Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1972, Seite 508

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 508 (NJ DDR 1972, S. 508); dingungen des Verhaltens des Beschuldigten. Darunter werden jedoch keine uferlosen Ermittlungen verstanden, sondern ein konkretes, differenziertes Vorgehen. Demzufolge kann es im Ermittlungsverfahren nur um die Ermittlung der Ursachen und Bedingungen gehen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der begangenen Straftat stehen. Dieser Zusammenhang ist dann gegeben, wenn es sich um Ursachen und Bedingungen handelt, die den Täter zum verantwortungslosen Handeln bestimmt haben (vgl. auch § 5 Abs. 2 StGB als eine Regelung, die nicht nur für die Feststellung der Art und Schwere der Schuld gilt, sondern allgemeine Bedeutung auch für die Auslegung von § 101 Abs. 2 StPO hat). Der Zusammenhang ist auch dann zu bejahen, wenn es sich um Bedingungen handelt, die die Straftat erleichtert, begünstigt oder ermöglicht haben. Dabei kann es sich nur um wesentliche und tatbezogene Faktoren handeln. Im übrigen sollten sich die Ermittlungen vor allem auf solche Bedingungen konzentrieren, deren Beseitigung zur Verhütung erneuter Straftaten in kurzer Zeit und mit gesellschaftlich vertretbaren Maßnahmen möglich erscheint. Das wird bei- spielsweise dann der Fall sein, wenn Ungesetzlichkeiten die Begehung einer Straftat begünstigt haben. Für eine solche Begrenzung des Ermittlungsumfangs spricht die Tatsache, daß die Ursachen der Kriminalität im allgemeinen und bei einer Reihe von Straftaten auch in ihren konkreten Erscheinungsformen bekannt sind. Gleiches gilt für die Tatsache, daß sie als Rudimente der überlebten Ausbeutergesellschaft zählebig sind und ihre Überwindung nur im Ergebnis eines langjährigen Prozesses möglich ist. Dazu bedarf es nicht immer wieder erneuter Feststellungen. Dagegen gibt es eine Reihe von Bedingungen, die in der gegenwärtigen Etappe der gesellschaftlichen Entwicklung veränderbar und beeinflußbar sind. Die Ermittlung derartiger Bedingungen erfordert in der Regel keinen großen Aufwand, und es kann gegen sie mit hohen Wirksamkeit vorgegangen werden. Das muß in der Praxis zu abgewogeneren und realeren Forderungen an Maßnahmen zu ihrer Beseitigung führen, bei denen der gesellschaftliche Aufwand im richtigen Verhältnis zum Charakter der betreffenden Straftat und den Gefahren der Begehung weiterer ähnlicher Straftaten steht. Zur Diskussion Rechtsanwalt Dr. GERHARDT PEIN, Arnstadt, Vorsitzender des Kollegiums der Rechtsanwälte im Bezirk Erfurt Zur Tätigkeit des Verteidigers im sozialistischen Strafverfahren Das Recht auf Verteidigung ist ein in der Verfassung garantiertes Grundrecht. Es wird jedem Beschuldigten oder Angeklagten während des gesamten Strafverfahrens gewährleistet (Art. 102 Abs. 2 der Verfassung). Die Funktion der Verteidigung und die Aufgaben des Verteidigers sind in der Verfassung und in der Strafprozeßordnung eindeutig geregelt. Pompoes/Schind-ler haben die Bedeutung der Verteidigung für die Wahrheitsfindung unterstrichen. Mit ihren Schlußfolgerungen für den Fall der Verhinderung des Verteidigers (§§ 217 Abs. 2, 65 Abs. 1 und 2 StPO) hoben sie die gesellschaftliche Funktion der Verteidigung und die Verantwortung nicht nur der Gerichte, sondern auch der Rechtsanwälte für die Erfüllung der Aufgaben des Strafverfahrens hervor./l/ Aufgaben und Stellung des Verteidigers Die Strafprozeßordnung vom 12. Januar 1968 hat die Stellung des Verteidigers wesentlich verstärkt und ihm auch Wege für die Aktivierung seiner Tätigkeit im Ermittlungsverfahren eröffnet (z. B. die Möglichkeit, mit dem Beschuldigten bzw. Angeklagten jederzeit in der Haft zu sprechen; das Recht auf Akteneinsicht vor Abschluß der Ermittlungen; die Teilnahme des Verteidigers an den von ihm beantragten Beweiserhebungen im Ermittlungsverfahren [§ 64 StPO]). Die Strafprozeßordnung gestaltet die Rechte des Verteidigers unter Beachtung der Grundaufgabe des Strafverfahrens aus. Die Tätigkeit des Verteidigers hat der gerechten Anwendung des sozialistischen Strafrechts und damit" dem Schutz der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung und jedes Bürgers zu dienen. So wird z. B. auch mit den Regelungen über die Aufgaben, Rechte und Befugnisse des Verteidigers gesichert, daß jeder Schuldige, aber kein Unschuldiger strafrechtlich 11/ Vgl. Pompoes/Schindler, „Zur Wahrung des Rechts auf Verteidigung“, NJ 1971 S. 671. zur Verantwortung gezogen wird (vgl. § 1 Abs. 1 StPO). Unter diesem Gesichtspunkt muß auch die Regelung gesehen werden, daß die Akteneinsicht vor Abschluß der Ermittlungen davon abhängt, ob sie ohne Gefährdung der Untersuchung möglich ist (§64 Abs. 2 StPO). Gleiches gilt für die Regelung, daß der Staatsanwalt während des Ermittlungsverfahrens die Sprecherlaubnis unter Auflagen erteilen kann, „damit der Zweck der Untersuchung nicht gefährdet wird“ (§ 64 Abs. 3 StPO), oder daß er die Teilnahme des Verteidigers an einer von diesem beantragten Beweisaufnahme (z. B. an der Vernehmung eines Entlastungszeugen) versagen kann, wenn dadurch eine „Gefährdung der Untersuchung“ eintreten kann (§64 Abs. 2 StPO). Es entspricht der sozialistischen Gesetzlichkeit, daß der Staatsanwalt von den erwähntet Einschränkungen nur Gebrauch macht, wenn der Untersuchungszweck konkret gefährdet wird. In allen anderen Fällen ist er verpflichtet, im Interesse der Verwirklichung der Grundprinzipien des sozialistischen Strafprozesses die Mitwirkung des Verteidigers an der allseitigen, unvoreingenommenen und rechtzeitigen Aufklärung der Straftat in jeder Lage des Verfahrens zu gewährleisten (§ 16 Abs. 1 StPO). Nach der Strafprozeßordnung obliegt es dem Verteidiger, „den Beschuldigten und den Angeklagten zu beraten. Er hat zur Aufklärung der Straftat alle entlastenden oder die Verantwortlichkeit mindernden Umstände vorzutragen und dem Beschuldigten oder dem Angeklagten die erforderliche Unterstützung zur Wahrnehmung seiner Rechte zu gewähren“ (§ 16 Abs. 1 StPO). Der Verteidiger darf daher unter keinen Umständen zum Ankläger werden. Ebensowenig darf der Beschuldigte oder Angeklagte dadurch, daß er sich einen Verteidiger gewählt hat oder ihm einer bestellt wurde, schlechter gestellt werden als der, der sich keines Verteidigers bedient. Der Verteidiger darf deshalb Tatsachen und Umstände, die ihm der Beschuldigte 508;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1972. Die Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1972 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1972 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 (NJ DDR 1972, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1972, S. 1-756).

Die Zusammenarbeit mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane wurde zum beiderseitigen Nutzen weiter vertieft. Schwerpunkt war wiederum die Übergabe Übernahme festgenommener Personen sowie die gegenseitige Unterstützung bei Beweisführungsmaßnahmen in Ermittlungsver- fahren auf der Grundlage von Arbeitsergebnissen Staatssicherheit eingeleitet werden konnten, an der Gesamtzahl der wegen Staatsverbrechen eingeleiteten Ermittlungsverfahren annähernd gleichgeblieben., Der Anteil von Ermittlungsverfahren, denen registriertes operatives Material zugrunde liegt, an der Gesamtzahl der in Bearbeitung genommenen Verfahren, entwickelte sich seit folgendermaßen:, Bei Verfahren wegen Staatsverbrechen hat der Anteil des operativen Materials folgende Entwicklung genommen:, Der Anteil registrierten operativen Materials an der Gesamtzahl der bearbeiteten Ermittlungsverfahren. Darunter befanden sich Personen oder, der insgesamt in Bearbeitung genommenen Beschuldigten, die im Zusammenhang mit rechtswidrigen Ersuchen auf Übersiedlung in das kapitalistische Ausland und Westberlin begangener Straftaten verhaftet waren, hatten Handlungen mit Elementen der Gewaltanwendung vorgenommen. Die von diesen Verhafteten vorrangig geführten Angriffe gegen den Untersuchungshaftvollzug sich in der Praxis die Fragestellung, ob und unter welchen Voraussetzungen Sachkundige als Sachverständige ausgewählt und eingesetzt werden können. Derartige Sachkundige können unter bestimmten Voraussetzungen als Sachverständige fungieren. Dazu ist es notwendig, daß sie neben den für ihren Einsatz als Sachkundige maßgeblichen Auswahlkriterien einer weiteren grundlegenden Anforderung genügen. Sie besteht darin, daß das bei der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens erzielten Ergebnisse der. Beweisführung. Insbesondere im Schlußberieht muß sich erweisen, ob und in welchem Umfang das bisherige gedankliche Rekonstrukticnsbild des Untersuchungsführers auf den Ergebnissen der strafprozessualen Beweisführung beruht und im Strafverfahren Bestand hat. Die Entscheidung Ober den Abschluß des Ermittlungsverfahrens und über die Art und Weise der Aufdeckung der Straftat für den Beschuldigten erkennbaren realen oder vermuteten Beweisführungs-möglichkeiten bestimmten entscheidend die Entstehung von Verhaltensdispositionen mit. Durch jegliche Maßnahmen, die für den Beschuldigten als Zusammenhang mit der Aufklärung der strafbaren Handlungen erkennbar sind oder erscheinen, werden bereits vor der ersten Beschuldigtenvernehmung wesentliche Bedingungen der späteren Aussagetätigkeit Beschuldigter festgelegt.

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