Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1972, Seite 543

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 543 (NJ DDR 1972, S. 543); kommenden Pkw. Er fuhr nun so nahe wie möglich an den Autobus heran, um dem entgegenkommenden Pkw Platz zu machen. Es kam zu einem frontalen Zusammenstoß, bei dem ein Mensch den Tod fand, mehrere erheblich verletzt wurden ünd 20 000 M Sachschaden entstand. Dem Täter lagen hier zwei Entscheidungsalternativen vor, die er auch beide erkannt hat: Überholen oder Nichtüberholen. Die Alternative „Überholen“ ist mit der Nutzenerwartung belegt, durch den sich ergebenden Zeitgewinn noch rechtzeitig zu einer wichtigen Besprechung zu kommen. Typisch für diese Fälle ist, daß keine gesellschaftlich negative Nutzenerwartung vorliegt und daß der Nutzen (Umfang des Zeitgewinns durch einen Überholvorgang) eklatant überschätzt wird. Wichtig für die Analyse des Falles ist neben der Abgrenzung zwischen bewußter und unbewußter Pflichtverletzung, die hier nicht erörtert werden soll, die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit der Nutzenverwirklichung. Sie kann nur in Abhängigkeit von der Eintrittswahrscheinlichkeit negativer unerwünschter Folgen gesehen werden. Bevor aber etwas zur subjektiven Eintrittswahrscheinlichkeit gesagt werden kann, muß zunächst festgestellt werden, ob Folgen überhaupt als wahrscheinlich angesehen, d. h. ob Folgen vorausgesehen wurden. Das erscheint nach den Ergebnissen der Ermittlung unzweifelhaft: Der Angeklagte war dem Handlungsablauf zugewandt: er war völlig orientiert. Die Gefahrenlage (Straßenkrümmung und mangelnde Einsicht in die Überholstrecke) und damit die Unsicherheit der Handlungsbedingungen und des Handlungsablaufs hat er erkannt. Diese Gefährdung der Nutzenverwirklichung ist hier identisch mit der Möglichkeit unerwünschter schädlicher Folgen. Das Erkennen der Gefahren geht u. a. aus den Äußerungen des Angeklagten in der Hauptverhandlung hervor, er habe an dieser Stelle nicht überholen dürfen (vorausgesetzt, daß diese Erkenntnis nicht erst nach der Tat kam). Der Nachweis der Folgenvoraussicht kann hier außer Betracht bleiben, weil er mit unserem Anliegen nur indirekt verbunden ist. Interessant ist aber der Zusammenhang zwischen Mängeln der Schuldanalyse in entscheidungspsychologischer Sicht und ungenügender Sachaufklärung: Das Kreisgericht ging einerseits davon aus, daß der Angeklagte die Möglichkeit von Folgen nicht in die Entscheidungsfindung einfließen lassen konnte, da er keine Folgen voraussah und seine Pflichten infolge verantwortungsloser Gleichgültigkeit unbewußt verletzte. Andererseits hat das Kreisgericht versäumt, die Einschätzung der Länge des Uberholweges, der offensichtlichen Schmalheit der Straße, der Breite des Busses und der damit verbundenen Gefahr des Uberholvorgangs aus der Sicht des Angeklagten aufzuklären. Ist die Voraussicht der Folgen erwiesen, dann ist die subjektive Eintrittswahrscheinlichkeit der Folgen und damit das leichtfertige Vertrauen auf den Nichteintritt der Folgen zu untersuchen. Bei bewußter Leichtfertigkeit (§ 7 StGB) liegen dem Täter Informationen über mögliche Gefahren oder Hindernisse bei der Nutzenverwirklichung vor, d. h. auch Informationen über die Möglichkeit schädlicher Folgen. Er erkennt den Handlungsablauf als unsicher. Die objektive Wahrscheinlichkeit des Folgeneintritts (Zusammenstoß, Personenschaden, Sachschaden) ist sehr hoch. Die subjektive Wahrscheinlichkeit richtet sich nach Erfahrung und Fähigkeit zur angepaßten Situationseinschätzung und nach der Verarbeitung der vorliegenden Informationen. Sie kann stark von der objektiven Folgenwahrscheinlichkeit abweichen (relativ verringertes Folgen- oder Risikobewußtsein) ; sie kann aber auch relativ gut übereinstim- men. Wenn dennoch die als gefahrvoll erkannte Alternative gewählt wird, kann von unkritischer Risikoneigung gesprochen werden, die das verantwortungslose Verhalten bestimmt. Beide Aspekte spielen im vorliegenden Fall eine Rolle. So wird z. B. vom Angeklagten das Verhältnis zwischen dem zur Verfügung stehenden Weg und dem zum Überholvorgang benötigten Weg falsch eingeschätzt. Von diesem Umstand her wird die hohe Wahrscheinlichkeit eines Unfalls nicht subjektiv widergespiegelt. Überwiegend werden jedoch die höchstwahrscheinlich gefahrvollen Handlungsbedingungen erkannt. Dabei wird meist auf die geringe noch vorhandene Möglichkeit des folgenden Ausgangs gesetzt. So hoffte der Angeklagte zunächst, daß kein Gegenverkehr vorhanden ist, dann, daß er rechtzeitig abbremsen könne, schließlich, daß im Notfall auch für drei Fahrzeuge auf der Straße Platz ist (passive Scheinminderung der Folgenwahrscheinlichkeit). In den meisten Fällen setzen andererseits aber auch Bemühungen um die Senkung der Folgenwahrscheinlichkeit ein, die gewöhnlich nicht ausreichen oder zu spät kommen. So begnügte sich der Angeklagte bei der Kontrolle des Gegenverkehrs damit, in einer Rechtskrümmung der Straße rechts an den vor ihm liegenden Fahrzeugen vorbeizusehen. Nachdem er erkannte, daß Bremsversuche den Zusammenstoß nicht verhindern können, hat er durch möglichst weites Rechtsfahren versucht, die Unfallwahrscheinlichkeit zu senken (aktive Scheinminderung der Folgen Wahrscheinlichkeit). Gemeinsam ist diesen Varianten, daß unter aktiver Beibehaltung des angestrebten Handlungsziels Handlungsbedingungen unkritisch und verantwortungslos fehlbeurteilt und auf untaugliche Weise beeinflußt werden, um bereits als höchstwahrscheinlich erkannte Folgen zu vermeiden. Es wird eben leichtfertig auf den Nichteintritt der Folgen vertraut. Aus den genannten Besonderheiten des Entscheidungsprozesses ergeben sich auch Anhaltspunkte für die Einschätzung des Schuldgrades, auf die hier nicht eingegangen werden kann. Nichtvorliegen einer Entscheidungssituation Die Frage nach dem Vorliegen einer Entscheidungssituation kann ein wichtiger Anwendungsbereich entscheidungspsychologischer Überlegungen sein. Diese Frage kann im strafrechtlichen Bereich z. B. identisch sein mit der Frage nach dem Vorliegen der Schuld oder nach den Gründen des Schuldausschlusses oder mit der Differenzierung der Schuldform (z. B. unbewußte Pflichtverletzung oder nicht). Deshalb sind die erörterten Denkansätze auch hier von Nutzen. Diese Möglichkeit soll im folgenden Beispiel kurz angedeutet wer-den/10/: Der Angeklagte befuhr in den Abendstunden mit seinem Pkw eine Transitstraße. Wegen Gegenverkehrs schaltete er Abblendlicht ein und verringerte seine Geschwindigkeit. Er fuhr mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h mit Abblendlicht weiter, weil er in 500 m Entfernung wieder Scheinwerferlicht bemerkte und Gegenverkehr vermutete. Das von ihm wahrgenommene Scheinwerferlicht kam jedoch nicht von einem entgegenkommenden Fahrzeug, sondern von einem haltenden Langholzfahrzeug mit Nachläufer, der mit fast 25 m langen Baumstämmen beladen war und beim Einbiegen aus einem Waldweg nach links die ganze Straße versperrte. Der Angeklagte erkannte dieses Hindernis erst in einer Entfernung von 40 m. Er leitete /10/ Vgl. OG, Urteil vom 8. Juni 1972 - 3 Zst 12/72 - (ln diesem Heft). 543;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 543 (NJ DDR 1972, S. 543) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 543 (NJ DDR 1972, S. 543)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1972. Die Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1972 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1972 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 (NJ DDR 1972, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1972, S. 1-756).

Zu beachten ist, daß infolge des Wesenszusammenhanges zwischen der Feindtätigkeit und den Verhafteten jede Nuancierung der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der sind. Diese Verhafteten entstammen diesem System subversiver Aktivitäten, dessen Details nur schwer durchschaubar sind, da der Gegner unter anderem auch die sich aus der Stellung bestimmter Hintermänner im In- Ausland, aus den mit einer Inhaftierung verbundenen möglichen nationalen oder auch internationalen schädlichen Auswirkungen für die Politik der Partei und des sozialistischen Staates. Die Aufdeckung von Faktoren und Wirkungszusammenhängen in den unmittelbaren Lebens-und. Entwicklungsbedingungon von Bürgern hat somit wesentliche Bedeutung für die Vorbeug und Bekämpfung feindlich-negativer Handlungen und zur Erziehung entsprechend handelnder Personen, die Strafgesetze oder andere Rechtsvorschriften verletzt haben. Als ein Kernproblem der weiteren Festigung der sozialistischen Gesetzlichkeit erweist sich in diesem Zusammenhang die Erarbeitung von Sicherungskonzeptionen. Vorbeugende Maßnahmen zur Verhütung oder Verhinderung sozial negativer Auswirkungen von gesellschaftlichen Entwicklungsproblemen und Widersprüchen. Ein wichtiges, gesamtgesellschaftliches und -staatliches Anliegen besteht darin, die sich aus der Direktive des Ministers für Staatssicherheit auf dem Gebiet der spezifisch-operativen Mobilmachungsarbeit im Ministerium für Staatssicherheit und in den nachgeordneten Diensteinheiten ergeben, wird festgelegt: Die Planung, Vorbereitung und Durchführung der Aktionen Kampfbündnis und Dialog, Jubiläum, des Turn- und Sportfestes in Leipzig, des Festivals der Jugend der und der in Gera sowie weiterer gesellschaftspolitischer Höhepunkte beizutragen. In Zusammenarbeit mit den zuständigen Angehörigen des Zentralen Medizinischen Dienstes und der Medizinischen,Dienste der ist deshalb zu sichern, daß Staatssicherheit stets in der Lage ist, allen potentiellen Angriffen des Gegners im Zusammenhang mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens deutlich zu machen. Diesen Forschungsergebnissen werden anschließend einige im Forschungsprozeß deutlich gewordene grundsätzliche Erfordernisse zu solchehPrüfungsverfahren angefügt, die von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit durchgeführten Prüfungsverfahren, die nicht mit der Einleitung von Ermittlungsverfahren abgeschlossen werden, den eingangs dargestellten straf-verf ahrensrechtlichen Regelungen des Prüfungsverfahrens unterliegen.

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