Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1971, Seite 362

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 362 (NJ DDR 1971, S. 362); nem Urteil vom 11. Februar 1935 (RGZ Bd. 147 S. 65) also noch vor dem Erlaß der vom 15. September 1935 datierenden „Nürnberger Gesetze“ entschied das Reichsgericht, daß die Erlaubnis zur Aufnahme eines arischen Pflegekindes widerrufen werden könne, wenn der Pflegevater nichtarischer Abstammung ist, und begründete dies folgendermaßen: „Bei der grundlegenden Bedeutung der Rassenfrage im nationalsozialistischen Staate ist es klar, daß die Heranbildung des jungen Menschen arischer Abstammung zu einem art-und rassebewußten Volksgenossen einen untrennbaren Bestandteil des Erziehungswerkes bildet und daß diese Heranbildung nicht gewährleistet ist, wenn zwar die Pflegemutter, nicht aber der Pflegevater arischer Abstammung ist“ (S. 67). Das Bemerkenswerte an diesem Urteil ist die Übernahme der nazistischen Rasse-Ideologie ohne jede auch nur formale gesetzliche Grundlage. Eine Reihe von Entscheidungen trug der nazistischen Forderung Rechnung, Ehen zwischen Nichtjuden und Juden aufzulösen. So erkannte bereits ein Urteil des Reichsgerichts vom 12. Juni 1934 (RGZ Bd. 145 S. 1) grundsätzlich die Möglichkeit der Anfechtung derartiger Ehen durch den nichtjüdischen Teil an. Die Anfechtung wurde zugelassen, wenn der nichtjüdische Teil zum Zeitpunkt der Eheschließung keine Kenntnis von der jüdischen Abstammung des anderen Teils hatte, wenn er „unter dem Einfluß kirchlicher Lehren vom Rassenunterschied überhaupt nichts wußte, sondern angenommen hat, der andere Ehegatte gehöre lediglich einer anderen Religion an“, wenn er „zwar etwas vom Bestehen eines Rassenunterschiedes gehört, aber zufolge primitiven Denkens das Wesen des Rassenunterschieds nur ungenügend erfaßt hatte “ (S. 70). Ausgehend von diesem Urteil wurde der Weg zur Auflösung solcher Ehen eröffnet, der für den jüdischen Teil wenige Jahre später den Weg in das Vernichtungslager bedeutete. Um andererseits Personen, die den Nazis erwünscht waren, wie z. B. dem Fliegergeneral Milch, die Möglichkeit der „Arisierung“ zu geben, setzte sich das Reichsgericht über die gesetzliche' Frist zur Anfechtung der Ehelichkeit hinweg und statuierte mit Urteil vom 23. November 1936 (RGZ Bd. 152 S. 390) die Möglichkeit, auch später „die blutmäßige Abstammung noch im entgegengesetzten Sinne festzustellen“ (S. 71). Auf diesem Wege konnte dann der Sohn oder die Tochter, unterstützt durch falsche Angaben der nichtjüdischen Mutter, sich den diskriminierenden Folgen der nazistischen Rassegesetzgebung entziehen. Kaul führt zahlreiche Beispiele an, wie das Reichsgericht in Scheidungssachen die nazistische Bevölkerungspolitik unterstützte (S. 72 ff.). Kennzeichnend hierfür ist die Entscheidung vom 2. Dezember 1942 (RGZ Bd. 170 S. 193), der folgender Sachverhalt zugrunde liegt: Die Ehefrau bekam im Alter von 33 Jahren nach langwieriger und schwerer Entbindung das erste 'Kind. Sie lehnte es daraufhin ab, weitere Kinder zu bekommen, was den Mann zur Einreichung der Scheidungsklage veranlaßte. Das Reichsgericht entsprach seinem Antrag mit folgender Begründung: „Außer jedem Zweifel ist, daß die Weigerung der Beklagten (Ehefrau) sachlich eine schwere Eheverfehlung darstellt. Es handelt sich dabei der Art nach sogar um eine besonders schwere, lebenswichtigen Belangen der Volksgemeinschaft widerstreitende Eheverfehlung Die hier auf jem Spiele stehenden Belange der Volksgemeinschaft gestatten es nicht, eine die Empfängnis eines zweiten Kindes wegen vermeintlicher Gefährdung ihres Lebens verweigernde Ehefrau als entschuldigt anzusehen“ (S. 75). Auf dem Gebiete des Strafrechts war das Reichsgericht zunächst auch noch in politischen Strafsachen tätig. Kaul weist darauf hin, daß es hierbei seine Rechtsprechung aus der Zeit der Weimarer Republik fortsetzte, die fortschrittliche Bestrebungen als „hochverräterisch“ kennzeichnete und der KPD „gerichtsnotorische“ Umsturzpläne unterstellte (S. 81). Interessant ist auch die Tatsache, daß mehr als die Hälfte der Hoch- und Landesverratsurteile, die das Reichsgericht bis zur Errichtung des sog. Volksgerichtshofes im Frühjahr 1934 fällte, Vorgänge aus der Zeit vor dem 30. Januar 1933 zum Gegenstand hatten (S. 82). Das Reichsgericht führte in Hochverratsverfahren niemals eine den Bestimmungen der Strafprozeßordnung entsprechende umfassende Beweisaufnahme über die wirklichen Beweggründe der Angeklagten durch, die der Nazidiktatur Widerstand entgegengesetzt hatten. Der angeblich hochverräterische Charakter der Ziele der Angeklagten wurde lediglich mit der „ständigen Rechtsprechung“ über die Ziele der KPD behauptet oder als „gerichtsbekannt“ unterstellt (S. 83). Hier sind deutlich „bewährte Traditionen“ erkennbar, die in der politischen Justiz der BRD gegen fortschrittliche Bürger, vor allem gegen Kommunisten, ihre direkte Fortsetzung gefunden haben. Bemerkenswert ist der von Kaul geführte Nachweis, daß das Reichsgericht in Urteilen aus dem I. Quartal 1934 seine konstruierten Hochverratstatbestände ohne Beweisführung auch auf die SPD und die von ihr 1931 abgesplitterte SAP ausdehnte (S. 83 ff.). Was die in Hochverratssachen verhängten Strafen anbelangte, so ging das Reichsgericht 1933 von der Festungshaft zu Gefängnisstrafen und erstmalig am 5. April 1933 zu Zuchthausstrafen über (S. 86). Zum Schluß dieses Abschnitts gibt Kaul eine Darstellung des Reichstagsbrandprozesses (S. 87 bis 112). Besonders instruktiv sind die Ausführungen über die Strafrechtsprechung des Reichsgerichts auf Grund der „Nürnberger Gesetze“ (S. 113 ff.). Man muß Kaul zustimmen, wenn er die Annahme ausspricht, daß sich das Reichsgericht mit den Grundsatzentscheidungen auf diesem Gebiet bewußt wieder in den politischen Vordergrund spielen wollte, nachdem ihm die Entscheidungskompetenz über Hoch- und Landesverratssachen verlorengegangen war (S. 14). Im Urteil des Obersten Gerichts der DDR gegen Adenauers ehemaligen Staatssekretär Globke wurde nachgewiesen, daß dieser bereits seinen Kommentar zu den „Nürnberger Gesetzen“ benutzte, um die Lage der jüdischen Bürger sowie der wegen teilweiser jüdischer Abstammung von den Gesetzen Betroffenen weiter zu verschlechtern (NJ 1963 S. 469 ff.). Diese Linie wird, wie das von Kaul zusammengestellte Material zeigt, vom Reichsgericht fortgesetzt. In einer Reihe von Fällen, die zur Verurteilung geführt haben, liegen nicht einmal die Voraussetzungen der „Nürnberger Gesetze“ vor. Das Reichsgericht hat stets zuungunsten der Bürger jüdischer Abstammung entschieden und damit noch über die Gesetze hinaus seinen Beitrag zur Ausschaltung und Vernichtung jüdischer Bürger geleistet. Die vom Verfasser bewiesene Tatsache, daß gerade auf diesem Gebiet Strafen verhängt wurden, die nicht einmal in den Nazigesetzen ihre Grundlage hatten, zeigt erneut, daß die Richter des Reichsgerichts die Nazi-Ideologie zur Grundlage ihrer Urteilssprüche machten. Aus dem umfangreichen Material seien einige Beispiele angeführt. Das erste Urteil des Reichsgerichts über „Rassenschande“ erging am 24. Juli 1936 (RGSt Bd. 70 S. 290). Ihm lag folgender Sachverhalt zugrunde: In Nürnberg lebte ein Mann seit acht Jahren mit einer Frau zu- 362;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 362 (NJ DDR 1971, S. 362) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 362 (NJ DDR 1971, S. 362)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1971. Die Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1971 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1971 auf Seite 758. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 (NJ DDR 1971, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1971, S. 1-758).

Von besonderer Bedeutung ist die gründliche Vorbereitung der Oberleitung des Operativen Vorgangs in ein Ermittlungsverfahren zur Gewährleistung einer den strafprozessualen Erfordernissen gerecht werdenden Beweislage, auf deren Grundlage die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer öffentlichkeitswirksamen und häufig auch politisch brisanten Maßnahme, insbesondere wenn sie sich unmittelbar gegen vom Gegner organisierte und inspirierte feindliche Kräfte richtet. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und im Strafverfahren - wahre Erkenntni resultate über die Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Beschuldigtenvernehmung bestimmt von der Notwendiqkät der Beurteilung des Wahrheitsgehaltes der Beschuldigtenaussage. Bei der Festlegung des Inhalt und Umfangs der Beschuldigtenvernehmung ist auch immer davon auszugehen, daß die Strafprozeßordnung die einzige gesetzliche Grundlage für das Verfahren der Untersuchungsorgane zur allseitigen Aufklärung der Straftat zur Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist. Gegenstand der Befugnisse des Gesetzes durch die Diensteinheiten der Linie. Zu den allgemeinen Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes. Die rechtliche Stellung der von der Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes Betroffenen wird vor allem aus ihrem Verhältnis zur Gefahrenabwehr bestimmt. Allen den im genannten Personen ist gemeinsam, daß sie grundsätzlich zur Gefahrenabwehr beitragen können.

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