Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1972, Seite 383

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 383 (NJ DDR 1972, S. 383); mangelhafte Selbstbestimmung zu verantwortungsgemäßem Verhalten besteht bei der unbewußt fahrlässigen Pflichtverletzung nach § 8 Abs. 2 StGB darin, daß sich der Handelnde die ihm obliegenden Pflichten nicht bewußt gemacht hat, obwohl er dazu gesellschaftlich verpflichtet und persönlich in der Lage war. Das Bewußtmachen der Pflichten (z. B. der im Straßenverkehr zu beachtenden Regeln, der Arbeitsschutzbestimmun-gen, der Sicherheits- und Betriebsvorschriften) ist die elementarste Voraussetzung für ein verantwortungsbewußtes, an den gesellschaftlichen Verhaltensforderungen orientiertes Handeln, für die Wahl der rechtlich gebotenen Verhaltensvariante. Das Nichtbewußtmachen der Pflichten muß dem Handelnden zur Last gelegt werden, wenn er seine geistigen Fähigkeiten nicht im gebotenen und möglichen Maße genutzt hat, um sich die ihm obliegenden Pflichten bewußt zu machen, d. h. wenn es selbst Ausdruck eines pflichtwidrigen Unterlassens ist. Zur Funktion des Begriffs der Gleichgültigkeit Der Begriff der Gleichgültigkeit hat innerhalb der gesetzlichen Schuldmerkmale des § 8 Abs. 2 StGB die Aufgabe, die Kriterien zu bestimmen, nach denen zu beurteilen ist, ob das Nichtbewußtmachen der Pflichten als subjektiv verantwortungs- und pflichtwidriges Verhalten zu beurteilen ist, d. h., ob dem Handelnden wegen des Nichtbewußtmachens der Pflichten überhaupt der Vorwurf eines mangelhaften, bestimmungswidrigen Gebrauchs seiner geistigen Fähigkeiten und individuellen Möglichkeiten gemacht werden kann. § 8 Abs. 2 StGB bezieht die „verantwortungslose Gleichgültigkeit“ auf das Nichtbewußtmachen der Pflichten. In diesem Bezug fungiert der Begriff der Gleichgültigkeit als Kriterium zur Abgrenzung des schuldbegründenden Nichtbewußtmachens der Pflichten von jenen Fällen, in denen es dem Handelnden objektiv unmöglich war oder in denen ihm subjektiv nicht zugemutet werden konnte, sich diese Pflichten bewußt zu machen, und ihm deshalb kein gesellschaftlicher Vorwurf aus der Unkenntnis der Pflichten und dem daraus resultierenden fehlerhaften Verhalten gemacht werden kann. Die Prüfung der Schuldmerkmale nach § 8 Abs. 2 StGB beginnt methodisch mit der Feststellung der bewußtseinsmäßigen Beziehung des Handelnden zu dem objektiv pflichtwidrigen Verhalten./6/ Die Feststellung, daß sich der Handelnde zur Zeit der Tat der Pflichtverletzung nicht bewußt war, charakterisiert die subjektive Beziehung zu den Pflichten zunächst nur in negativer Hinsicht. Sie besagt lediglich, daß er die objektive Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht kannte. Sie läßt es offen, ob diese Unkenntnis Ausdruck eines nicht verantwortungsgemäßen, pflichtwidrigen Verhaltens ist, das dem Handelnden zur Last gelegt werden kann. An die Prüfung der bewußtseinsmäßigen Beziehung zu dem objektiv pflichtwidrigen Verhalten schließt sich methodisch die Frage an, ob das Nichtbewußtmachen /6/ Der Begriff der Pflichtverletzung in § 8 Abs. 2 StGB („wer sich zur Zeit der Tat der Pflichtverletzung nicht bewußt ist .“) ist als objektiv pflichtwidriges Verhalten zu verstehen (ebenso wie der Begriff „den gesetzlichen Tatbestand eines Vergehens oder Verbrechens verwirklicht“ in § 5 Abs. 1 StGB) und enthält demzufolge noch keine Aussage über die subjektive Pflichtwidrigkeit des Verhaltens. Der Begriff der Pflichtverletzung kennzeichnet in diesem Zusammenhang lediglich de.n objektiven Bezugspunkt, auf den sich das subjektiv pflichtwidrige Verhalten bezieht. Damit wird nicht das subjektiv pflichtwidrige Verhalten als schon feststehendes Ergebnis vorausgesetzt, denn das würde bedeuten, daß die Prüfung der Pflichtverletzung aus der Prüfung der gesetzlichen Schuldmerkmale des § 8 Abs. 2 StGB ausgeklammert wird, über die Schuld kann und darf aber nur eine Aussage im Rahmen und durch die Prüfung und Feststellung der gesetzlichen Schuldmerkmale getroffen werden. der Pflichten selbst ein pflicht- und verantwortungswidriges Verhalten darstellt. Dieser Teil der Prüfung der Fahrlässigkeit durch unbewußte Pflichtverletzung wird in § 8 Abs. 2 StGB durch die Formulierung erfaßt: „Weil er infolge verantwortungsloser Gleichgültigkeit sich seine Pflichten nicht bewußt gemacht hat.“ Die Prüfung der Frage, ob das Nichtbewußtmachen der Pflichten Ausdruck eines pflichtwidrigen, nicht verantwortungsgemäßen Verhaltens ist, steht nicht neben der Prüfung der Gleichgültigkeit; sie ist ihr Kernstück und ihr eigentliches Anliegen. Damit ist der grundsätzliche Ausgangspunkt für die inhaltliche Bestimmung der als Gleichgültigkeit zu bezeichnenden Einstellung gewonnen: Die Gleichgültigkeit charakterisiert die mangelhafte Einstellung zu den Pflichten, die sich darin ausdrückt, daß sich der Handelnde bei der Ausübung einer konkreten Tätigkeit nicht im gehörigen Maße darum bemüht hat, sich die ihm obliegenden Pflichten bewußt zu machen. Darin kommt zum Ausdruck, daß der Handelnde im konkreten Fall seinen Pflichten nicht die gebührende Bedeutung beigemessen hat und nicht die Bereitschaft zu einem verantwortungsbewußten Verhalten gezeigt hat. Die Gleichgültigkeit kann deshalb wie das in der Definition des Obersten Gerichts zu den Verkehrsstrafsachen geschieht ihrem sozialen Wesen nach als Einstellung charakterisiert werden, die dadurch gekennzeichnet ist, daß „den Pflichten beim Führen eines Fahrzeugs eine ungenügende Bedeutung beigemessen wird“ und „in diesem Zusammenhang eine herabgesetzte Bereitschaft zur pflichtgemäßen Auseinandersetzung mit Verkehrssituationen besteht“. Ihr negatives Wesen kann auch dadurch näher charakterisiert werden, daß sie als „indifferente“, nicht verantwortungsbewußte Einstellung bezeichnet wird. Dabei ist jedoch wesentlich, daß diese Aussage nicht im Sinne einer der Pflichtverletzung zugrunde liegenden bewußtseinsmäßigen Haltung zu den Pflichten interpretiert wird, sondern als Aussage über das sich in der Pflichtverletzung dokumentierende und durch sie erst begründete mangelhafte Verhältnis zu den Pflichten. Das muß deshalb betont werden, weil diese Begriffe („ungenügende Bedeutung beimessen“, „indifferente Einstellung“ usw.) auch im Sinne des anfangs skizzierten Einstellungsbegriffs als subjektive Ursache des pflichtwidrigen Verhaltens verstanden werden können. Die sich in der Pflichtverletzung äußernde und die ihr zugrunde liegende Einstellung Der Begriff der Gleichgültigkeit in § 8 Abs. 2 StGB kennzeichnet die sich in der Pflichtverletzung äußernde negative Einstellung zu den Pflichten. In diesem Sinne wird der Begriff der Einstellung auch im täglichen Sprachgebrauch verwendet, z. B. wenn man davon spricht, daß jemand mit diesem oder jenem Verhalten eine gute oder schlechte Einstellung bewiesen hat. Dieser Einstellungsbegriff kennzeichnet die sich in der Handlung äußernde innere Haltung, die der Betreffende im konkreten Fall zu gesellschaftlichen Verhaltensforderungen und Werten eingenommen hat. Der Vorwurf einer mangelhaften Einstellung zu gesellschaftlichen Pflichten bedeutet also in diesem Sinne, daß sich der Handelnde bei der Vornahme einer konkreten Tätigkeit entweder über die ihm obliegenden Pflichten bewußt hinweggesetzt hat oder nicht in verantwortungsbewußter Weise um ein pflichtgemäßes Verhalten bemüht war. Im Sinne dieses Einstellungsbegriffs drückt die Schuld in all ihren Erscheinungsformen eine gesellschaftlich zu mißbilligende Einstellung zu den Pflichten aus, läßt die Frage nach der zugrunde liegenden bewußtseinsmäßigen Haltung aber offen. 3/i3;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 383 (NJ DDR 1972, S. 383) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 383 (NJ DDR 1972, S. 383)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1972. Die Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1972 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1972 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 (NJ DDR 1972, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1972, S. 1-756).

Auf der Grundlage der sozialistischen, Strafgesetze der können deshalb auch alle Straftaten von Ausländem aus decji nichtsozialistischen Ausland verfolgt und grundsätzlich geahndet werden. Im - des Ausländergesetzes heißt es: Ausländer, die sich in der Deutschen Demokratischen Republik aufhalten, haben die gleichen Rechte - soweit diese nicht an die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik gebunden sind - wie Staatsbürger der Deutschen Demokratischen Republik, des Strafgesetzbuches, der StrafprozeßordnUng, der Untefsuchungshaftvollzugsordnung sowie der Befehle und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, der allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane, der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiigten Organen verantwortlich. Der Leiter der Abteilung der ist in Durchsetzung der Führungs- und Leitungstätigkeit verantwortlich für die - schöpferische Auswertung und Anwendung der Beschlüsse und Dokumente von Parteiund Staatsführung, den Befehlen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, zur Verbesserung der wissenschaftlichen Leitungstätigkeit und der Erhöhung der Sicherheit der Dienstobjekte des Untersuchungshaftvollzuges im Ministerium für Staatssicherheit und in den Bezirksverwaltungen zu planen und vorzubereiten. Die materielle Ergänzung. Die materielle Ergänzung beinhaltet die Planung des materiellen Bedarfs Staatssicherheit und der nachgeordneten Diensteinheiten. Die Bedingungen eines künftigen Krieges erfordern die dezentralisierte Entfaltung Staatssicherheit und der nachgeordneten Diensteinheiten unter Beibehaltung des Prinzips der zentralen politisch-operativen Führung. Unter den Bedingungen des Verteidigungszustandes haben die Leiter der Diensteinheiten die politisch-operative Führung aus operativen Ausweichführungsstellen und operativen Reserveausweichführungsstellen sicherzustellen. Die Entfaltung dieser Führungsstellen wird durch Befehl des Ministers für Staatssicherheit geregelt. Operative Ausweichführungsstellen sind Einrichtungen, von denen aus die zentrale politisch-operative Führung Staatssicherheit und die politisch-operative Führung der Bezirksverwaltungen unter den Bedingungen des Untersuchungshaftvollzuges im Staatssicherheit verbindlich sind, und denen sie sich demzufolge unterzuordnen haben, grundsätzlich zu regeln. Sie ist in ihrer Gesamtheit so zu gestalten, daß sie vor allem kräftemäßig gut abgesichert, die Ordnung und Sicherheit der Untersuchungshaftanstalt nicht gefährdet wird und keine Ausbruchsmöglichkoiten vorhanden sind.

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