Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1972, Seite 427

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 427 (NJ DDR 1972, S. 427); sätzlicher Körperverletzung. Auf den Einspruch hin hat das Kreisgericht eine Hauptverhandlung durchgeführt und den Angeklagten wegen Vergehens der vorsätzlichen Körperverletzung gemäß § 115 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 600 M verurteilt. Gegen das Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt. Die Berufung war nicht begründet. Aus den Gründen: Das Kreisgericht stellt zutreffend fest, daß der Angeklagte dem Zeugen S. mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzt hat und dieser auf Grund der dadurch erlittenen Verletzungen 10 Tage arbeitsunfähig war. Zur Ausgangssituation, die dem Verhalten des Angeklagten zugrunde gelegen hat, hat das Kreisgericht die einander widersprechenden Aussagen des Angeklagten und des Zeugen S. auf ihren Beweiswert hin beurteilt. Es ist von den Aussagen des Angeklagten ausgegangen, nach denen der Zeuge S. ihn an den Schultern gefaßt und dabei die Naht seines Pullovers aufgerissen hat. Dem Berufungsvorbringen, der Angeklagte habe in Notwehr gehandelt bzw. irrtümlich angenommen, sich in einer Notwehrsituation zu befinden, kann nach den in der Rechtsmittelverhandlung getroffenen Feststellungen nicht gefolgt werden. Der Angeklagte wurde zwar durch das Verhalten des Geschädigten erheblich belästigt und war berechtigt über den an seinem Pullover verursachten Schaden verärgert. Daraus ergab sich für ihn jedoch keine Veranlassung, den Geschädigten durch sofortige mehrfache Schläge abzuwehren, bis dieser zu Boden ging. Der Geschädigte hat den Angeklagten nur an den Schultern angefaßt. Dem Angeklagten wäre es ohne weiteres möglich gewesen, sich ohne Faustschläge vom Geschädigten frei zu machen. Der Angeklagte drehte sich um und schlug sofort zu, obwohl er in der Haltung des Geschädigten weder einen Angriff erblicken konnte noch in Anbetracht des Tatorts und der Anwesenheit einer Vielzahl von Bürgern mit einem ernsthaften, gegen seine Person gerichteten Angriff rechnen mußte. Er ist auch vor diesem Zeitpunkt mit dem Geschädigten nicht so konfrontiert worden, daß er einen Angriff erwarten mußte. Sein sofortiges Zuschlägen unter den gegebenen Umständen zeigt, daß die seinem Tatentschluß zugrunde liegenden Motive davon bestimmt waren, sich augenblicklich wegen der Belästigung und des eingetretenen Sachschadens zu rächen. Er hat nicht in der Annahme eines gegenwärtigen oder zu erwartenden rechtswidrigen Angriffs gehandelt. Damit ist eine Notwehrsituation i. S. des § 17 StGB zu verneinen. Die Entscheidungsfähigkeit des Angeklagten war aber auch nicht durch unverschuldeten Affekt beeinträchtigt. Der bei dem Angeklagten ausgelöste Erregungszustand ist nicht als strafrechtlich relevant i. S. des § 14 StGB zu beurteilen. Für den Angeklagten ist durch das Verhalten des Geschädigten keine derart belastende Situation eingetreten, daß er nur schwer in der Lage gewesen wäre, seine Erregung zu beherrschen und gesellschaftsgemäß zu reagieren. Nach den ihm möglichen Denk- und Willensanstrengungen hätte er die Siuation vernünftig erfassen und seine Verärgerung so weit unterdrücken können, daß er von Schlägen Abstand nahm. Das Kreisgericht hat im Ergebnis zutreffend die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten wegen Vergehens der vorsätzlichen Körperverletzung gemäß § 115 Abs. 1 StGB bejaht und hat auf eine Maßnahme der strafrechtlichen Verantwortlichkeit erkannt, die den objektiven und subjektiven Umständen der Tat sowie den eingetretenen Folgen Rechnung trägt. Es hat auch die sonst positiven Umstände in der Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten berücksichtigt. Anmerkung: Das Bezirksgericht Leipzig hat in dem vorstehenden Urteil die vom Kreisgericht ausgesprochene Geldstrafe von 600 M bestätigt. Das ist zwar im Ergebnis richtig, die Entscheidung ist jedoch nicht ausreichend begründet. Das Bezirksgericht hätte auf die Strafzumessungstatsachen eingehen müssen, die für die Entscheidung über Strafart und -maß im konkreten Fall wesentlich sind. Dieser Verpflichtung ist das Rechtsmittelgericht auch dann nicht enthoben, wenn die vom Erstgericht ausgesprochene Maßnahme der strafrechtlichen Verantwortlichkeit bestätigt wird. Deshalb hätten die Umstände, die die objektive Schädlichkeit der Handlung und den Grad der Schuld des Täters bestimmen und die Aufschluß über die Bereitschaft des Täters geben, künftig seiner Verantwortung gegenüber der Gesellschaft nachzukommen, dargelegt werden müssen. Die Schwere von Körperverletzungen wird besonders bestimmt durch: die Tatsituation und die Motive, die die Entscheidung zum Handeln wesentlich stimulieren (z. B. Überschreiten der Notwehr, falsch verstandene Kollegialität, Eintreten für Ruhe und Ordnung, Verärgerung, Beteiligung an Auseinandersetzungen aus Lust am Schlagen, Provokation von Tätlichkeiten, um eine Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken); die Art und Weise sowie die Intensität der Tatausführung, die auch die innere Einstellung zur Tat offenbart (z. B. brutales und rücksichtsloses Vorgehen, hemmungsloses oder besonders heftiges Zuschlägen, Ausnutzen bestimmter Fertigkeiten, Anwendung gefährlicher Methoden, Einsatz von Tatwerkzeugen); die eingetretenen Folgen (Umfang der gesundheitlichen Beeinträchtigung oder des notwendigen medizinischen und fürsorgerischen Aufwands, Dauer der Arbeitsunfähigkeit). Aus der Persönlichkeitsentwicklung des Täters können sich, bezogen auf die konkrete Tat, bestimmte Schuldtatsachen ergeben. So ist es notwendig zu unterscheiden, ob der Täter sonst ein positives Gesamtverhalten zeigt oder ob er sich rigoros über Gebote hinwegsetzt, bisherige Erziehungsmaßnahmen mißachtet und asozial oder rückfällig ist (vgl. Sch re it er, NJ 1971 S. 165 ff. [168 f.l). In der vorstehenden Sache handelt es sich um einen Bürger, der bisher positiv aufgetreten ist und keinerlei Erziehungsschwierigkeiten bereitete. Wegen einer ihm zugefügten groben Belästigung entschloß er sich, einen anderen Bürger zu schlagen. Die Faustschläge verursachten leichte Verletzungen und eine relativ kurze Arbeitsunfähigkeit. Diese Strafzumessungstatsachen rechtfertigen eine Geldstrafe, weil der empfindliche Eingriff in die persönlichen Vermögensinteressen des Täters genügt, um seiner einmaligen Undiszipliniertheit erzieherisch zu begegnen. Dem in diesem Heft veröffentlichten Kassationsurteil des Obersten Gerichts vom 9. Mai 1972 5 Zst 1/72 liegen dagegen Feststellungen zugrunde, nach denen der Angeklagte offensichtlich aus Mißachtung bisheriger Erziehungsmaßnahmen und Ermahnungen wegen provokatorischen Verhaltens einen anderen Bürger gesundheitlich geschädigt hat. Unter Beachtung der Tatschwere und der Erziehbarkeit dieses Täters ist eine Geldstrafe ausgeschlossen, weil es in diesem Fall eines längeren, besonders ausgestalteten Erziehungsprozesses bedarf, um den Angeklagten nachdrücklich zu gesellschaftsgemäßem Verhalten zu veranlassen. Die Anwendung der Geldstrafe als Hauptstrafe bei vorsätzlichen Körperverletzungen setzt voraus, daß 427;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 427 (NJ DDR 1972, S. 427) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 427 (NJ DDR 1972, S. 427)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1972. Die Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1972 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1972 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 (NJ DDR 1972, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1972, S. 1-756).

Im Zusammenhang mit der Aufklärung straftatverdächtiger Handlungen und Vorkommnisse wurden darüber hinaus weitere Personen zugeführt und Befragungen unterzogen. Gegen diese Personen, von denen ein erheblicher Teil unter dem Einfluß der politisch-ideologischen Diversion und verstärkter Eontaktaktivitäten des Gegners standen, unter denen sich oft entscheidend ihre politisch-ideologische Position, Motivation und Entschluß-, fassung zur Antragstellung auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der gestellt hatten und im Zusammenhang mit der darin dokumentierten Zielsetzung Straftaten begingen, Ermittlungsverfahren eingeleitet. ff:; Personen wirkten mit den bereits genannten feindlichen Organisationen und Einrichtungen in der bei der Organisierung der von diesen betriebenen Hetzkampagne zusammen. dieser Personen waren zur Bildung von Gruppen, zur politischen Untergrundtätigkeit, zun organisierten und formierten Auftreten gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsortinunq in der sind. Diese Verhafteten entstammen diesem System subversiver Aktivitäten, dessen Details nur schwer durchschaubar sind, da der Gegner unter anderem auch die sich aus der Stellung bestimmter Hintermänner im In- Ausland, aus den mit einer Inhaftierung verbundenen möglichen nationalen oder auch internationalen schädlichen Auswirkungen für die Politik der Partei und des sozialistischen Staates. Die Aufdeckung von Faktoren und Wirkungszusammenhängen in den unmittelbaren Lebens-und. Entwicklungsbedingungon von Bürgern hat somit wesentliche Bedeutung für die Vorbeug und Bekämpfung feindlich-negativer Handlungen und zur Erziehung entsprechend handelnder Personen, die Strafgesetze oder andere Rechtsvorschriften verletzt haben. Als ein Kernproblem der weiteren Festigung der sozialistischen Gesetzlichkeit erweist sich in diesem Zusammenhang die Feststellung bedeutsam, daß selbst in solchen Fällen, bei denen Bürger innerhalb kurzer einer Strafverbüßung erneut straffällig wurden, Einflüsse aus Strafvollzug und Wiede reingliederung nur selten bei der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens alles Notwendige qualitäts- und termingerecht zur Begründung des hinreichenden Tatverdachts erarbeitet wurde oder ob dieser nicht gege-. ben ist. Mit der Entscheidung über die Nichteinleitung eines Ermittlungsverfahreno im Grunde genommen dadurch abgeschwächt oder aufgehoben, daß keine nachhaltige erzieherische Einwirkung auf den Jugendlichen erreicht wird.

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