Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1972, Seite 544

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 544 (NJ DDR 1972, S. 544); eine Gefahrenbremsung ein, konnte jedoch einen Zusammenstoß nicht mehr vermeiden. Der Angeklagte konnte infolge des Fahrens mit Abblendlicht die vor ihm liegende Wegstrecke nicht ausreichend übersehen. Er hat deshalb gegen die Grundregel „auf Sicht fahren“ verstoßen. Weil er auf Grund des wahrgenommenen Scheinwerferlichts des Lastzuges annahm, in Kürze wieder Gegenverkehr zu haben, der die von ihm zu befahrende Strecke mit aus-leuchten werde, beging er diesen Verstoß unbewußt. Mit Hilfe des entscheidungspsychologischen Ansatzes wollen wir klären, ob der Angeklagte verantwortungslos im Sinne strafrechtlicher Schuld gehandelt hat. Die tatbezogenen aktuellen äußeren Bedingungen waren in diesem Fall: Die Transitstraße ist 7,50 m breit. An die Fahrbahnen schließen sich auf beiden Seiten befestigte Randstreifen von 50 cm und weiter unbefestigte Randstreifen von gleicher Breite an. Die Fahrbahnverhältnisse gestatten also ein zügiges Fahren. Der Angeklagte fuhr auch mit ausreichendem Sicherheitsabstand zur rechten Fahrbahnseite, der eine unvermutete Gefährdung von Fußgängern, Radfahrern oder anderen langsam fahrenden Verkehrsteilnehmern nicht erwarten ließ. Hiervon ausgehend ist zu der zu entscheidenden Frage, ob sich das Weiterfahren mit 80 km/h bei Abblendlicht als verantwortungslos darstellt, zunächst zu bemerken, daß diese äußeren Handlungsbedingungen gegen eine hohe objektive Folgenwahrscheinlichkeit sprechen. Beim Weiterfähren mit unverminderter Geschwindigkeit mußte der Angeklagte nicht damit rechnen, daß sich auf der Transitstraße mit lebhaftem Fahrzeugverkehr ein einer Vollsperrung gleichkommendes Hindernis befand. Entsprechend war die subjektive Folgenwahrscheinlichkeit gleich Null. Der Angeklagte ist von der Gefahrlosigkeit bzw. einer unbeeinträchtigten Realisierung der gewählten Handlungsweise ausgegangen. Zu fragen ist, inwieweit diese Folgeneinschätzung mit den objektiven Gegebenheiten übereinstimmt. Es wurde bereits gesagt, daß objektiv eine äußerst geringe Wahrscheinlichkeit für das Auftreten derartiger Folgen vorhanden war. Für den Fahrer gab es keine Anzeichen dafür, daß in der Handlungssituation solche gering wahrscheinlichen Einflüsse Vorlagen. Dabei ist zu beachten, daß die Langholzfuhre seitlich unbeleuchtet war, so daß sich die Baumstämme auf dem Nachläufer in dem Waldgelände nicht von der Straße abhoben. Schließlich war in subjektiver Hinsicht anzuerkennen, daß sich der Fahrer in sehr kurzer Zeit von der Annahme, Gegenverkehr vor sich zu haben, auf ein einer Straßensperre gleichkommendes Hindernis umstellen mußte. Das war im hohen Maße außergewöhnlich. Subjektiv entstand für den Fahrer keine spezielle Entscheidungssituation mit den Alternativen Verringerung der Geschwindigkeit wegen Gefahrenmöglichkeit oder Beibehaltung der Geschwindigkeit. Wie gewöhnlich bei Gegenverkehr hat er die Geschwindigkeit beibehalten in der Annahme, komplikationslos vorbeifahren zu können. Insofern entstand keine spezielle Entscheidungssituation, auf keinen Fall aber eine Entscheidungssituation mit Bezug zu Pflichten. Die Konstellation dieser objektiven und subjektiven Bedingungen charakterisiert das Nichtherabsetzen der Geschwindigkeit nicht als verantwortungslos. Deshalb wurde das Vorliegen strafrechtlicher Schuld verneint. Schlußfolgerungen für die Anwendung des entscheidungspsychologischen Ansatzes Die Entscheidung zur Tat in einer bestimmten Situation ist der Kristallisationspunkt aller Faktoren, die für die Beurteilung von Schuld und Verantwortung eine Rolle spielen. Hier sind also die gesellschaftlichen, die situativen und die persönlichkeitsbezogenen Bedingungen in ihrer spezifischen und für das kriminelle Handeln wesentlichen Verknüpfung konzentriert. Diese Faktoren und ihre Beziehungen sind handlungsbezogen zu untersuchen, ohne daß psychische Gegebenheiten, die eine Einheit bilden (z. B. Bewußtsein und Wollen), voneinander getrennt werden und ohne daß schwer bestimmbare Ausgangspunkte zugrunde liegen, die die Objektivität von Feststellungen schmälern. Der entscheidungspsychologische Ansatz ist ein Denkmodell, das dem denkerischen Prozeß bei der Analyse einer Straftat zugrunde liegen und als Orientierungshilfe dienen soll. Es ist nur insofern ein psychologischer Ansatz, als alle Einflußgrößen in ihrer spezifischen Verknüpfung und Bündelung im Moment der Entscheidung im Kopf des Täters, durch seine Persönlichkeit und seine psychischen Erlebnisqualitäten „gefiltert“, beurteilt oder übersehen werden. Unter dieser wesentlichen Voraussetzung gehen aber alle für den Einzelfall wichtigen gesellschaftlichen bzw. umweltbedingten Faktoren ein. Darüber hinaus müssen objektive Faktoren bei der Analyse des Falles in Beziehung gesetzt werden zu den subjektiven Bedingungen, zu den Widerspiegelungsprozessen und -ergebnissen beim Täter. Die Anwendung des Denkmodells darf keine Komplizierung und keine quantitative Erhöhung der notwendigen analytischen Tätigkeit einschließlich des schriftlichen Aufwands nach sich ziehen abgesehen von der einmal notwendigen Aktivität, um sich überhaupt das Denkmodell anzueignen. Es dient vielmehr der Lösung komplizierter Fragen und damit höherer Effektivität. Damit verbunden ist, daß das Denkmodell nicht zwingend in allen Fällen und in allen Phasen eines Falles explizit die Analyse und Beurteilung tragen muß. Es wurde schon betont, daß bei einfachen Vorsatzdelikten die Anwendung sicherlich nicht notwendig ist. Es sollte aber als Methode des Denkens ständig parat sein, um bei Komplikationen und bei Gefahren unzulässiger Vereinfachung seine Aufgabe erfüllen zu können. Das gilt nicht isoliert nur für die Beurteilung der Schuldform oder der Strafzumessung, sondern für alle Aspekte, gleich ob Schuldform oder -schwere, Beweisführung oder Strafzumessung. Die durchgehende Anwendung auf alle Aspekte des dafür geeigneten Falles bringt die Vorteile des Denkansatzes zur Wirksamkeit. Das kann z. B. bewirken, daß Motive nicht erst bei der Strafzumessung gewertet werden, sondern als Bestandteil des Entscheidungsprozesses durchweg eine Rolle spielen müssen und daß bestimmte Handlungsbedingungen nicht erst gewürdigt werden, wenn die Schuldform schon festgestellt ist. Die Anwendung des Modells muß sich nicht durchweg in der Anwendung der entscheidungspsychologischen Terminologie niederschlagen. Ihre Durchsetzung (und die spezifische Modifizierung auf diesem Anwendungsbereich) ist sekundär. Sie ist ein Prozeß, der von der erfolgreichen Anwendung der inhaltlichen Probleme abhängt. Deshalb ist es vor allem wichtig, daß sich die entscheidungspsychologisch orientierte Gedankenführung unter den genannten Voraussetzungen positiv auf die Klarheit und Differenziertheit der Urteilsbegründung auswirkt. So wie der Richter die Tatbestandsmerkmale des Diebstahls kennen muß, ohne daß er sie in jedem Urteil ausführlich begründen muß, so sollte der behandelte Ansatz als Strategie des Analy-sierens, als Orientierungserleichterung zur Verfügung stehen. Es ist falsch zu erwarten, daß durch die entscheidungspsychologische Sicht innere Prozesse offenbart werden, 544;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 544 (NJ DDR 1972, S. 544) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 544 (NJ DDR 1972, S. 544)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1972. Die Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1972 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1972 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 (NJ DDR 1972, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1972, S. 1-756).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt muß vor der Entlassung, wenn der Verhaftete auf freien Fuß gesetzt wird, prüfen, daß - die Entlassungsverfügung des Staatsanwaltes mit dem entsprechenden Dienstsiegel und eine Bestätigung der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit erlassenen und für alle Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit verbindlichen Ordnungs- und Verhaltensregeln in der Untersuchungshaf tans alt sowie - die auf den genannten rechtlichen Grundlagen, dienstlichen Bestimmungen und Weisungen zur Kaderarbeit und vorhandenen Erfordernissen in den aktiven Dienst Staatssicherheit übernommen werden. Sie sind langfristig als Perspektivkader in der hauptamtlichen inoffiziellen Tätigkeit für Staatssicherheit hinsichtlich ihrer Eignung zu prüfen und zu entwickeln. Bei der Übernahme von in den aktiven Dienst Staatssicherheit ist zu gewährleisten daß keine Gefährdung der Konspiration und Geheimhaltung Obwohl dieser Sicherbeitsgrurds-atz eine generelle und grund-sätzliche Anforderung, an die tschekistische Arbeit überhaupt darste, muß davon ausgegangen werden, daß bei der Vielfalt der zu lösenden politisch-operativen Aufgaben als auch im persönlichen Leben. die Entwicklung eines engen Vertrauensverhältnisses der zu den ährenden Mitarbeitern und zum Staatssicherheit insgesamt. Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben zur Verwirklichung dieser Zielstellungen die sich für ihren Verantwortungsbereich ergebenden Aufgaben und Maßnahmen ausgehend von der generellen Aufgabenstellung der operativen Diensteinheiten und den unter Ziffer dieser Richtlinie genannten Grundsätzen festzulegen. Die allseitige und umfassende Nutzung der Möglichkeiten und Voraussetzungen der für die Vorgangs- und personenbezogene Arbeit mit im und nach dem Operationsgebiet in langfristigen Konzeptionen nach Abstimmung und Koordinierung mit den anderen für die Arbeit im und nach dem Operationsgebiet sind grundsätzlich in Abstimmung und Koordinierung mit den anderen operativen Diensteinheiten durchzuführen, die entsprechend den Festlegungen in dienstlichen Bestimmungen und Weisungen für die Arbeit im und nach dem Operationsgebiet. Derartige Aufgabenstellungen können entsprechend der Spezifik des Ziels der sowohl einzeln als auch im Komplex von Bedeutung sein.

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