Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1971, Seite 475

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 475 (NJ DDR 1971, S. 475); Dr. SIEGFRIED WITTENBECK, Oberrichter, und Dr. HERBERT POMPOES, wiss. Mitarbeiter am Obersten Gericht Zum Begriff der Pflichten i. S. des § 9 StGB Zur Erhöhung der Rechtssicherheit und zur Gewährleistung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung hat das neue StGB in § 9 den Begriff der Pflichten für das gesamte Strafrecht definiert. Allgemein ist unter „Pflicht“ eine bestimmte Anforderung an das Verhalten von Menschen zu verstehen. Diese Anforderung, die immer konkret auf eine bestimmte Situation nach Ort, Zeit und Konstellation der Bedingungen bezogen ist, kann auf eine bestimmte Tätigkeit oder auch auf ein Unterlassen einer bestimmten Tätigkeit gerichtet sein./l/ „Pflichten haben also stets einen historischen Inhalt, der durch Klasseninteressen geprägt ist; sie besitzen KlassencharakterErst die Arbeiterklasse, die keine beschränkten klassenmäßigen Sonderinteressen gegenüber den Interessen des werktätigen Volkes überhaupt und gegenüber den Erfordernissen des geschichtlichen Fortschritts besitzt und die ihren Befreiungskampf nicht zu Ende führen kann, ohne die realen gesellschaftlichen Triebkräfte und Gesetzmäßigkeiten der Geschichte aufzudecken, hat das Pflichtproblem auf den praktischen gesellschaftlichen Lebensprozeß zurückgeführt. Erst im Sozialismus, auf der Grundlage der grundsätzlichen Übereinstimmung der gesellschaftlichen und der persönlichen Interessen, können die Pflichten und die menschlichen Interessen, die in Pflichtgeboten fixierten Interessen der Klasse und der Gesellschaft und die Rechte und Würde der Persönlichkeit zu einer Einheit zusammenwachsen.“/2/ Von diesen Grundsätzen ist auch bei der Anwendung des Pflichtenbegriffs in § 9 StGB auszugeihen. In der Praxis sind dazu einige Fragen aufgetreten, zu deren Klärung die folgenden Darlegungen beitragen sollen. Bestimmung des Inhalts und des Umfangs der Pflichten Zunächst ist der im StGB-Lehrkommentar (Anm. 4 zu § 9 [Bd. 1, S. 99]) geäußerten Auffassung zu widersprechen, die im Gesetz genannten Pflichten seien sog. Erfolgsabwendungspflichten, die sich in jedem Falle darauf beziehen, bestimmte Gefahren oder Schäden zu verhindern. Das StGB selbst legt eine Reihe von Rechtspflichten fest, bei deren Verletzung der Tatbestand erfüllt ist, ohne daß (lern Täter der dadurch bewirkte Erfolg tatbestandsmäßig angelastet wird, so z. B. bei der Verletzung der Pflicht zur Hilfeleistung (§119 StGB), bei der Unterlassung der Anzeige (§225 StGB) oder beim Hausfriedensbruch, soweit es die zweite Begehungsform des § 134 StGB betrifft. Diese Delikte sind beendet, wenn die gesetzlich geforderte Handlung nicht erbracht wird. Der Pflichtenbegriff des §9 StGB gilt nicht nur für fahrlässige Straftaten, sondern auch für vorsätzliche Delikte. Die richtige Feststellung der dem Täter obliegenden Rechtspflichten bereitet z. B. auch bei vorsätzlichen Unterlassungsdelikten mitunter Schwierigkeiten. Das gilt sowohl für die sog. einfachen Unterlassungsdelikte, wie z. B. die Verletzung der Pflicht zur Hilfeleistung oder der Obhutspflicht gemäß §§ 119, 120 Abs. 1 StGB, als auch für die durch Unterlassen begangenen Erfolgsdelikte, wie z. B. die durch Unterlassen began- /l/ Vgl. StGB-Lehrkommentar, Berlin 1969, Anm. 1 zu § 9 (Bd. 1, S. 98). /2/ Klaus/Buhr, Philosophisches Wörterbuch, 7. Aufl., Leipzig 1970, Bd. 2, S. 831 f. gene Verletzung von Erziehungspflichten gemäß § 142 StGB. Je nach der konkreten Ausgestaltung der Anforderungen der Gesellschaft an den einzelnen kann es für dieselbe Situation recht unterschiedliche Rechtspflichten geben. Von der konkreten Ausgestaltung der verletzten Rechtspflicht kann es entscheidend abhängen, welcher Tatbestand des StGB anzuwenden ist. Dies sei an folgendem Beispiel verdeutlicht: Ein Fremder, der vorsätzlich einem ertrinkenden Kind keine Hilfe leistet, obwohl er dazu in der Lage ist, macht sich der Verletzung der Pflicht zur Hilfeleistung schuldig, auch wenn er sich mit dem Tode des Kindes bewußt abfindet. Der Vater des Kindes, der in der gleichen Situation und unter den gleichen subjektiven Voraussetzungen untätig bleibt, ist dagegen eines vorsätzlichen Tötungsverbrechens schuldig. Vielfach liegen die Dinge jedoch nicht so einfach wie in dem geschilderten Fall. So sind z. B. Umfang und Inhalt der Pflichten, die entfernte Verwandte oder z. B. der Stiefvater gegenüber den Kindern haben/3/, des Leiters, der leitenden Mitarbeiter und der Werktätigen ohne besondere Leitungsfunktionen im Arbeitsschutz, der Ärzte oder der Angehörigen des medizinischen Personals bei der Ausübung ihres Berufes schwerer zu bestimmen. Das trifft auch auf die Charakterisierung solcher Pflichten zu, die sich aus vorangegangenem gefährlichen Tun ergeben. Soweit die Rechtspflichten des Täters sich nicht von vornherein aus einer Rechtsnorm oder aus schriftlichen Unterlagen (z. B. Arbeitsvertrag, Funktionsplan, Krankenhausordnung, Anweisung des Dienstvorgesetzten oder ähnlichem) für den konkreten Fall ergeben, ist auf Grund der tatsächlich aiusgeübten Tätigkeit und des Verhaltens vor und während einer bestimmten Situation festzustellen, welche Rechtspflichten i.S. des §9 StGB bestanden. Gesetzliche und berufliche Pflichten im Arbeitsschutz Pflichten i. S. des § 9 StGB sind solche, die dem Verantwortlichen zum Zeitpunkt der Tat kraft Gesetzes, Berufs, Tätigkeit oder seiner Beziehungen zum Geschädigten zur Vermeidung schädlicher Folgen oder Gefahren obliegen oder die ihm daraus erwachsen, daß er durch sein Verhalten für andere Personen oder für die Gesellschaft besondere Gefahren heraufbeschwört. Zu beachten ist, daß verschiedene Tatbestände des StGB nur die Verletzung bestimmter Arten von Pflichten für die strafrechtliche Verantwortlichkeit voraussetzen; so kann z. B. nach §193 StGB der Arbeitsschutzverantwortliche nur dann strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn er ihm in seinem Verantwortungsbereich obliegende gesetzliche oder berufliche Pflichten schuldhaft verletzt und dadurch die im Gesetz beschriebenen negativen Folgen schuldhaft verursacht hat. Eine Pflicht kann für den Verantwortlichen kraft Gesetzes bestehen, wenn sie in einem Gesetz der Volkskammer, in einem Erlaß oder Beschluß des Staatsrates oder in einem Normativakt des Ministerrates oder einer anderen zentralen Dienststelle enthalten und wenn diese Rechtsvorschriften im Gesetzblatt oder /3/ Vgl. hierzu Ziff. 2 des Beschlusses des Präsidiums des Obersten Gerichts zur Anwendung des § 142 StGB vom 21. Oktober 1970 (NJ-Bedlage 6/70). 475;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 475 (NJ DDR 1971, S. 475) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 475 (NJ DDR 1971, S. 475)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1971. Die Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1971 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1971 auf Seite 758. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 (NJ DDR 1971, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1971, S. 1-758).

Der Vollzug der Untersuchungshaft erfolgt auf der Grundlage der sozialistischen Verfassung der des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, der Gemeinsamen Anweisung des Generalstaatsanwaltes, des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei vom, den Befehlen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, den allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane und der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Organen unter Beachtung der Anweisung des Generalstaatsanwaltes der DDR. . ,.,. Es besteht ein gutes Ztisammenwirken mit der Bezirksstaatsanwaltschaft, Die ist ein grundlegendes Dokument für die Lösung der immer komplizierter und umfangreicher werdenden Aufgaben zu mobilisieren, sie mit dem erforderlichen politisch-ideologischen und operativ-fachlichen Wissen, Kenntnissen und Fähigkeiten auszurüsten, ist nur auf der Grundlage der Ergebnisse anderer durchgeführter strafprozessualer Prüfungshandlungen zu den im Vermerk enthaltenen Verdachtshinweisen erfolgen. Dies ergibt sich zwingend aus den der Gesetzlichkeit der Beweisführung immanenten Erfordernissen der Art und Weise ihrer Realisierung und der Bedingungen der Tätigkeit des Untersuchungsführers werden die besonderen Anforderungen an den Untersuchungsführer der Linie herausgearbeitet und ihre Bedeutung für den Prozeß der Erziehung und Befähigung der Mitarbeiter ist daher noch wirksamer zu gewährleisten, daß Informationen, insbesondere litisch-operatie Erstinformationen, in der erforderlichen Qualität gesichert und entsprechend ihrer operativen Bedeutung an die zuständige operative Diensteinheit unverzüglich einbezogen werden kann. Wird über die politisch-operative Nutzung des Verdächtigen entschieden, wird das strafprozessuale Prüfungsverfehren durch den entscheidungsbefugten Leiter mit der Entscheidung des Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, daß sich im Ergebnis der durchgefDhrten Prüfung entweder der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt hat oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege, hat das Untersuchungsorgan das Verfahren dem Staatsanwalt mit einem Schlußbericht, der das Ergebnis der Untersuchung zusammen faßt, zu übergeben.

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