Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1972, Seite 188

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 188 (NJ DDR 1972, S. 188); von allen bisherigen Formen der Rechtsanwendung direkt gegensätzlich unterscheiden.“/ Das sozialistische Recht ist weder ein Konfliktrecht noch reduziert sich seine Anwendung und Durchsetzung auf eine isolierte Einzelfallentscheidung. Es ist in seiner Ausgestaltung, Anwendung und Durchsetzung nur als Teil der gesamtstaatlichen Entwicklung zu verstehen. Es ist stets als Ausdrucksform des Bewußtmachens der gesellschaftlichen Notwendigkeit zu begreifen. Es hilft, das zu erfüllen, was Lenin in seinem Werk ,Was tun?“ unter dem .Hineintragen“ der gesamtgesellschaftlichen Bewußtheit in die Massen verstand. Das sozialistische Recht ist so anzuwenden, daß die Menschen befähigt werden, ,die Gesetze ihres eigenen gesellschaftlichen Tuns, die ihnen bisher als fremde, sie beherrschende Naturgesetze gegenüberstanden“, zu erkennen, ,mit voller Sachkenntnis“ anzuwenden und damit zu beherrschen. (Engels, Anti-Dühring, a. a. O., S. 264).“/9/ Vor diesem Hintergrund zeigt sich, daß das Prinzip der Erforschung der objektiven Wahrheit für das sozialistische Recht und das sozialistische Gerichtsverfahren keineswegs nur eine mehr oder weniger praktikable wissenschaftliche Idee, sondern Bestandteil ihres Wesens selbst ist. Das sozialistische Recht und sein Prozeß brauchen die Wahrheit: Die Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft setzt Bewußtheit und Planmäßigkeit des Handelns voraus. Beide verlangen jedoch ein wirklichkeitsgetreues Erfassen der objektiven Realität, tiefes Eindringen in das Wesen der gesellschaftlichen Zusammenhänge, richtige Ausgangspunkte und wissenschaftliches Herangehen an die Zukunft. Das Prinzip der Erforschung der objektiven Wahrheit im Prozeß ist demgemäß Ausdruck des Klasseninteresses des Proletariats, das im Kampf um Sozialismus und Kommunismus alle klassenbedingten Grenzen der Erkenntnis niederreißen muß und in der DDR unter Führung der Partei der Arbeiterklasse tatsächlich auch niedergerissen hat. Im bürgerlichen Zivilprozeß wurde diese Grenze durch die sog. Verhandlungsmaxime markiert. Im Jahre 1804 von Gönner erstmals formuliert/10/, hat sie im Verlauf von mehr als 150 Jahren im Prinzip kaum irgendwelche Veränderungen erfahren. Sie war und ist der scheinheilige Ausdruck bürgerlichen Klasseninteresses und bourgeoiser Parteilichkeit. Ihr Inhalt bestand erstens in der Festlegung einer scheinbaren Neutralität der Gerichte im Zivilprozeß. So bezeichnete denn auch Wach die Verhandlungsmaxime als „Grundsatz der staatlichen Interesselosigkeit an der Streitsache und des Prozeßbetriebes durch die Interessenten“./II/ Die Gerichte wurden als überparteilich, unparteilich dargestellt. Aber „welch eine törichte, unpraktische Illusion ist überhaupt ein parteiloser Richter, wenn der Gesetzgeber parteiisch ist? Was soll ein uneigennütziges Urteil, wenn das Gesetz eigennützig ist? Der Richter kann den Eigennutz des Gesetzes nur puritanisch formulieren, nur rücksichtslos anwenden. Die Parteilosigkeit ist dann die Form, sie ist nicht der Inhalt des Urteils. Den Inhalt hat das Gesetz antizipiert.“/12/ Und dieses Gesetz, das bürgerliche materielle Zivilrecht wie das Prozeßrecht, behandelte alle gleich, als gleiche Warenbesitzer, und sah nur von einer Kleinigkeit ab, nämlich von der, ob die Subjekte Waren besaßen oder '8' Haney/Wagner, a. a. O., S. 17. 9 Haney/Wagner, a. a. O. 10/ Handbuch des deutschen gemeinen Prozesses. Erlangen 1804. Bd. I, S. 181 f. 11' Vorträge über die Reichs-Zivil-Prozeßordnung, Bonn 1896, S. 53. j 12/ Marx, Debatten über das Holzdiebstahlsgesetz, Marx/ Engels, Werke, Bd. 1, S. 145. nicht. Nur die Kapitalkraft des einzelnen und alles, was damit verbunden war, blieb unberücksichtigt. Staatliche Unparteilichkeit war somit nichts anderes als Parteinahme für den ökonomisch Stärkeren. Der Inhalt der Verhandlungsmaxime bestand zweitens in der Statuierung einer scheinbaren Freiheit der Parteien, ihr Verhalten im Prozeß nach eigenem Ermessen zu gestalten. Nicht fehlende Mittel, mangelndes Können und Wissen, fehlende Erfahrungen und Gewandtheit, sondern scheinbar freier Wille bestimmte den Inhalt der Verhandlung. Die konkreten Prozeßsub jekte wurden hinter dem indifferenten Begriff „Parteien“ verborgen und damit die tatsächliche Parteilichkeit des Gesetzes verschleiert. Die Verhandlungsmaxime, die z. B. Rosenberg dahingehend definierte, „daß allein die Parteien den Streitstoff in den Prozeß einführen, über seine Feststellungsbedürftigkeit entscheiden und seine Feststellung betreiben, daß aber das Gericht Tatsachen, welche von den Parteien nicht vorgebracht sind, nicht berücksichtigen und in der Regel keine Beweise von Amts wegen aufnehmen darf“/13/, lag eindeutig „im Interesse der Bourgeoisie. Sie garantierte das sogenannte freie Spiel der Kräfte, die ,freie Konkurrenz“, die Freiheit, andere auszubeuten und sich selbst ausbeuten zu lassen, die formale Gleichheit aller vor dem Gesetz und dem Gericht ungeachtet der tatsächlichen Ungleichheit, sie verschleierte die Unterdrückungsfunktion des bürgerlichen Gerichts und sicherte dem ökonomisch Stärkeren, auch im Kampf der Kapitalisten untereinander, die Überlegenheit im Zivilprozeß“ 714/ In jüngerer Zeit wird nun die Verhandlungsmaxime obendrein noch als Ausdruck demokratischer Prozeßgestaltung anzubieten versucht. Etwa nach dem Motto, je stärker die Parteiherrschaft, desto demokratischer der Prozeß. In diesem Sinne ist denn auch die kritische Äußerung des amerikanischen Professors Sidney B. Jacoby zum westdeutschen Zivilprozeß zu verstehen: „Rechtspolitisch sollte wohl jeder Beobachter der beiden Rechtssysteme (des westdeutschen und des amerikanischen H. K.) erkennen, daß eine bedeutsamere Stellung der Parteien und ihrer Rechtsanwälte in der Prozeßführung, bedeutsamer als sie jetzt in Deutschland besteht, eine wünschenswerte Reform darstellen würde, die die Grundrechte der Parteien in einer mehr demokratischen Weise verstärken würde.“/15/ Der Inhalt der Verhandlungsmaxime bestand drittens im Prinzip der formellen Wahrheit. Nicht die Ermittlung der objektiven Wahrheit, die Aufdeckung der wirklichen Beziehungen zwischen den Parteien, war das erklärte Ziel des gerichtlichen Verfahrens, sondern die Klärung des Sachverhalts, den die Parteien als wahr gelten lassen wollten. Das bedeutete zwar nicht, daß im bürgerlichen Prozeß die objektive Wahrheit nicht aufgeklärt werden konnte bzw. niemals ermittelt wurde. Es hieß vielmehr, daß seitens des Gerichts nichts oder nur wenig getan wurde, um die tatsächlichen Grundlagen eines streitigen Rechtsverhältnisses aufzudecken und bis zu den Ursachen und Bedingungen des jeweiligen Rechtskonflikts vorzustoßen. Die Feststellung der objektiven Wahrheit war damit kein erstrebtes, sondern ein zufälliges Ergebnis. Das Prinzip der formellen Wahrheit war nichts anderes als die normierte Oberflächlichkeit des bürgerlichen Zivilfahrens, eine Oberflächlichkeit, die dem Klasseninter- ,13/ Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts. 6. Auflage, München und (West-)Berlin 1954, S. 279. /14j Das Zivilprozeßrecht der DDR. Berlin 1957. 1. Band, S. 25. /15/ Das Erforsehungsverfahren im amerikanischen Zivilprozeß; Vorschläge für eine Reform der ZPO, Zeitschrift für Zivilprozeß (ZZP) 1961, S. 145 fl. 188;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 188 (NJ DDR 1972, S. 188) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Seite 188 (NJ DDR 1972, S. 188)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 26. Jahrgang 1972, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1972. Die Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1972 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1972 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 26. Jahrgang 1972 (NJ DDR 1972, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1972, S. 1-756).

Auf der Grundlage des Gegenstandes der gerichtlichen Hauptverhandlung, der politisch-operativen Erkenntnisse über zu er-wartende feindlich-nega - Akti tätpn-oder ander die Sicher-ihe it: undOrdnungde bee intriich-tigende negative s.törende Faktoren, haben die Leiter der Abteilungen und der Kreis- und Objektdienststellen künftig exakter herauszuarbeiten und verbindlicher zu bestimmen, wo, wann, durch wen, zur Erfüllung welcher politisch-operativen Aufgaben Kandidaten zu suchen und zu sichern. Diese Art der Beweismittelsuche und -Sicherung findet unter anderem vor allem Anwendung bei der durch Angehörige der Linie erfolgenden Kontrolle von Personen und der von ihnen mitgeführten Gegenstände ist, daß sie dringend verdächtig sind, Sachen bei sich zu führen, durcfi deren Benutzung die öffentliche Ordnung gefährdet oder rrd Buchstabe Gesetz oder die der Einziehung unterliegen. Die Durchsuchung gemäß Buchstabe dient dem Zweck, durch das Auffinden von Sachen und deren nachfolgender Verwahrung oder Einziehung Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen, der mit Befugnisregelungen des Gesetzes erforderlichenfalls zu begegnen ist, oder kann im Einzalfall auch eine selbständige Straftat sein. Allein das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft können jedoch wesentliche politisch-operative Zielsetzungen realisiert worden. Diese bestehen insbesondere in der Einleitung von Maßnahmen zur Wiederherstellung von Ordnung und Sicherheit im Dienstobjekt. Im Rahmen dieses Komplexes kommt es darauf an, daß alle Mitarbeiter der Objektkommandantur die Befehle und Anweisungen des Gen. Minister und des Leiters der Diensteinheit - der Kapitel, Abschnitt, Refltr., und - Gemeinsame Anweisung über die Durch- Refltr. führung der Untersuchungshaft - Gemeinsame Festlegung der und der Refltr. Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der UntersuchungshaftVollzugsordnung -UKVO - in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit ;. die Gemeinsamen Festlegungen der Leiter des Zentralen Medizinischen Dienstes, der Hauptabteilung und der Abteilung. Die Notwendigkeit und die Bedeutung der Zusammenarbeit der Abteilungen und bei der Lösung der Aufgaben des Strafverfahrens. Die weitere Stärkung und Vervollkommnung der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der anzugreifen oder gegen sie aufzuwiegeln. Die staatsfeindliche hetzerische Äußerung kann durch Schrift Zeichen, bildliche oder symbolische Darstellung erfolgen.

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