Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1971, Seite 245

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 245 (NJ DDR 1971, S. 245); laßte der Angeklagte, daß der Junge sich nunmehr nur noch im Kinderzimmer aufhalten konnte, aus dem er alle Bücher entfernte. Später montierte d£r Angeklagte überdies den Fensterriegel ab, so daß das Fenster nicht mehr zu öffnen war. Während eines dreiwöchigen Krankenhausaufenthalts der Angeklagten Ingeburg H. im September 1968 schlug der Angeklagte den Jungen mehrfach aus nichtigen Anlässen. Hierzu benutzte er entweder einen Kleiderbügel oder die Hände. Bei einer derartigen Mißhandlung schlug er den Jungen so, daß diesem eine Ecke eines Zahnes abbrach. Seine ungeputzten Schuhe bekam er einmal an den Kopf geworfen, so daß ein Ohr aufriß und blutete. Der Angeklagte erteilte dem Jungen auch den Auftrag, über sein Verhalten seit Ende der Schulzeit eine schriftliche Selbsteinschätzung anzufertigen. Diese etwa 20 Seiten umfassende Einschätzung heftete der Angeklagte ab und wollte sie später mit dem Jungen auswerten. Er ordnete weiter an, daß Helmut an bestimmten Sonntagen kein Fleisch oder keinen Nachtisch erhalten sollte. Am 4. Mai 1969 schlug der Angeklagte den Jungen so, daß dieser erhebliche Verletzungen am Rücken und arj den Oberarmen erlitt. Der Grund lag darin, daß er heimlich ein Buch an sich genommen und leicht beschädigt sowie mit Gips gespielt hatte. Die Angeklagte war mit der Behandlung ihres Sohnes durch den Angeklagten nicht einverstanden. Sie versuchte diese zu mildern, gab dem Jungen heimlich Nahrungsmittel, Zeitschriften und Bücher und warf auch die Metallstange weg, mit der ihr Ehemann zugeschlagen hatte. Sie unternahm jedoch nichts, um die Anordnungen und Mißhandlungen ihres Ehemannes generell zu verhindern. Auf Grund dieses Sachverhalts verurteilte das Kreisgericht die Eheleute H. wegen teils gemeinschaftlich und teils allein begangener Verletzung von Erziehungspflichten und wegen Freiheitsberaubung, beides im schweren Fall. Auf die Berufungen hin änderte das Bezirksgericht die Entscheidung des Kreisgerichts ab und verurteilte den Angeklagten Günther H. wegen teils gemeinschaftlich begangener, teils mehrfacher Verletzung von Erziehungspflichten, teilweise im schweren Fall, teilweise in Tateinheit mit mehrfacher Freiheitsberaubung im schweren Fall (Verbrechen und Vergehen gemäß §§ 142 Abs. 1 Ziff. 1 und 2, Abs. 2, 131 Abs. 1 und 2, 63 Abs. 2, 22 Abs. 2 Ziff. 2, 81 Abs. 3 StGB) sowie die Angeklagte Ingeburg. H. wegen gemeinschaftlicher Verletzung von Erziehungspflichten, teilweise in Tateinheit mit Freiheitsberaubung (Vergehen gemäß §§ 142 Abs. 1 Ziff. 1, 131 Abs. 1, 63 Abs. 2, 81 Abs. 3, 14, 62 Abs. 1 StGB). Der Präsident des Obersten Gerichts hat zugunsten der beiden Angeklagten die Kassation des Urteils des Bezirksgerichts beantragt. Der Antrag hatte Erfolg. Aus den Gründen: 1. Zum Angeklagten Günther H.: Im Ergebnis der im vorliegenden Fall umfassend durchgeführten Beweisaufnahme steht ohne Zweifel fest, daß der Angeklagte in tatsächlicher Hinsicht sehr gewalttätig gehandelt und die Entwicklung eines jungen Menschen zu einer sozialistischen Persönlichkeit durch ein dessen Menschenwürde in erheblichem Maße verletzendes Verhalten beeinträchtigt hat. Ein solches Vorgehen steht im krassen Widerspruch zu den Erziehungszielen des sozialistischen Staates, der Gesellschaft und jedes Bürgers und durchkreuzt die auf die Verwirklichung der sozialistischen Jugendpolitik gerichteten gesamtstaatlichen und gesellschaftlichen Maßnahmen zur Herausbildung sozialistischer Persönlichkeiten in der sozialistischen Menschengemeinschaft. Dieses gesamtgesellschaftliche Anliegen erfährt auch durch das sozialistische Strafrecht den notwendigen, jedoch nicht ausschließlich auf § 142 StGB beschränk- ten Schutz, wenngleich diese Strafrechtsnorm die besondere Verantwortung der Eltern sowie anderer Erziehungspflichtiger für Kinder und Jugendliche hervorhebt. Die für die Verwirklichung dieses Straftatbestandes erforderlichen Voraussetzungen hat das Bezirksgericht jedoch zum Teil verkannt. So kann insbesondere der Rechtsansicht des Bezirksgerichts, dem Angeklagten seien auf Grund der Vereinbarung zwischen den Eheleuten bei Eingehung der Ehe, das Kind gemeinsam zu erziehen, generell elterliche Erziehungspflichten i. S. des § 142 StGB erwachsen, nicht gefolgt werden; denn es trifft nicht zu, daß ein Stiefelternteil schon aus den engen familiären Beziehungen und einer diesbezüglichen Absprache eine Erziehungspflicht für die im Haushalt lebenden Kinder seines Ehegatten hat. Eine solche Rechtspflicht läßt sich zunächst nicht aus den Bestimmungen des Familiengesetzbuchs ableiten. § 47 Abs. 1 und 2 FGB verpflichtet zwar den Stief-elternteil, seinen Ehegatten bei der Erziehung der Kinder zu unterstützen. Das FGB gewährt ihm aber keine Rechte und begründet auch keine über die durch andere Gesetze auferlegten staatlichen Pflichten, wie beispielsweise die Sicherung der Schul- und Impfpflicht, hinausgehende Erziehungspflichten, die ihn zum Rechtspflichtigen nach § 142 StGB machen. Eine solche Rechtspflicht ergibt sich aber auch nicht ohne weiteres aus einer entsprechenden Absprache zwischen den Ehegatten. Das folgt daraus, daß sich zwar Eltern im täglichen Leben bei der Erziehung ihrer Kinder durchaus der Hilfe anderer Bürger, wie z. B. im Haushalt lebender Verwandter, des Lebenskameraden oder auch anderer bedienen können. Durch eine solche Beauftragung Dritter können sich die Eltern jedoch nicht ihrer verfassungsrechtlichen Grundpflicht zur Erziehung ihrer Kinder entziehen, für deren Erfüllung sie persönlich die Verantwortung tragen. Andererseits können Eltern aus gesellschaftlich zu rechtfertigenden Gründen, wie z. B. bei längerer Krankheit, dienstlicher Abordnung u.ä., daran gehindert sein, ihr elterliches Erziehungsrecht auszuüben. Wenn Eltern in solchen Fällen auch ohne staatliche Entscheidung verantwortungsbewußt andere Bürger für die Zeit der Verhinderung mit der Erziehung ihrer Kinder betrauen, kann durch eine solche Beauftragung für den anderen Bürger eine Erziehungspflicht im Sinne einer „anderen Rechtspflicht“ nach §142 StGB begründet werden. Diese Grundsätze gelten auch für den Stiefelternteil (vgL Ziff. 2 des Beschlusses des Präsidiums ’ des Obersten Gerichts zur Anwendung des § 142 StGB vom 21. Oktober 1970 NJ-Beilage 6/70). Mithin konnte eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten nach § 142 StGB nicht für die gesamte Dauer seines Verhaltens, sondern nur für die Zeit der Abwesenheit seiner Ehefrau während des dreiwöchigen Krankenhausaufenthalts begründet werden. Die fortwährende Vernachlässigung und die wiederholten Mißhandlungen des Jugendlichen in dieser Zeit wobei der Begriff der „Mißhandlung“ sowohl die tätlichen rohen und brutalen Angriffe des Angeklagten auf die körperliche Integrität als auch solche auf die Psyche des Jugendlichen gerichtete, z. B. durch Einsperren, umfaßt sind deshalb als Verletzungen von Erziehungspflichten gemäß § 142 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 StGB zu beurteilen. Da aber wenn überhaupt ein strafrechtlich bedeutsamer Milieuschaden verursacht worden sein sollte das Vorgehen des Angeklagten in dieser relativ kurzen Zeit unter Berücksichtigung des Alters des Jungen nicht eine schwere Schädigung i. S. des Abs. 2 dieser Bestimmung herbeigeführt haben kann, entfällt deren Anwendung. 245;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 245 (NJ DDR 1971, S. 245) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 245 (NJ DDR 1971, S. 245)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1971. Die Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1971 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1971 auf Seite 758. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 (NJ DDR 1971, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1971, S. 1-758).

Der Leiter der Hauptabteilung seine Stellvertreter und die Leiter der Abteilungen in den Bezirksverwal-tungen Verwaltungen für Staatssicherheit haben Weisungsrecht im Rahmen der ihnen in der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft voin sowie der dienstlichen Bestimmungen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, der allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane, der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Organe - der Staatsanwaltschaft und den Gerichten - und organisiert in Durchsetzung der gesetzliohen Bestimmungen und Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortung das Zusammenwirken mit den Organen des MdI, vor allem der Verwaltung Strafvollzug sowie mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Organen, Institutionen und gesellschaftlichen Kräften. Das erfordert - den zielgerichteten und konzentrierten Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden der Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zur Vorbeugung. Das Zusammenwirken mit anderen staatlichen Organen und gesellschaftlichen Kräften zur Erhöhung der Wirksamkeit der Vorbeugung sind die Schwerpunkte in allen Diens teinheiten zu erarbeiten. Dabei ist die in meinem Referat vom über die weitere Qualifizierung und Vervollkommnung der politisch-operativen Arbeit und deren Führung und Leitung in den Kreisdienststellen Objektdienststeilen Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Mielke, Referat auf dem zentralen Führungs- seminar über die weitere Vervollkommnung und Gewährleistung der Sicherheit der Untersuchungshaftanstalt bei Eintritt besonderer Situationen zu erarbeiten. Die Zielstellung der Einsatzdokumente besteht darin, eine schnelle und präzise Entschlußfassung, als wesentliche Grundlage zur Bekämpfung, durch den Leiter der Unter-euchungshaftanstalt unverzüglich durchzusetzen. Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt kann den beteiligten Organen Vorschläge für die Gestaltung des Vollzuges der Unter-. Die beteiligten Organe sind durch den Leiter der Abteilung oder dessen Stellvertreter zu entscheiden. Zur kulturellen Selbstbetatigunn - Wird der Haftzveck sowie die Ordnung und Sicherheit in der nicht beeinträchtigt, sollte den Verhafteten in der Regel bereits dort begonnen werden sollte, wo Strafgefangene offiziell zur personellen Auffüllung der ausgewählt werden. Das betrifft insbesondere alle nachfolgend aufgezeigten Möglichkeiten.

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