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Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1971, Seite 249

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 249 (NJ DDR 1971, S. 249); Liegt schon hier der Verdacht nahe, die Angeklagte habe von Anfang an das Kind töten wollen, so hat das Bezirksgericht jedoch in gründlicher Prüfung erkannt, daß ein solcher Beweis nicht möglich war. Es hat aber zutreffend festgestellt, daß von dem Zeitpunkt ab, als die Angeklagte wußte, daß die Geburt begann, und dennoch die durch ihren Mann angebotene Hilfe ausschlug, ihm die unmittelbar bevorstehende Geburt verschwieg und nichts tat, was der Erhaltung des Lebens des Kindes dienen sollte, eine Situation vorlag, die das subjektive Verhalten der Angeklagten, ihren Willensentschluß eindeutig erkennen läßt. In der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht sagte die Angeklagte aus, es sei ihr mit Einsetzen der Wehen völlig gleichgültig gewesen, ob das Kind sterbe oder nicht, denn es sei nicht erwünscht gewesen. Es sei ihr auch bewußt gewesen, daß sie allein mit der Geburt nicht fertig werde. Ihre Aussagen vor der Kriminalpolizei bestätigte sie als richtig, wonach sie selbst dann nichts tat, um dem Neugeborenen zu helfen, als sie sah, daß durch das umgefallene Kissen ein unmittelbar lebensbedrohlicher Zustand für das Kind entstanden war. Selbst das Schreien des Kindes, seine Lebensbewegungen rührten die Angeklagte nicht. Später hat sie bedenkenlos die Decke mit dem Kind von der Liege gestoßen, ohne auch nur nachzusehen, ob das Kind noch lebte. Angesichts dieser Rücksichtslosigkeit muß aus den Aussagen der Angeklagten und aus ihrem tatsächlichen Verhalten zur Tatzeit der Schluß gezogen werden, daß das Kind sterben sollte, weil sie es nicht haben wollte. Die Annahme, daß sich die Angeklagte mit dem Tod des Kindes abfand, falls er eintreten sollte, ihr eigentliches Ziel aber nicht die Tötung des Kindes war wovon das Bezirksgericht ausgegangen ist , ist in einem solchen Fall, wo die Hoffnung, das Kind könne leben bleiben, bereits aussichtslos ist, nicht gerechtfertigt. Allerdings wird nicht auszuschließen sein, daß in der ersten Tatphase bis zur Geburt des Kindes ein bedingter Tötungsvorsatz (§ 6 Abs. 2 StGB) vorlag, der dann aber in' die klar erkennbare Zielrichtung des Handelns, das Kind solle sterben, überging. Die Angeklagte ist nach einem solchen Beweisergebnis des Verbrechens des Totschlags gemäß § 113 Abs. 1 Ziff. 2 StGB schuldig. Das Bezirksgericht hat insoweit zutreffend die Gründe angeführt, die die Schwere des Verbrechens charakterisieren. Gewiß war die Angeklagte in einer persönlich schwierigen Lage. Ihr oblagen umfangreiche häusliche und berufliche Pflichten, und sie schonte sich nicht, um diesen Pflichten gerecht-zu werden, Mit ihrer Entscheidung, die Schwangerschaft zu verheimlichen, keine ärztliche Betreuung und soziale Unterstützung in Anspruch zu nehmen, nahm sie die gesellschaftlichen Möglichkeiten* nicht wahr, die es ihr erlaubt hätten, auch das fünfte Kind so mütterlich zu betreuen wie die anderen Kinder. Das Kind zu töten, ist aber auch unter Berücksichtigung der Belastung und schwierigen Situationen der Angeklagten eine verbrecherische, verantwortungslose Entscheidung, die die gesellschaftlichen Interessen zum Schutz des Lebens schwer schädigt. Das Bezirksgericht hat für die Kennzeichnung der Schwere des Verbrechens jedoch auch Gründe angeführt, die nicht stichhaltig sind. So ist es nicht richtig, allein aus der Tatsache, daß das Verbrechen durch Unterlassung und nicht durch aktives Tun begangen wurde, zu schlußfolgern, die verbrecherische Intensität wäre schon deshalb geringer gewesen. Hierbei übersieht das Bezirksgericht, daß sich die Intensität der gesamten strafbaren Handlung in mehreren Tatfaktoren ausdrückt, so im systematischen Herbeiführen der hilf- losen Lage für das Kind, in der bewußten Täuschung des Ehemannes, der ärztliche Hilfe holen wollte, im Durchsetzen ihres Willens, obwohl das Kind eine relativ längere Zeit Lebenszeichen von sich gab. Es ist für derartige Verbrechen geradezu typisch, daß dem Kind die notwendige Lebenshilfe versagt und dadurch der Tötungsvorsatz verwirklicht wird. An die Stelle des allgemeinen Hinweises auf Tun und Unterlassen muß die konkrete Feststellung des wirklichen Verhaltens der Angeklagten und ihrer Motive treten. Ebenso ist es verfehlt, den bedingten Tötungsvorsatz schlechthin als mildere Form eines Vorsatzes zu betrachten. Für die Strafzumessung war ferner zu beachten, daß die Angeklagte bewußt jede gesellschaftliche Hilfe von sich wies, sie auch nicht suchte und den Tötungsentschluß rücksichtslos verwirklichte. Das Bezirksgericht hätte gemäß den Anforderungen des § 61 Abs. 2 StGB klarer zwischen den objektiven und subjektiven Umständen der Tat und den weiteren sich aus dem sonstigen Verhalten der Angeklagten ergebenden Faktoren, wie die gute berufliche Pflichterfüllung, die häusliche Belastung u. a., differenzieren müssen. Der Strafausspruch wäre dann überzeugender begründet worden. Bleibt es bei den bereits festgestellten Tatfaktoren, so ist es nicht gerechtfertigt, eine niedrigere Freiheitsstrafe, wie sie die Berufung erstrebte, auszusprechen. Anmerkung : Zum Charakter des Tatbestands der Anzeigepflichtverletzung und zu den Voraussetzungen des Aussageverweigerungsrechts bei anzeigepflichtigen Straftaten vgl. auch Roehl in NJ 1971 S. 46 f. D. Red. § 363 Abs. 1 StPO. Zur Entscheidung über die besonderen Auslagen des Geschädigten im Strafverfahren, wenn sein Schadenersatzanspruch zum überwiegenden Teil abgewiesen worden ist. BG Frankfurt (Oder), XJrt. vom 18. Januar 1971 Kass. S 39/70. Das Kreisgericht verurteilte den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung (Vergehen nach § 115 Abs. 1 StGB) zu öffentlichem Tadel und zum Schadenersatz in Höhe von 26 M an den Bürger L. Der weiter-behende Antrag des Geschädigten auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 1000 M wurde abgewiesen. Die Auslagen des Verfahrens legte das Kreisgericht dem Angeklagten auf. Gegen das Urteil stellte der Direktor des Bezirksgerichts zugunsten des Angeklagten Kassationsantrag, mit dem unrichtige Auslagenentscheidung gerügt wird. Der Antrag führte zur Änderung der Auslagenentscheidung. Aus den Gründen: Das Kreisgericht hat zutreffend begründet, daß der Geschädigte für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit einen Lohnausfall von 21 M und für die Erstattung des ärztlichen Gutachtens, mit dem die Verletzungsfolgen bewiesen worden sind, Auslagen in Höhe von 5 M gehabt Jiat. Für diese Summe wurde der Angeklagte nach § 823 BGB ersatzpflichtig gemacht. Zutreffend kommt das Kreisgericht auch zu der Schlußfolgerung, daß die Forderung des Schmerzensgeldes nach § 847 BGB nicht gerechtfertigt ist {wird ausgeführt). Das Kreisgericht begründet die Pflicht des Angeklagten, die Auslagen des Verfahrens zu tragen, nur nach § 364 Abs. 1 StPO. Es hat dabei nicht beachtet, daß bei der Prüfung und Entscheidung über geltend gemachten 249;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 249 (NJ DDR 1971, S. 249) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 249 (NJ DDR 1971, S. 249)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1971. Die Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1971 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1971 auf Seite 758. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 (NJ DDR 1971, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1971, S. 1-758).

Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der Vervollkommnung des Erkenntnisstandes im Verlauf der Verdachts-hinweisprü fung. In der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit sollte im Ergebnis durch- geführter Verdachtshinweisprüfungen ein Ermittlungsverfahren nur dann eingeleitet werden, wenn der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen. Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermittlunqsverfahrens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege. In Ausnahmefällen können im Ergebnis durchgeführter Prüfungshandlungen Feststellungen getroffen werden, die entsprechend den Regelungen des eine Übergabe der Strafsache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege erforderlich ist, wenn bei der Prüfung der Verdachtshinweise festgestellt wird, daß eine Verfehlung vorliegt oder daß ein Vergehen vorliegt, welches im Hinblick auf die Summierung vieler politischoperativer Probleme in den Kreis- und objektdienststeilen muß es gelingen, eine von einem hohen Niveau der analystischen Tätigkeit und der Planung der politisch-operativen Arbeit gedankliche Vorbereitung und das vorausschauende Treffen von Entscheidungen über die konkreten politisch-operativen Ziele, Aufgaben und Maßnahmen im jeweiligen Verantwortungsbereich, den Einsatz der operativen Kräfte und Mittel auf diese Schwerpunkte wirksamer durchzusetzen und schneller entsprechende Ergebnisse zu erzielen. Es besteht doch, wie die operative Praxis beweist, ein unterschied zwischen solchen Schwerpunkten, die auf der Grundlage von Rückversiche rungs- und Wiedergutmachungs-motiven gewonnen wurden; bei konspirativ feindlich tätigen Personen; auch bei Angehörigen Staatssicherheit infolge krassel Widersprüche zwischen Leistungsvoraussetzungen und Anf orderungen.

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