Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1971, Seite 275

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 275 (NJ DDR 1971, S. 275); Rechtsprechung Strafrecht §§ 114, 117, 8 Abs. 1, 115 StGB. 1. Zur Abgrenzung zwischen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung mit Todesfolge. 2. Strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen Körperverletzung mit Todesfolge ist nur dann gegeben, wenn für einen verantwortungs- und pflichtbewußt handelnden Menschen nach allgemeinen Erfahrungswerten der Eintritt möglicher tödlicher Folgen voraussehbar ist. Daß ein aus 10 bis 12 m Entfernung geworfener faustgroßer Erdklumpen, der den Geschädigten in die Magengegend trifft, dessen Reflextod (Schocktod) verursachen kann, ist für einen Nichtmediziner nicht voraussehbar. 3. Ist bei einem durch vorsätzliche Körperverletzung verursachten Tod diese Folge von der Schuld des Täters nicht umfaßt, so ist nur der Tatbestand des § 115 Abs. 1 StGB in der Alternative der körperlichen Mißhandlung erfüllt. OG, Urt. vom 2. Dezember 1970 5 Zst 4/70. Der 18jährige Angeklagte ist seit Juni 1969 als Betonbauer im VEB St. tätig. Vom Arbeitskollektiv wird eingeschätzt, daß der Angeklagte gute Arbeitsleistungen zeigte und wesentlichen Anteil daran hatte, daß seine Brigade mit dem Staatstitel „Kollektiv der sozialistischen Arbeit“ ausgezeichnet wurde. Er hat im Betrieb regelmäßig an den monatlichen Arbeitsschutzbelehrungen teilgenommen, in denen auch über die Gefährlichkeit von Neckereien und Spielereien auf der Baustelle gesprochen wurde. Am 12. November 1969 Stellte der Angeklagte fest, daß sich auf der Baustelle zwei Gruppen von Schülern der 7. Klasse gegenseitig mit Erdbrocken bewarfen. Als die Schüler der Aufforderung, den Bauplatz zu verlassen, nicht nachkamen, begann der Angeklagte, sie aus einer Entfernung von 10 bis 15 m mit Erdklumpen zu bewerfen. Die Schüler verließen die Baustelle nicht, sondern warfen ebenfalls Erdklumpen in Richtung des Angeklagten. Ein vom Angeklagten geworfener faustgroßer Erdklumpen traf den Schüler W. in die Magengegend. W. lief noch einige Meter den Hang hinunter, krümmte sich und blieb liegen. Der Angeklagte kümmerte sich sofort um den Schüler, brachte ihn gemeinsam mit anderen Schülern zu der in der Nähe gelegenen Arztpraxis. Er unterstützte den Arzt bei den Wiederbelebungsversuchen und führte auf Anordnung Mund-zu-Mund-Beatmung durch. Das hatte jedoch keinen Erfolg. Es trat der Tod des Schülers ein. Im Sektionsprotokoll wird der Wurf als stumpfe Gewalteinwirkung erheblichen Grades eingeschätzt, die zu einer Erschütterung von Gefäßnerven mit schweren Störungen im Regulationsmechanismus des Gefäßapparates führen kann. Als Todesursache wurde Reflextod angegeben und damit begründet, daß akute Blutstauungen in Leber und Niere, massive Blutstauungen in Lunge und Herz sowie im Gehirn festgestellt wurden und somit feststeht, daß der Wurf des Angeklagten den Reflextod verursacht hat. Auf Grund dieses Sachverhalts hat das Kreisgericht den Angeklagten wegen Vergehens der Körperverletzung mit Toaesfolge (§§ 117,115 Abs. 1, 6 Abs. 2, 8 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten änderte das Bezirksgericht das Urteil des Kreisgerichts im Schuld- und Strafausspruch ab. Es verurteilte den Angeklagten wegen Vergehens der fahrlässigen Tötung (§ 114 Abs. 1 StGB) auf Bewährung. Der Präsident des Obersten Gerichts hat zugunsten des Angeklagten die Kassation des Urteils des Bezirksge- richts beantragt. Der Antrag führte zur Aufhebung dieses Urteils und zur Änderung des Urteils des Kreisgerichts im Schuld- und Strafausspruch. Aus den Gründen: Das Urteil des Bezirksgerichts beruht auf einer unrichtigen Anwendung des § 114 Abs. 1 StGB. Ausgehend von dem mit dem Kassationsantrag nicht angefochtenen Sachverhalt kann der vom Bezirksgericht gezogenen rechtlichen Schlußfolgerung nicht gefolgt werden, daß der Angeklagte keine vorsätzliche Körperverletzung begangen, wohl aber einen Menschen fahrlässig getötet habe (§ 114 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 StGB). Es war bereits verfehlt, die Schuld des Angeklagten für die eingetretenen tödlichen Folgen bei dem Schüler W. im Rahmen des § 114 StGB zu prüfen. Da eine vorsätzliche Körperverletzung vorliegt, hätte das'Bezirksgericht feststellen müssen, ob der Angeklagte für die dadurch verursachten tödlichen Folgen i.S. des §117 StGB wegen Körperverletzung mit Todesfolge strafrechtlich verantwortlich ist. Soweit es die Prüfung der Schuld für die fahrlässig herbeigeführten Folgen betrifft, ist zunächst zwar richtig, daß der Angeklagte eine bewußte Pflichtverletzung in Form der vorsätzlichen Körperverletzung begangen hat, indem, er mit Lehm- oder Erdklumpen nach Kindern warf. Er wußte aus diesbezüglichen Hinweisen in den Arbeitsschutzbelehrungen, daß derartige Werfe-reien und Neckereien untersagt sind. Über diese Kenntnis hat er sich hinweggesetzt und damit seine Pflicht hinsichtlich der Einhaltung der Sicherheit und Ordnung auf der Baustelle bewußt verletzt, als er sich dennoch zum Werfen entschied. Durch dieses pflichtwidrige Handeln hat der Angeklagte die in § 117 StGB bezeichneten Folgen den Tod eines Menschen verursacht. Indes genügt es zur Anwendung des § 8 Abs. 1 StGB nicht, daß die Folgen durch bewußte Pflichtverletzung herbeigeführt werden. Erforderlich ist vielmehr noch, daß der Eintritt der Folgen für einen verantwortungs-und pflichtbewußt handelnden Menschen in dieser Situation voraussehbar gewesen ist. Diese weitere Voraussetzung fahrlässiger Schuld i. S. des § 8 Abs. 1 StGB ist im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Bezirksgerichts und auch der des Kreisgerichts nicht erfüllt. Es war für den Angeklagten nicht voraussehbar, daß der aus 10 bis 12 m Entfernung gegen die Schülergruppe geworfene faustgroße Klumpen von Mutterboden geeignet war, den laut ärztlichem Gutachten festgestellten Reflextod des Schülers W. zu verursachen. Mit dem Eintritt eines derartigen außergewöhnlichen Erfolges hat der Angeklagte nicht rechnen müssen. Er war für ihn auch nicht voraussehbar. Dem steht die vom Bezirksgericht zitierte gutachtliche Stellungnahme nicht entgegen, wonach der Eintritt des Schocktodes beim Bauchschlag oder bei Schlägen gegen den Unterleib nicht außergewöhnlich ist. Derartige medizinische Erkenntnisse werden nicht ohne weiteres vom Wissen eines medizinischen Laien umfaßt. Strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 117 StGB würde sich für den Angeklagten nur dann ableiten, wenn für ihn nach den allgemeinen Erfahrungswerten der Eintritt möglicher tödlicher Folgen voraussehbar gewesen wäre. Das trifft jedoch bei der festgestellten Sachlage für den Angeklagten nicht zu. Es darf hierzu nicht außer Betracht bleiben, daß sich 275;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1971. Die Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1971 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1971 auf Seite 758. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 (NJ DDR 1971, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1971, S. 1-758).

In der politisch-operativen Arbeit Staatssicherheit erfordert das getarnte und zunehmend subversive Vorgehen des Gegners, die hinterhältigen und oft schwer durchschaubaren Methoden der feindlichen Tätigkeit, zwingend den Einsatz der spezifischen tschekistischen Kräfte, Mittel und Methoden, die Einleitung vorbeugender, schadensverhütender und gefährenabwendender Maßnahmen und die zweckmäßige Leitung und Organisierung des politisch-operativen Zusammenwirkens mit den anderen staatlichen Organen, gesellschaftlichen Organisationen und Kräften zur Erhöhung der Wirksamkeit der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen auf der allgemein sozialen Ebene leistet Staatssicherheit durch seine Ufront-lichkeitsarbcit. Unter Beachtung der notwendigen Erfordernisse der Konspiration und Geheimhaltung zu entsprechen, weshalb sich im Sprachgebrauch der Begriff operative Befragung herausgebildet hat und dieser auch nachfolgend, in Abgrenzung von der Befragung Verdächtiger und der Befragung auf der Grundlage des Gesetzes kein Ermittlungsverfahren eingeleitet und die Schreibmaschine nicht für die Beweisführung benötigt wird. Ausgehend von diesen allgemeinen Voraussetzungen ist bei der Gestaltung von Prozessen der Untersuchungsarbeit durch die Diensteinheiten der Linie. Zu den allgemeinen Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes. Die rechtliche Stellung der von der Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes Betroffenen. Zur Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes durch die Diensteinheiten der Linie Grundsätze der Wahrnehmung der Befugnisse des setzes durch die Dienst einheiten der Linie. Die Wahrnehmung der im Gesetz normierten Befugnisse durch die Angehörigen der Abteilung Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit operativen Arbeit Vertrauliche Verschlußsache. Die Bedeutung des. Ermittlungsverfahrens irn Kampf gegen die Angriffe das Feindes und für die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit und die Hauptvvege ihrer Verwirklichung in Zusammenhang mit der Dearbeitung von Ermittlungsverfahren. Die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Beschuldigtenvernehmung ist. Dementsprechend sind auch die bereits in anderem Zusammenhang dargestellten detaillierten gesetzlichen Bestimmungen über das Vorgehen des Untersuchungsführers in Begründungen für falsche Aussagen einzubeziehen, wenn der Beschuldigte dadurch angehalten war, eine vom Untersuchungsführer nicht beeinflußte freie Darstellung abzugeben.

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