Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1972, Seite 258

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 258 (NJ DDR 1972, S. 258); gerichtlicher Entscheidungen theoretische Probleme erörtert. Damit werden diese Probleme schneller und gründlicher geklärt, als wenn sie nur allgemein-theoretisch behandelt werden./l/ Der 2. Strafsenat hat in mehreren Entscheidungen zur Strafzumessung bei Eigentumsvergehen Stellung genommen.® Mit diesen Entscheidungen tritt der Senat Erscheinungen entgegen, die insbesondere darin bestehen, bei Eigentumsdelikten die Art und Höhe der Strafe hauptsächlich nur aus positiven oder negativen Seiten der Persönlichkeit des Täters abzuleiten. Es wird deutlich gemacht, daß für die Bestimmung der Strafe nach Art und Höhe immer alle Tatumstände sachbezogen zu werten sind. Besondere Aufmerksamkeit muß dabei der objektiven Schädlichkeit der Handlung, die sich bei Eigentumsdelikten vor allem in der Art und der Höhe des Schadens ausdrückt, gewidmet werden. Im Zusammenhang mit diesen Entscheidungen ist nachdrücklich auf die im Bericht des Präsidiums an das 2. Plenum des Obersten Gerichts unter Ziff. 5.1. getroffene Feststellung zu verweisen, daß die in § 62 Abs. 3 StGB auf geführten Umstände tatbezogen, d. h. für die Einschätzung der Tatschwere von Bedeutung sein müssen. „Umstände aus dem Persönlichkeitsbereich des Täters, die sein gesellschaftliches Verhalten vor oder nach der Tat charakterisieren und über seine Fähigkeit und Bereitschaft Auskunft geben, künftig seiner Verantwortung gegenüber der Gesellschaft nachzukommen, können für sich allein nicht zum Ausschluß eines schweren Falles i. S. des § 62 Abs. 3 StGB führen.“ Hervorgehoben werden muß, daß der 2. Strafsenat mit diesen Entscheidungen keine Wertgrenze etwa in dem Sinne schafft, daß bei einem durch Diebstahl oder Betrug verursachten Schaden von 3 000 M immer auf eine Freiheitsstrafe zu erkennen ist, während bei Ersttätern, die einen Schaden unter 3 000 M verursacht haben, immer auf eine Strafe ohne Freiheitsentzug erkannt werden muß. Es sollte vielmehr deutlich gemacht werden, in welchem Umfang die Höhe des Schadens als wesentlicher Bestandteil der Tatschwere für die Festsetzung der Strafe nach Art und Höhe von Bedeutung ist. Deshalb kann es also durchaus richtig sein, bei einer Schadenshöhe von etwa 3 000 M, aber einer niedrigen Tatintensität und bei wesentlichen anderen in der Person des Täters liegenden Umständen auch auf eine Verurteilung auf Bewährung zu erkennen, während unter Berücksichtigung aller Tatumstände auch bei einem Schaden, der erheblich unter 3 000 M liegt, der Ausspruch einer Freiheitsstrafe erforderlich sein kann. Zu einigen Problemen der Sachverhaltsaufklärung Ein genereller Mangel der gerichtlichen Entscheidungen besteht darin, daß der durch die Straftat verursachte oder beabsichtigte Schaden, soweit es sich nicht um Geld, sondern um Sachen handelt, vielfach nicht exakt festgestellt wird. Die Urteile beschränken sich darauf, die einzelnen Gegenstände aufzuführen. Oftmals wird auch nur der nach teilweiser Rückgabe des Diebesgutes verbliebene Schaden ausgewiesen. Das führt dazu, daß sich das Gericht in den Entscheidungen nicht mit dem für die Strafzumessung bei Eigentumsdelikten wichtigen Kriterium der Schadenshöhe auseinandersetzt. Es kommt zur Überbetonung subjektiver Umstände, insbesondere zu isolierter Wertung der Persönlichkeitsentwicklung, und im Ergebnis zum Ausspruch fehlerhafter Sanktionen. /I/ Vgl. den Bericht des Präsidiums an das Plenum des Bezirksgerichts Gera zu Problemen der Strafzumessung bei Eigentumsvergeh'en vom 24. Februar 1972 in NJ 1972 S. 229 ft.; Schlegel, „Einige Probleme der gerichtlichen Beweisaufnahme“, NJ 1972 S. 125 fl. (126). /2/ Einige dieser Entscheidungen sind in diesem Heft veröffentlicht. Eine relativ gründliche Auseinandersetzung mit den Strafzumessungskriterien in den gerichtlichen Entscheidungen erfolgt bei Vorbestraften bzw. bei solchen Tätern, die sich bereits wegen einschlägiger Straftaten vor einem gesellschaftlichen Gericht zu verantworten hatten. Dabei wird zur Begründung für den Ausspruch von Freiheitsstrafen zutreffend herangezogen, daß sich Täter den Erziehungsbemühungen von Arbeitskollektiven, betrieblichen Leitungen und anderen gesellschaftlichen Kräften widersetzen bzw. diese ignorieren. Kritisch ist darauf hinzuweisen, daß in den gerichtlichen Entscheidungen oftmals noch keine gründliche Auseinandersetzung mit den in §§ 30 bzw. 39 StGB enthaltenen Kriterien geführt wird. Zu den gesetzlichen Anforderungen bei der Übergabe von Eigentumsvergehen an die gesellschaftlichen Gerichte Im Bericht des Kollegiums für Strafsachen an das 2. Plenum wird die Anwendung der Geldstrafe vor allem unter dem Blickpunkt der Umsetzung des Beschlusses des Präsidiums des Obersten Gerichts vom 9. Juli 1971/3/ anhand der Strafbefehlspraxis analysiert. Damit soll fehlerhaften Erscheinungen, besonders auch einem möglichen, nicht gerechtfertigten Rückgang von Übergaben an die gesellschaftlichen Gerichte begegnet werden. Bei Eigentumsvergehen liegt gegenwärtig die materielle Grenze der Übergabepraxis bei einer Schadenshöhe bis zu etwa 400 M, soweit es sich um Ersttäter handelt. Diese Praxis ist richtig, weil die den gesellschaftlichen Gerichten gesetzlich eingeräumten Möglichkeiten des Ausspruchs von Erziehungsmaßnahmen bei diesem Schadensumfang grundsätzlich zur wirksamen Erziehung der Täter geeignet sind. Voraussetzung ist allerdings, daß die gesellschaftlichen Gerichte diese Erziehungsmaßnahmen differenziert anwenden. Es gibt gegenwärtig Erscheinungen, daß vor allem bei Eigentumsvergehen in einem nicht gerechtfertigten Umfang vom Ausspruch solcher Maßnahmen Abstand genommen wird. Allein der Umstand, daß der Täter sich in der Beratung vor dem gesellschaftlichen Gericht einsichtig zeigte, darf nicht dazu führen, keine Erziehungsmaßnahmen anzuwenden. Das ist nur gerechtfertigt, wenn konkrete Tatsachen festgestellt sind, die beweisen, daß der Täter begonnen hat, seinen Fehler einzusehen und zu überwinden (z. B. Schadenswiedergutmachung, besondere Anstrengungen im Arbeitsprozeß, Entschuldigung beim Geschädigten usw.). Dabei sind die objektive Schädlichkeit der Handlung und der Grad der Schuld des Rechtsverletzers zu berücksichtigen. Die Bezirks- und Kreisgerichte müssen diese Tendenzen aufmerksam verfolgen und den gesellschaftlichen Gerichten entsprechende Anleitung geben. Sie sollten dabei vor allem auf die Anwendung solcher Erziehungsmaßnahmen orientieren, die an den Rechtsverletzer bestimmte Anforderungen stellen. Das ist insbesondere die Verpflichtung, sich beim Geschädigten oder dem Kollektiv zu entschuldigen, den Schaden wiedergutzumachen sowie die Auferlegung angemessener Geldbußen. Damit soll nicht ausgeschlossen werden, daß auch Vergehen zum Nachteil sozialistischen oder persönlichen Eigentums, mit denen ein Schaden von über 400 M verursacht wurde, an ein gesellschaftliches Gericht übergeben werden können, wenn eine relativ geringe Tatintensität vorliegt und beim Rechtsverletzer besonders gute Voraussetzungen für seine Erziehung durch Maßnahmen eines gesellschaftlichen Gerichts gegeben sind. Auch Ursachen und Bedingungen, die den Tatentschluß beeinflussen, können soweit sie nicht vom Täter ge- 13/ Beschluß des Präsidiums des Obersten Gerichts zur An-Wendung der Geldstrafe und des Strafbefehlsverfahrens vom 9. Juli 1971, NJ-Beilage 6/71 zu Heft 15. 258;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 258 (NJ DDR 1972, S. 258) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 258 (NJ DDR 1972, S. 258)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1972. Die Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1972 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1972 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 (NJ DDR 1972, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1972, S. 1-756).

Das Zusammenwirken mit den Staatsanwalt hat gute Tradition und hat sich bewährt. Kontrollen des Staatsanwaltes beinhalten Durchsetzung der Rechte und Pflichten der verhafteten., Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit und der Achtung und Wahrung der Würde des Menschen werden Aufgaben, grundsätzliche Arbeitsweise und die konkrete Gestaltung einzelner straf prozessualer Verdachtshinweisprüfungen durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit und veranschaulicht in beeindruckender Weise den wahrhaft demokratischen Charakter der Tätigkeit und des Vorgehens der Strafverfolgungsorgane in den sozialistischen Staaten, Die Notwendigkeit dieser Auseinandersetzung resultiert desweiteren aus der Tatsache, daß diese Personen im Operationsgebiet wohnhaft und keine Bürger sind. Somit sind die rechtlichen Möglichkeiten der eingeschränkt. Hinzu kommt,daß diese Personen in der Regel in der bisherigen Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit als inoffizielle Mitarbeiter ihre besondere Qualifikation und ihre unbedingte Zuverlässigkeit bereits bewiesen haben und auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit, ihrer gesellschaftlichen Stellung und anderer günstiger Bedingungen tatsächlich die Möglichkeit der konspirativen Arbeit als haben. Durch die Leiter ist in jedem Fall zu prüfen und zu entscheiden, ob der Verdächtige durch den Untersuchungsführer mit dieser Maßnahme konfrontiert werden soll oder ob derartige Maßnahmen konspirativ durchgeführt werden müssen. Im Falle der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, wenn entweder kein Straftatverdacht besteht oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlen. Gegenüber Jugendlichen ist außer bei den im genannten Voraussetzungen das Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens. Gemäß ist nach Durchführung strafprozessualer Prüfungshandlungen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, wenn entweder kein Straftatverdacht besteht oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege. In Ausnahmefällen können im Ergebnis durchgeführter Prüfungshandlungen Feststellungen getroffen werden, die entsprechend den Regelungen des eine Übergabe der Strafsache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege vorliegen, ist die Sache an dieses zu übergeben und kein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Der Staatsanwalt ist davon zu unterrichten.

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