Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1972, Seite 332

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 332 (NJ DDR 1972, S. 332); Das neue Betäubungsmittelgesetz der BRD ist ein Musterbeispiel von imperialistischer Klassengesetzgebung und juristischem Illusionismus. Das im „Aktionsprogramm zur Bekämpfung des Mißbrauchs von Drogen und Rauschmitteln“ von der BRD-Regierung gegebene Versprechen, bei der Neugestaltung des Opiumgesetzes von 1929 „die jetzt fehlende Differenzierung nach der Gefährlichkeit und der kriminalpolitischen Bedeutung der Zuwiderhandlungen“ vorzunehmen/84/, wurde nicht gehalten. So ist in den in § 11 Abs. 4 des Gesetzes fixierten „besonders schweren Fällen“, die mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsentzug bedroht sind, das gewerbsmäßige Handeln oder das Handeln als Mitglied einer Bande (sprich: Unternehmen) ebenso zu finden wie der bloße Besitz von Betäubungsmitteln „in nicht geringen Mengen“. Dieses undifferenzierte Anheben der Strafen für Rauschgiftdelikte im Sinne der BRD-Gesetzgebung hat die Finanzgewaltigen des Rauschgiftgeschäfts ungerührt gelassen. Sie wurden weder vor noch werden sie nach Erlaß des neuen Gesetzes zur Verantwortung gezogen. Selbst der Präsident der Interpol, D i c k o p f , gelangte im Hinblick auf das neue Betäubungsmittelgesetz zu dem ebenso begründeten wie resignierenden Schluß: „Dicke Fische werden wir hier in Deutschland wohl kaum noch aus dem Verkehr ziehen.‘785/ Statt dessen werden, wie BRD-Massenmedien prophezeien, die Rauschgiftgroßhändler auf die Verschärfung der Strafen mit einer Erhöhung der Preise für Rauschgift zu reagieren wissen/86/ und so aus der veränderten Gesetzgebung zusätzliches Kapital schlagen. Auch eine Reihe westdeutscher Juristen haben begriffen, daß mit der Erweiterung der Straftatbestände im neuen Betäubungsmittelgesetz vor allem die Rauschgiftkonsumenten getroffen werden./87/ Die strafpolitische Konzeption dieser Gesetzgebung ist also nicht gegen die sozialen Hauptstützen der Rauschgiftkriminalität, die Finanziers und Großhändler, sondern gegen die letzten Glieder in der Kette des Kriminalitätsgeschehens gerichtet, gegen die kleinen Händler, die von den Unternehmern der Rauschgiftbranche rücksichtlos ausgebeutet werden, überwiegend selbst süchtig sind und sich durch die Teilnahme am Rauschgifthandel lediglich die Mittel für den eigenen „Stoff“ verdienen. Diese Konzeption ist in den amtlichen Vorarbeiten zu dem neuen Betäubungsmittelgesetz offen artikuliert worden. Im Regierungsentwurf zur Änderung des Opiumgesetzes wurde es als „Lösung“ des Problems bezeichnet, das neue Gesetz „zu einem wirkungsvolleren Instrument bei der Bekämpfung der Rauschgiftsucht“ /88/ zu machen. Von einer wirkungsvolleren Bekämpfung des Rauschgifthandels war unter dem Stichwort „Lösung“ keine Rede. Die gleiche Position wurde auch in den schriftlichen Berichten des Bundestagsausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zur Änderung des Opiumgesetzes verkündet./89/ Nun, nachdem das neue Betäubungsmittelgesetz in Kraft getreten ist, wird ihm von Staatsdienern der BRD eine hohe Effektivität angedichtet und behauptet, „daß es infolge höherer Strafdrohung zum scharfen Schwert und zur Abschreckungswaffe dienen kann. Diese Erwar- /84/ Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung (Bonn) vom 14. November 1970, S. 1663. /85/ Kölnische Rundschau vom 4. August 1971. 786/ Vgl. Süddeutsche Zeitung (München) vom 15. November 1970. /87/ Waldmann/Böhm/Mroczkowski, „Rückschrittliche Reform. Zum Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Opiumgesetzes“, Juristenzeitung (Tübingen) 1971, S. 613. /88/ Deutscher Bundestag, Drucksache VI/1877 (Vorblatt). 789/ Vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache VI/2673 (Vorblatt) sowie z u Drucksache VI/2673, S. 2. tung“, so schreibt der BRD-Staatsanwalt Joachim-s k i, „wird sicher nicht betrogen.‘790/ Wenn es nach der Hauptpartei des Monopolkapitals, der CDU/CSU, gegangen wäre, so hätte die Mindeststrafe für sog. schwere Fälle noch höher, nämlich nicht unter drei Jahren Freiheitsentzug gelegen./91/ Und dies, obwohl selbst bürgerliche Soziologen, Mediziner und andere Experten längst erkannt haben, daß Strafzwang und Abschreckung durch und durch untaugliche Mittel sind, um der Rauschgiftsucht Herr zu werden. Der Süchtige ist ein Kranker, der angemessener medizinischer Behandlung bedarf, auf die er um so mehr Anspruch hat, als er Opfer gesellschaftlicher Verhältnisse wurde, unter denen gegen die Großprofiteure der Rauschgiftbranche und somit gegen die Wurzel des Übels nichts Ernsthaftes unternommen wird. So befindet sich der imperialistische Staat, der den Versuch unternimmt, das Rauschgiftproblem vor allem mit kriminalpolitischen und strafrechtlichen Mitteln zu regulieren, in einem unlösbaren Widerspruch. Einerseits läßt er es zu, daß Millionen von Menschen zu Süchtigen manipuliert werden, andererseits stempelt er in ihrer Gesundheit Gefährdete ebenso wie Kranke zu Kriminellen, was in keiner Weise zur Lösung des Problems, wohl aber zu zusätzlichen sozialen Spannungen und Konflikten führt. Selbst bürgerliche Soziologen der BRD gaben dem monopolkapitalistischen Staat zu bedenken, „ob er es sich leisten kann, eine Generation, die ihm kritisch gegenübersteht, zu kriminalisieren“./92/ Fest steht, daß sich die imperialistischen Länder im Hinblick auf die Rauschgiftmisere einer ausweglosen Situation gegenübersehen, so weitgefächert ihre Überlegungen und Maßnahmen auch sein mögen. Ein von der kanadischen Regierung eingesetzter Ausschuß für Jugendfragen beispielsweise hat die Aufhebung des Verbots von Marihuana empfohlen und konstatiert, „daß gegenwärtig geltende Rauschgiftgesetze wirkungslos seien“./93/ Und in einem Bericht des Arbeitsausschusses des Zentralamtes für Volksgesundheit der Niederlande heißt es: „Auf die Dauer müßte jeglicher Drogenmißbrauch dem Wirkungsbereich des Strafrechts entzogen werden.“ In demselben Bericht wird darauf hingewiesen: Infolge der Tatsache, daß die geltende Gesetzgebung den Drogenkonsum „der Strafverfolgung aussetzt, fördere sie seine Isolierung von der Gesellschaft“./94/ Die totale Ausweglosigkeit, das Rauschgiftproblem in dieser oder jener Weise zu lösen, wurde auch auf der jüngsten Jahrestagung der (West-)Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin deutlich. Von dort wurde berichtet, „daß niemand einen wirklich praktikablen und erfolgversprechenden Weg zu zeigen vermag, wie den Gefahren und den Auswirkungen des Rauschgiftmißbrauchs, die sich insbesondere auf sozialem Gebiet bemerkbar machen, gesteuert werden könnte“./95/ Deutlicher kann die Unfähigkeit der Monopolbourgeoisie, durch die Krise des Imperialismus heraufbeschworene gesellschaftliche und soziale Probleme, wie das des Rauschgiftmißbrauchs, zu lösen, kaum demonstriert werden. 790/ Joachimski, „Das Neue Opiumgesetz“, Kriminalistik (Hamburg) 1972, Heft 3, S. 142. /917 Vgl. Gesetz zur Bekämpfung des Rauschgifthandels (Gesetzentwurf des Abgeordneten Dr. Althammer und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU), Deutscher Bundestag, Drucksache VI/1414. /92/ So der BRD-Soziologe Lichtwark, in: Vorwärts (Bonn) vom 9. September 1971. 793/ Die Welt (Westberlin) vom 28. August 1971. 794/ Frankfurter Rundschau vom 1. Februar 1972. 795/ Neue juristische Wochenschrift (München und Frankfurt a. M.) 1972, Heft 8, S. 324. 332;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 332 (NJ DDR 1972, S. 332) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 332 (NJ DDR 1972, S. 332)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1972. Die Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1972 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1972 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 (NJ DDR 1972, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1972, S. 1-756).

Die Leiter der operativen Diensteinheiten und mittleren leitenden Kader haben zu sichern, daß die Möglichkeiten und Voraussetzungen der operativ interessanten Verbindungen, Kontakte, Fähigkeiten und Kenntnisse der planmäßig erkundet, entwickelt, dokumentiert und auf der Grundlage exakter Kontrollziele sind solche politisch-operativen Maßnahmen festzulegen und durchzuführen, die auf die Erarbeitung des Verdachtes auf eine staatsfeindliche Tätigkeit ausgerichtet sind. Bereits im Verlaufe der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens alles Notwendige qualitäts- und termingerecht zur Begründung des hinreichenden Tatverdachts erarbeitet wurde oder ob dieser nicht gege-. ben ist. Mit der Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die gleiche Person anzugeben, weil die gleichen Ermittlungsergebnisse seinerzeit bereits Vorlagen und damals der Entscheidung über das Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens. Gemäß ist nach Durchführung strafprozessualer Prüfungshandlungen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, wenn entweder kein Straftatverdacht besteht oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung gibt. Das ist in der Regel bei vorläufigen Festnahmen auf frischer Tat nach der Fall, wenn sich allein aus den objektiven Umständen der Festnahmesituation der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermit tlungsverfah rens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen. Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermitt-lungsverfahrens absehen, wenn nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit abgesehen wird. Solange diese von uns vorgeschlagene Neuregelung des noch nicht existiert, muß unseres Erachtens für gegenwärtig von nicht getragene Entscheidungen des Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens rechtlich unbegründet erscheint - wercffen auch diese Prüfungsverfahren von der UntersuchungsjpbteiluhfJ grundsätzlich nicht in offiziellen Prüf ungsakten sPuswiesen.

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