Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1971, Seite 749

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 749 (NJ DDR 1971, S. 749); Schluß des Kreisgerichts vom 16. Oktober 1970 gab es mithin ebenfalls keine Rechtsgrundlage. In Verkennung der prozessualen Lage hat das Bezirksgericht auf die Beschwerde des Angeklagten den Beschluß des Kreisgerichts aufgehoben, dem Staatshaushalt die notwendigen Auslagen des Angeklagten auferlegt und damit den rechtskräftigen Einstellungsbeschluß des Kreisgerichts vom 12. März 1970 abgeändert. Diese Entscheidung war unzulässig. Es hätte vielmehr den. Beschluß des Kreisgerichts vom 16. Oktober 1970 ersatzlos aufheben und die Beschwerde zurückweisen müssen. Die Entscheidung des Bezirksgerichts ist darüber hinaus auch in der Begründung fehlerhaft. Die StPO vom 12. Januar 1968 unterscheidet zwischen denjenigen Voraussetzungen, die einen Freispruch eines Angeklagten rechtfertigen, und solchen, die zu einer endgültigen Einstellung des Verfahrens führen. Den in § 248 Abs. 1 Ziff. 1 bis 3 StPO gesetzlich geregelten Fällen der endgültigen Einstellung des Verfahrens liegt ein gesellschaftlich nicht zu rechtfertigendes Verhalten eines Angeklagten zugrunde, das jedoch einen Freispruch ausschließt. Die Regelung, daß die endgültige Einstellung des Verfahrens auszusprechen ist, wenn z. B. die Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten festgestellt wurde, berücksichtigt die unterschiedlichen Gründe, die eine Verurteilung des Angeklagten versagen, ohne ihn freisprechen zu müssen. War der Angeklagte zur Tatzeit zurechnungsunfähig, so ist es nicht gerechtfertigt, das Strafverfahren gegen ihn fortzusetzen. Das setzt jedoch voraus, daß der Angeklagte durch sein Verhalten objektiv den Tatbestand der ihm zur Last gelegten Straftat verwirklicht hat. Darin liegt der Unterschied zum Freispruch, obwohl in beiden Fällen die strafrechtlichen Konsequenzen aus dem Prinzip der Präsumtion der Unschuld dieselben sind. Der Angeklagte darf nicht als schuldig behandelt werden, bevor nicht seine strafrechtliche Verantwortlichkeit zweifelsfrei nacjigewie-sen und durch eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung festgestellt wurde. Daher ist auch bei einer endgültigen Einstellung des Strafverfahrens wie bei einem Freispruch der Angeklagte als nicht schuldig zu behandeln. Anders als bei den Voraussetzungen für einen Freispruch hat der Angeklagte sich jedoch im Falle seiner Zurechnungsunfähigkeit objektiv schädlich verhalten, führte sein Verheilten zur Einleitung des Strafverfahrens. Es wäre gesellschaftlich nicht zu vertreten, wenn hinsichtlich der notwendigen Auslagen, die dem Angeklagten im Verfahret entstanden sind, dieser Umstand unbeachtet bliebe bzw. den Voraussetzungen eines Freispruchs gleichgestellt werden würde. Der Grundsatz der Differenzierung kommt z. B. auch in der Regelung über die Entschädigung für Untersuchungshaft und Strafen mit Freiheitsentzug zum Ausdruck. Dort kann der Anspruch auf Entschädigung ausgeschlossen werden, wenn die Einstellung des Verfahrens wegen Zurechnungsunfähigkeit des Beschuldigten oder Angeklagten oder bei einem Jugendlichen wegen Fehlens der persönlichen Voraussetzungen für die strafrechtliche Verantwortlichkeit gemäß § 66 StGB erfolgte (§ 372 Abs. 1 Ziff. 1 StPO). Diese Regelung wird dem die Strafprozeßordnung bestimmenden Differenzierungsigrundsatz gerecht. Sie gibt den Gerichten die Möglichkeit, zu berücksichtigen, welchen Straftatbestand der Angeklagte objektiv erfüllte, welchen Schaden der Zurechnungsunfähige anrichtete und welche Maßnahmen schließlich gegen ihn ergriffen werden mußten. Orientierend dafür ist auch der Beschluß des Präsidiums des Obersten Gerichts vom 24. Juli 1968 zum Gesetz über die Einweisung in stationäre Einrichtungen für psychisch Kranke vom 11. Juni 1968 (GBl. IS. 273), der hinsichtlich der Auslagen ebenfalls eine Differenzierung enthält, nach der der Betroffene grundsätzlich verpflichtet ist, die außergerichtlichen Kosten, einschließlich der Rechtsanwaltskosten, selbst zu tragen (OGSt Bd. 10 S. 45 ff.; NJ 1968 S. 504). Die in einer früheren Entscheidung des Obersten Gerichts (Urteil vom 18. April 1969 5 Zst4/69 NJ 1969 S. 410) vertretene Auffassung die auch im StPO-Lehrkommentar (Anm. 3 zu § 367 [S. 406]) dargelegt wird , eine endgültige Einstellung sei einem Freispruch i. S. des § 366 StPO hinsichtlich der Ausla-generstattung gleichzusetzen, kann daher nicht aufrechterhalten werden. Das Gesetz selbst regelt die Beendigung des Strafverfahrens infolge Freispruchs und die Beendigung durch endgültige Einstellung ausdrücklich getrennt. Lediglich für die Auslagenentscheidung bei Freispruch ist eine verbindliche Bestimmung in die StPO aufgenommen worden. Aus § 364 Abs. 1 StPO ist nicht die zwingende Verpflichtung abzuleiten, daß bei einer endgültigen Einstellung des Verfahrens die Entscheidung über die Auslagen nach den Grundsätzen der Auslagenentscheidung bei Freispruch zu treffen ist. Vielmehr erfordert die Differenziertheit der den Entscheidungen zugrunde liegenden Konflikte eine solche Anwendung der Bestimmungen über die Auslagenerstattung, die den gesellschaftlichen Interessen entspricht. Diese real vorhandene Differenziertheit muß auch bei der Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Angeklagten bei einer endgültigen Einstellung wegen Zurechnungsunfähigkeit (§ 15 StGB) berücksichtigt werden. Die Gerichte haben sich bei diesen Auslagenentscheidungen in den Fällen des § 248 Abs. 1 StPO in Anbetracht des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung von dem der StPO insoweit innewohnenden Differenzierungsgrundsatz leiten zu lassen. Das kann im Ergebnis dazu führen, daß die notwendigen Auslagen des Angeklagten dem Staatshaushalt, dem Angeklagten oder auch angemessen verteilt beiden auferlegt werden. Die in der genannten Entscheidung des Obersten Gerichts vom 18. April 1969 vertretene Auffassung wird hiermit aufgegeben. Im vorliegenden Strafverfahren war der Angeklagte des sexuellen Mißbrauchs von Kindern beschuldigt worden. Die Einstellung des Verfahrens erfolgte, weil das Vorliegen eines pathologischen Rauschzustandes zur Tatzeit nicht auszuschließen war. Bei dieser Sachlage war die durch das Kreisgericht im Einstellungsbeschluß getroffene Entscheidung, daß dem Angeklagten die notwendigen Auslagen nicht erstattet werden, zutreffend. Die Aufhebung des Beschlusses des Bezirksgerichts erfolgte gemäß §§311 Abs. 1, 321 Abs. 1 StPO. Der Beschluß des Kreisgerichts vom 16. Oktober 1970 war im Wege der Selbstentscheidung gemäß § 322 Abs. 3 StPO aufzuheben. Anmerkung : Mit der vorstehenden Entscheidung werden einige Grundsätze entwickelt, die dem der gesamten Strafrechtsprechung innewohnenden Differenzierungsgrundsatz bei der Entscheidung über die Auslagen besser gerecht werden als das in dem Urteil des Obersten Gerichts vom 18. April 1969 der Fall war. Die hier vertretene Rechtsauffassung entspricht auch der des Kollegiums für Strafsachen des Obersten Gerichts (vgl. Schlegel!Schindler, NJ 1971 S.455f.). Sie bietet den Gerichten die Möglichkeit, die verschiedenen Um- ! 749;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1971. Die Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1971 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1971 auf Seite 758. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 (NJ DDR 1971, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1971, S. 1-758).

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