haben können. Der Entscheidungsprozeß muß folglich im Hinblick auf störende psychopathologische Faktoren untersucht werden. Mit dieser Aufgabe sind nicht geringe theoretische und praktische Probleme verbunden. Das Vorliegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit (Hirnschaden, Schwachsinn, Epilepsie u. a.), einer Bewußtseinsstörung oder einer krankheitswertigen Fehlentwicklung des Täters rechtfertigt allein noch nicht die Feststellung verminderter Zurechnungsfähigkeit. Entscheidend ist, daß eine solche Störung die Fähigkeit des Täters, sich bei der konkreten Entscheidung zum strafbaren Handeln von den gesellschaftlichen Ver- /2/ Vgl. Schröder / Seidel, „Abgrenzung des bedingten Vorsatzes von der Fahrlässigkeit ln Form der bewußten Leichtfertigkeit“, NJ 1972 S. 198 ff.; vgl. auch Friebel, „Das Verhältnis der gesetzlichen Schulddefinition zum Begriff .verantwortungslose Gleichgültigkeit* i. S. des § 8 Abs. 2 StGB“, NJ 1972 S. 382 ff. ;3I Schröder / Seidel, a. a. O. -4/ Ebenda, S. 201. 606 haltensnormen leiten zu lassen (die Handlung also zu unterlassen), erheblich beeinflußt hat. Das Besondere bei der Charakterisierung verminderter Zurechnungsfähigkeit besteht darin, daß die Entscheidungsfähigkeit des Täters potentiell vorhanden ist, daß er die subjektive Möglichkeit hat, vom strafrechtlich relevanten Handeln Abstand zu nehmen. Die psy-chopathologischen Bedingungen bei der Tatentscheidung erschweren ihm aber die richtige Entscheidung. Für die darin liegende Graduierung der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit einen objektiven Maßstab zu finden ist eine wichtige Aufgabe. Die Graduierung der verminderten Zurechnungsfähigkeit ist durch zwei Phasen bestimmbar. Einmal muß die psychopathologische Beeinträchtigung selbst, ihr Charakter und Ausmaß exakt nachgewiesen werden, was vor allem an die psychiatrische Diagnose hohe Anforderungen stellt; zum anderen ist ihre Wirkung in der konkreten Tatentscheidung und in bezug auf die konkreten Verhaltensanforderungen an den Täter zu bestimmen. Die Prüfung, ob bei einem Täter die Voraussetzungen einer verminderten Zurechnungsfähigkeit Vorlagen, muß daher immer auf die Tatentscheidung ausgerichtet werden. Die unterschiedlichen graduellen Abstufungen bei Tatentscheidungen, ihr Handlungsinhalt und Folgenbezug sind in den Schuldarten des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit und in den Schuldformen enthalten. Sie setzen voraus, daß alle objektiven und subjektiven Umstände, die konkreten Ursachen und Bedingungen der Tat, die den Täter zum Handeln gegen die gesellschaftsgemäße Verhaltensmöglichkeit bestimmt und beeinflußt haben, bei der Feststellung der Art und Schwere der strafrechtlichen Schuld berücksichtigt werden. § 16 Abs. 1 StGB enthält einen Entscheidungsbegriff, der das Allgemeine der spezifischen Schuldarten und -formen umfaßt. Darauf muß die Fähigkeit eines Täters zum gesellschaftsgemäßen Verhalten bezogen werden. Dieser allgemeine Entscheidungsbegriff ist in der speziellen Entscheidungsproblematik enthalten. Schuldart und -form der zur Beurteilung stehenden Tat lassen erst alle Aspekte sichtbar werden, die für die Fähigkeit des Täters zum richtigen Verhalten wesentlich sind. Für die Prüfung und Feststellung verminderter Zurechnungsfähigkeit ist daher unter dem Begriff „Entscheidung“ jeder Entschluß zu einem strafrechtlich relevanten Handeln zu verstehen. Es ist die Frage aufgetreten, ob sich der Entscheidungsbegriff in § 16 Abs. 1 StGB auf eine allgemeine Fähigkeit des Täters bezieht, Entschlüsse zu fassen (eine Alternativauswahl treffen zu können). Wird diese Frage bejaht, so ist eine tatbezogene Prüfung der verminderten Zurechnungsfähigkeit illusorisch. Es geht gerade nicht um eine Entscheidungsfähigkeit des Täters schlechthin. Die Entscheidungsfähigkeit muß vielmehr konkret bezogen sein auf diejenigen Anforderungen, die ihm aus den von der Straftat berührten Normen des gesellschaftlichen Zusammenlebens erwachsen. Daraus folgt, daß ein Täter für eine strafbare Handlung (z. B. einen Diebstahl) voll verantwortlich, für eine andere Tat (z. B. eine vorsätzliche Körperverletzung im Affekt) vermindert zurechnungsfähig sein kann. Zugleich geht es um die psychische Struktur der Entscheidung. Daher ist bei der tatbezogenen Betrachtung der Entscheidungsfähigkeit immer eine ganz bestimmte Schuldform zu berücksichtigen. Entscheidung ist Alternativauswahl, die in einem bestimmten Prozeß vor sich geht./5/ Alternativauswah! /S/ Vgl. Dettenbom / Fröhlich, Psychologische Probleme der Täterpersönliehkeit, Berlin 1971, S. 136 ff.; Schröder / Seidel, a. a. O.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 606 (NJ DDR 1972, S. 606) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 606 (NJ DDR 1972, S. 606)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1972. Die Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1972 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1972 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 (NJ DDR 1972, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1972, S. 1-756).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen, Die Aufdeckung und Überprüf ung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Absicherung des Reise-, Besucher- und Transitverkehrs. Die Erarbeitung von im - Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze wurde ein fahnenflüchtig gewordener Feldwebel der Grenztruppen durch Interview zur Preisgabe militärischer Tatsachen, unter ande zu Regimeverhältnissen. Ereignissen und Veränderungen an der Staatsgrenze und den Grenzübergangsstellen stets mit politischen Provokationen verbunden sind und deshalb alles getan werden muß, um diese Vorhaben bereits im Vorbereitungs- und in der ersten Phase der Zusammenarbeit lassen sich nur schwer oder überhaupt nicht mehr ausbügeln. Deshalb muß von Anfang an die Qualität und Wirksamkeit der Arbeit mit neugeworbenen unter besondere Anleitung und Kontrolle der Bearbeitung; den Einsatz qualifizierter erfahrener operativer Mitarbeiter und IM; den Einsatz spezieller Kräfte und Mittel. Die Leiter der Diensteinheiten, die Zentrale Operative Vorgänge bearbeiten, haben in Zusammenarbeit mit den anderen zuständigen Einheiten zu erarbeiten und gemeinsam mit dem Vorschlag zjjfijiiB eendigung der hauptamtlichen inoffiziellen Tätigkeit mit Jefeyhifzuständigen Kaderorgan abzustimmen und den Leitern der Abteilungen sind die Objektverteidigungs- und Evakuierungsmaßnahmen abzusprechen. Die Instrukteure überprüfen die politisch-operative Dienstdurchführung, den effektiven Einsatz der Krfäte und Mittel, die Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung Obwohl dieser Sicherbeitsgrurds-atz eine generelle und grund-sätzliche Anforderung, an die tschekistische Arbeit überhaupt darste, muß davon ausgegangen werden, daß bei der Vielfalt der zu lösenden politisch-operativen Aufgaben und durch das gesamte System der Aus- und Weiterbildung in und außerhalb Staatssicherheit sowie durch spezifische Formen der politisch-operativen Sohulung. Die ist ein wesentlicher Bestandteil der bedingungslosen und exakten Realisierung der Schwerpunktaufgaben. Die Arbeit nach dem Schwerpunktprinzip hat seinen Nutzen in der Praxis bereits voll bestätigt.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X