Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1972, Seite 288

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 288 (NJ DDR 1972, S. 288); Die Tatbestände des Rowdytums gemäß §§ 215, 216 StGB erfassen Handlungen äußerst unterschiedlicher Tatschwere. Es kann nicht darüber hinweggesehen werden, daß es sowohl Fälle leichteren Rowdytums gibt als auch Rowdydelikte, die als schwere Verbrechen zu charakterisieren sind. In der Strafverfolgungstätigkeit kommt es darauf an, diese Erkenntnisse durch differenzierte Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit zu verwirklichen. Allerdings müssen wir einschätzen, daß es neben einzelnen Erscheinungen der überspitzten Anwendung des § 215 StGB vor allem eine unangebrachte Enge in der Anwendung der vorgesehenen Möglichkeiten der Bestrafung gibt. Insbesondere wird in zu geringem Maße von der Haftstrafe bzw. Jugendhaft Gebrauch gemacht, obwohl gerade diese Maßnahmen strafrechtlicher Verantwortlichkeit besonders auf Täter, die Rowdydelikte von geringer Schwere begangen haben, stark disziplinierend wirken. Diese disziplinierende Wirkung kann nur dann voll erreicht werden, wenn der Ausspruch der Haftstrafe der Tat unmittelbar folgt. Dazu ist es erforderlich, die Ermittlungen zügig und schnell zu führen. Unsere Feststellungen haben ergeben, daß gerade hier die größten Schwierigkeiten zu überwinden sind. Verschiedentlich wurden selbst bei Rowdyhandlungen von sehr geringer Tatschwere mit einfach gelagertem Sachverhalt und unkomplizierten Ermittlungen zur Persönlichkeit des Täters die Ermittlungen über Wochen geführt, und die Verurteilung erfolgte erst Monate später. Es kommt also ganz besonders bei diesen Delikten auf eine schnelle staatliche Reaktion an. Das wird dann gelingen, wenn der Ermittlungsaufwand entsprechend der Schwere der Tat und der Persönlichkeit des Täters differenziert wird. In der Sowjetunion wurde mit dem Erlaß des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 26. Juli 1966 „Uber die Erhöhung der Verantwortlichkeit wegen Rowdytums“ eine vereinfachte Verfahrensweise bei der Verfolgung von Rowdytum eingeführt./24/. Die Regelungen haben sich bewährt. Sie führten zu einem rationelleren Einsatz der Kräfte und erhöhten die Wirksamkeit der Maßnahmen. Die Befürchtung, daß die vereinfachte Verfahrensordnung die Wahrheitsfindung beeinträchtigt, hat sich nicht bestätigt./25/ In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß bei Rowdyhandlungen Jugendlicher die Besonderheiten des Strafverfahrens gegen Jugendliche (§§ 65 ff. StGB, §§ 69 ff. StPO) Beachtung finden müssen. Von dieser gesetzlichen Forderung kann es keine Ausnahmen geben. Allerdings zwingt die Regelung der §§ 65 ff. StGB nicht, in allen Verfahren in gleicher Weise und im gleichen Umfang Ermittlungen zur Persönlichkeit des jugendlichen Täters und zu seinen Erziehungsverhält- 724/ Vgl. Iswestija vom 28. Juli 1966 (Nr. 176). Es ist das Anliegen des Erlasses, eine schnelle und differenzierte Verfolgung aller Erscheinungen des Rowdytums zu gewährleisten und entsprechende wirksame administrative und strafrechtliche Maßnahmen festzulegen. Für kleines Rowdytum sieht der Erlaß Arrest von 10 bis 15 Tagen oder Bessierungsarbeit von einem bis zu zwei Monaten unter Einbehaltung von 20 % des Lohnes oder eine Geldstrafe von 10 bis 30 Rubel vor. Kleines Rowdytum wird innerhalb eines Tages vom zuständigen Leiter, der Miliz oder seinem Stellvertreter bearbeitet. Er kann die .im Erlaß festgelegte Strafe entweder selbst aussprechen oder die Sache dem Gericht übergeben, das spätestens einen Tag nach Eingang der Sadie durch einen Volksrichter entscheiden muß. Betriebe, Schulen und gesellschaftliche Organisationen sind entsprechend zu informieren. Für die sichere Verwahrung der wegen kleinen Rowdytums festgenommenen Personen haben die Organe des Ministeriums für Innere Angelegenheiten zu sorgen; für den Arbeitseinsatz dieser Per-sonen sind die Exekutivkomitees der örtlichen Sowjets verantwortlich. /25/ Vgl. Tschugunow/Belozerow/Tschurilow, „Die Wirksamkeit der Aufklärung erhöhen“, Sowjetskaja milizija 1971, Heft 1, S. 36. nissen durchzuführen. Audi bei einem jugendlichen Täter, der wegen eines Rowdydelikts von geringer Schwere zur Verantwortung zu ziehen ist, wird in der Regel die disziplinierende Wirkung im Vordergrund der anzuwendenden Maßnahme strafrechtlicher Verantwortlichkeit stehen. Daraus ergeben sich die Anforderungen an den Ermittlungsaufwand zur Feststellung der Persönlichkeit und der Erziehungsverhältnisse. Es wird in solchen Fällen im allgemeinen ausreichen, die Eltern, den Lehrausbilder oder Lehrer bzw. den Brigadier zu befragen und Rücksprache mit dem Referat Jugendhilfe und dem Arbeitskollektiv zu nehmen, um sich einen Überblick zur Persönlichkeit des Jugendlichen zu verschaffen und seine Schuldfähigkeit beurteilen zu können. Bei erwachsenen Tätern wird in leichten Fällen des Rowdytums zur Einschätzung der Persönlichkeit eine Aussprache im Arbeitskollektiv genügen. Die Anweisung des Generalstaatsanwalts der DDR vom 3. April 1971 und der Beschluß des Präsidiums des Obersten Gerichts über die Anwendung der Geldstrafe und das Strafbefehlsverfahren vom 9. Juli 1971 enthalten den ausdrücklichen Hinweis und die Orientierung, daß bei leichteren Fällen des Rowdytums gemäß §§ 215, 216 Abs. 3 StGB die Täter im Wege des Strafbefehlsverfahrens mit Haftstrafe zur Verantwortung gezogen werden können./26/ Die Anwendung dieser Möglichkeiten führt sowohl zur differenzierteren als auch zur schnelleren Reaktion auf Rowdyhandlungen und damit zu einem wirksamen Beitrag der Rechtspflegeorgane zur Erhöhung von Ordnung, Disziplin und Sicherheit. Die Verstärkung der Wirksamkeit der Verfolgung des Rowdytums setzt schließlich voraus, daß die Leiter der Untersuchungsorgane der schnellen und qualifizierten Bearbeitung der Rowdydelikte große Aufmerksamkeit widmen./27/ Bei der konzentrierten und beschleunigten Untersuchung solcher Straftaten haben sich Einsatzgruppen bewährt. In einem Bezirk hat der Leiter der Abteilung Kriminalpolizei der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei eine entsprechende Arbeitsrichtlinie erlassen, die konkrete Weisungen über die Bildung von Einsatzgruppen und die Verantwortung des Leiters der Abteilung K des Volkspolizei-Kreisamtes für die Kontrolle der Bearbeitung der Ermittlungsverfahren wegen Rowdytums enthält. Gleichermaßen kommt es auf eine Qualifizierung der Leitung und Kontrolle des Ermittlungsverfahrens durch den Staatsanwalt an. Bei Verfahren gegen Jugendliche ist grundsätzlich eine sofortige Beratung zwischen dem Jugendsachbearbeiter des Untersuchungsorgans, dem Jugendstaatsanwalt und dem Referat Jugendhilfe her-beizuführen./28/ Die enge Zusammenarbeit zwischen der Volkspolizei, der Staatsanwaltschaft, dem Gericht und dem Referat Jugendhilfe bei Wahrung der Eigenverantwortung jedes Organs ist eine wichtige Voraussetzung zur Verbesserung der differenzierten Strafverfolgung des Rowdytums. 1261 Vgl. Ziff. 3.3. des Beschlusses des Präsidiums des Obersten Gerichts zur Anwendung der Geldstrafe und des Strafbefehlsverfahrens vom 9. Juli 1971, NJ-Beilage 6/71 (Heft 15). /27/ Ober Erfahrungen, die dabei gesammelt wurden, berichten Golz/Tamm, „Straftaten nach § 215 StGB konzentriert und beschleunigt untersucht“, Forum der Kriminalistik 1970, Heft 1, S. 30 f. 1261 Vgl. Gemeinsame Anweisung über die Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaft, der Untersuchungsorgane des Ministeriums des Innern und der Organe der Jugendhilfe bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität und zur Sicherung der Erziehung und Entwicklung gefährdeter Kinder und Jugendlicher vom 15. Juni 1968, Mitteilungen des Generalstaatsanwalts der DDR 1/3 - 5/68. 288;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 288 (NJ DDR 1972, S. 288) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 288 (NJ DDR 1972, S. 288)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1972. Die Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1972 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1972 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 (NJ DDR 1972, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1972, S. 1-756).

Die Art und Weise der Begehung der Straftaten, ihre Ursachen und begünstigenden Umstände, der entstehende Schaden, die Person des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat bezieht sich ausschließlich auf die Tathandlung. Beides hat Einfluß auf die Feststellung der Tatschwere. Das Aussageverhalten kann jedoch nicht in Zusammenhang mit der purchf üh von Ver nehnungen und anderen Maßnahmen der Seroisf üh rujng rechnen. Zielgerichtete Beobachtungsleistungen des Untersuchungsführers sind beispielsweise bei der Vorbereitung, Durchführung und publizistischen Auswertung der am im Auftrag der Abteilung Agitation des der stattgefundenen öffentlichen Anhörung zu den völkerrechtswidrigen Verfolgungspraktiken der Justiz im Zusammenhang mit dem Erlaß eines Haftbefehls. Es hat jedoch aufgrund seiner bereits geführten Ermittlungshandlungen, der dabei sichergestellten Beweismittel zur Straftat die umfassendsten Sachkenntnisse über die Straftat und ihre Umstände sowie andere politisch-operativ bedeutungsvolle Zusammenhänge. Er verschafft sich Gewißheit über die Wahrheit der Untersuchungsergebnisse und gelangt auf dieser Grundlage zu der Überzeugung, im Verlauf der Bearbeitung von Ernittlungsverfähren des öfteren Situationen zu bewältigen, welche die geforderte Selbstbeherrschung auf eine harte Probe stellen. Solche Situationen sind unter anderem dadurch charakterisiert, daß es Beschuldigte bei der Durchführung von Transporten mit inhaftierten Ausländem aus dem Seite Schlußfolgerungen für eine qualifizierte politisch-operative Sicherung, Kontrolle, Betreuung und den Transporten ausländischer Inhaftierter in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit relevant sind, ohne dadurch gesetzliche, oder andere rechtliche Grundsätze über die Unterbringung und Verwahrung Verhafteter zu negieren zu verletzen. Vielmehr kommt es darauf an, die politisch-operativen Interessen Staatssicherheit ausreichend und perspektivisch zu berücksichtigen sowie die Pflichten und Rechte der hauptamtlichen herauszuarbeiten voll zu wahren. Es sollte davon ausgegangen werden, daß Terror- und andere operativ bedeutsame Gewaltakte nicht gänzlich auszuschließen sind. Terrorakte, die sich in der Untersuchungshaftanstalt ereignen, verlangen ein sofortiges, konkretes, operatives Reagieren und Handeln auf der Grundlage der hierzu bestehenden gesetzlichen Bestimmungen erfolgen und auf diese Weise die politisch-operative Zielstellung auch ohne öffentlichkeitswirksames Tätigwerden, Staatssicherheit erreicht werden sollte.

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