Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1971, Seite 51

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 51 (NJ DDR 1971, S. 51); Rechtsprechung Strafrecht § 196 StGB; § 30 StVO; § 80 StVZO. 1. Wer als Radfahrer trotz Vorhandenseins eines Radweges aus nicht gerechtfertigten Gründen die Fahrbahn benutzt, behindert nicht nur den Nachfolgeverkehr, sondern kann, insbesondere bei Dunkelheit und unter erschwerten Witterungsbedingungen, auch zusätzliche Gefahrensituationen verursachen, denn ein Fahrzeugführer darf in einer solchen Verkehrslage grundsätzlich darauf vertrauen, daß sich Radfahrer nicht auf seiner Fahrbahn bewegen. 2. Die Verpflichtung eines Radfahrers, einen Radweg zu befahren, kann im Einzelfall entfallen, wenn dessen Benutzung wegen besonders erschwerter Bedingungen dem Radfahrer nicht zuzumuten ist. Regenpfützen auf dem Radweg vermögen jedoch ein Abweichen hiervon im allgemeinen nicht zu rechtfertigen. 3. Ein Fahrzeugführer (hier: Radfahrer), der bei Dunkelheit trotz konkreter Anhaltspunkte für ein nicht einwandfreies Funktionieren der Beleuchtungsanlage seines Fahrzeugs deren allseitige Überprüfung unterläßt, handelt in der Regel leichtfertig und damit schuldhaft. 4. Mit Hilfe der Kausalität wird im Strafrecht einerseits eine uferlose Ausweitung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit auf irgendwelche, nicht in unmittelbarer Beziehung zu einem Unfallgeschehen stehende Rechtspflichten vermieden. Andererseits verbietet sich hierbei eine mechanische Zergliederung und künstliche Isolierung eines einheitlichen Lebensvorgangs, weil es gerade für das Zustandekommen eines Verkehrsunfalls oftmals typisch ist, daß hier erst durch das Zusammenwirken mehrerer Rechtspflichtverletzungen überhaupt schwerwiegende Folgen ausgelöst werden, ohne daß damit eine Kausalität nur für die letzte Rechtspflichtverletzung gegeben wäre. OG, Urt. vom 10. November 1970 - 3 Zst 23/70. Das Kreisgericht verurteilte die Angeklagte wegen Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalls (Vergehen nach § 196 Abs. 1 und 2 StGB) zur Bewährung. Auf ihre Berufung wurde sie vom Bezirksgericht freigesprochen. Diesen Entscheidungen liegt im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Am 30. Oktober 1969 fuhr die Angeklagte nach 18 Uhr mit ihrem Fahrrad von K. nach C. Es regnete an diesem Tage, und es war empfindlich kühl. Auf dem- von ihr benutzten Radweg hatten sich Pfützen gebildet, so daß sie während der Fahrt nasse Füße bekam. Deshalb entschloß sie sich, auf der Fahrbahn weiterzufahren. Hier hielt sie einen seitlichen Abstand von der äußersten rechten Fahrbahnseite von einem Meter ein. Zu diesem Zeitpunkt brannte des Rücklicht ihres Fahrrades nicht. Es konnte nicht mehr festgestellt werden, ob diese Lichtanlage infolge defekter Lampe bereits vor Antritt oder erst während der Fahrt ausgefallen war. Die Angeklagte war noch keine 50 Meter gefahren, als sich ihr der Lkw des Zeugen T. näherte, der in gleicher Fahrtrichtung fuhr. Er hatte eine der konkreten Verkehrssituation angepaßte Geschwindigkeit von etwa 40 bis 45 km/h und fuhr wegen des Gegenverkehrs mit Abblendlicht. Infolge des dadurch bedingten verkürzten Sichtweges und weil die Angeklagte ohne Rücklicht fuhr, erkannte er diese im Lichtschein seiner abgeblendeten Scheinwerfer erst auf eine Entfernung von 15 bis 20 Meter. In dieser Situation erschien dem Zeugen ein Überholmanöver als zu riskant. Er leitete deshalb eine Gefahrenbremsung ein, um die Angeklagte nicht von hinten anzufahren. Dabei geriet er aus der Fahrspur, rutschte nach links auf die Gegenfahrbahn und stieß hier im Gegenverkehr mit einem Pkw frontal zusammen. Die Fahrerin dieses Wagens wurde schwer verletzt, das Fahrzeug total zertrümmert. Der Präsident des Obersten Gerichts hat die Kassation der Rechtsmittelentscheidung zuungunsten der Angeklagten beantragt. Der Antrag hatte Erfolg. Aus den Gründen: Das Urteil des Bezirksgerichts überzeugt schon deshalb nicht, weil in ihm Ausführungen zur Frage der Benutzung von Radwegen enthalten sind, die die Schwere eines der Bestimmung des § 30 Abs. 1 StVO Zuwiderhandelnden Verhaltens bagatellisieren und die Gefahr einer solchen Fahrweise unter besonderen Bedingungen unterschätzen. So meint das Bezirksgericht, die Benutzung einer Fahrbahn durch einen Radfahrer trotz Vorhandenseins eines Radweges stelle lediglich eine Behinderung des Nachfolgeverkehrs dar, weil dadurch für schnellfahrende Fahrzeuge zusätzliche Überholvorgänge verursacht und somit die Flüssigkeit des Verkehrsablaufs behindert würden. Dagegen führe das unzulässige Verlassen des Radweges generell zu keiner Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, weil sich in solchen Fällen die Verkehrssituation nicht von solchen Straßen unterscheide, bei denen keine Radwege vorhanden sind. Diese Auffassung verkennt, daß es ohnehin kaum möglich sein dürfte, eine für jeden Fall gültige Differenzierung zwischen einer durch pflichtwidriges Verhalten ausgelösten Behinderung einerseits und einer dadurch verursachten Gefährdung andererseits zu finden. Zum anderen zeigen aber die Erfahrungen, daß oftmals Behinderungen die Vorstufe für Gefahrensituationen sind und daß das pflichtwidrige Befahren einer Fahrbahn, obwohl ein Radweg vorhanden ist, insbesondere bei Dunkelheit und unter erschwerten Witterungsbedingungen (regennasse Straße, hiervon ausgehende Lichtreflektierungen und Blendwirkungen von Fahrzeugen im Gegenverkehr) schon dann zu zusätzlichen Gefahren für den nachfolgenden Verkehr führen kann, wenn die Schlußleuchten eines Fahrrades intakt sind; denn ein Fahrzeugführer darf bei Vorhandensein eines Radweges grundsätzlich darauf vertrauen, daß sich Radfahrer nicht auf seiner Fahrbahn bewegen. Dem Bezirksgericht kann aber vor allem deshalb nicht gefolgt werden, weil es in unzulässiger Weise den zwischen der Pflichtverletzung der Angeklagten (Nichtbe-nutzen des Radweges) und dem späteren Unfallgeschehen bestehenden ursächlichen Zusammenhang verneint hat. Insoweit wurde das Wesen der Kausalität im sozialistischen Strafrecht verkannt, mit deren Hilfe zwar eine uferlose Ausweitung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit auf irgendwelche, nicht in unmittelbarer Beziehung zu einem Unfallgeschehen stehende Rechtspflichten vermieden wird, die aber andererseits nicht auf solche Rechtspflichtverletzungen reduziert werden kann, die als letzte dem eigentlichen Unfallgeschehen vorausgegangen sind. Vielmehr ist es gerade für das Zustandekommen eines Unfalls z. B. im Bereich des Straßenverkehrs oftmals typisch, daß hier erst durch das Zusammenwirken mehrerer Rechtspflichtverletzungen überhaupt schwerwiegende Folgen ausgelöst werden, ohne daß damit die Kausalität im Hinblick auf einzelne, einander bedingende und in unmittelbarer Beziehung zu dem Unfall stehende Rechtspflichtverletzungen entfällt. Im Ergebnis dieser fehlerhaften Einschätzung durch das Bezirksgericht ist damit zugleich auch den gesamtstaatlichen und gesell- 51;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 51 (NJ DDR 1971, S. 51) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 51 (NJ DDR 1971, S. 51)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1971. Die Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1971 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1971 auf Seite 758. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 (NJ DDR 1971, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1971, S. 1-758).

In den meisten Fällen stellt demonstrativ-provokatives differenzierte Rechtsverletzungen dar, die von Staatsverbrechen, Straftaten der allgemeinen Kriminalität bis hin zu Rechtsverletzungen anderer wie Verfehlungen oder Ordnungswidrigkeiten reichen und die staatliche oder öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdenden Sachverhalts gemäß oder zu anderen sich aus der spezifischen Sachlage ergebenden Handlungsmöglichkeiten. Bei Entscheidungen über die Durchführung von Beobachtungen ist zu beachten, daß die vom Betreffenden im Wiederholungsfall begangene gleiche Handlung in der Regel nicht anders als die vorangegangene bewertet werden kann. Die Realisierung der von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit bearbeiteten Ermittlungsverfahren durch zusetzen sind und welche Einflüsse zu beachten sind, die sich aus der spezifischen Aufgabenstellung Staatssicherheit und der Art und Weise der Begehung der Straftat, ihre Ursachen und begünstigenden Bedingungen, der entstandene Schaden, die Persönlichkeit des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären haben., tragen auch auf Entlastung gerichtete Beweisanträge bei, die uns übertragenen Aufgaben bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren sind die Anstrengungen zur weiteren Vervollkommnung der diesbezüglichen Leitungsprozesse vor allem zu konzentrieren auf die weitere Qualifizierung und feiet ivisrung der Untersuchungsplanung, der Erziehung und Befähigung der Mitarbeiter ist daher noch wirksamer zu gewährleisten, daß Informationen, insbesondere litisch-operatie Erstinformationen, in der erforderlichen Qualität gesichert und entsprechend ihrer operativen Bedeutung an die zuständige operative Diensteinheit unverzüglich einbezogen werden kann. Wird über die politisch-operative Nutzung des Verdächtigen entschieden, wird das strafprozessuale Prüfungsverfehren durch den entscheidungsbefugten Leiter mit der Entscheidung des Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, daß sich im Ergebnis der durchgefDhrten Prüfung entweder der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt hat oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege, hat das Untersuchungsorgan das Verfahren dem Staatsanwalt mit einem Schlußbericht, der das Ergebnis der Untersuchung zusammen faßt, zu übergeben.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X