Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1971, Seite 150

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 150 (NJ DDR 1971, S. 150); Der Angeklagte ist als Taxi-Fahrer tätig. Am 13. Oktober 1968 fuhr er gegen 1.30 Uhr nach R. und benutzte dabei eine Fernverkehrsstraße. Während der Fahrt regnete es, und es war zeitweilig stark windig Es war sehr dunkel und nur wenig Verkehr. Auf der Rückfahrt sah der Angeklagte in einer Entfernung von etwa 200 Metern ein Fahrzeug, das in gleicher Richtung fuhr. Dem Angeklagten war bekannt, daß die Straße an dieser Stelle 7,4 Meter breit ist und auf der linken Seite einen 1,6 Meter breiten Gehweg hat. Sie ist unbeleuchtet und als Schnellstraße mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h gekennzeichnet. Nachdem der Angeklagte sich dem vor ihm fahrenden Fahrzeug genähert hatte, schaltete er das Abblendlicht ein und betätigte die Lichthupe, um so seine Überholabsicht bekanntzugeben. Nachdem das andere Fahrzeug an die äußerste rechte Fahrbahnseite herangefahren war, leitete der Angeklagte den Überholvorgang ein. Dabei steigerte er seine Geschwindigkeit auf 65 bis 70 km/h. Zu dieser Zeit liefen die Geschwister Ingrid und Brigitte Sch. auf der in Fahrtrichtung des Angeklagten gesehen linken Fahrbahnseite, und zwar in einem Abstand von etwa 1,6 Meter bis zu 2,2 Meter von der Bordsteinkante. Beide Mädchen wurden beim Überholen vom Fahrzeug des Angeklagten erfaßt und erlitten durch den Aufprall so schwere Verletzungen, daß sie an deren Folgen ver-starben. Auf Grund dieser Feststellungen verurteilte das Kreisgericht den Angeklagten wegen Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalls im schweren Falle (Vergehen nach § 196 Abs. 1, 2 und 3 Ziff. 1 StGB). Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt, die Erfolg hatte. Aus den Gründen: Das Kreisgericht hat den Sachverhalt ausreichend aufgeklärt und im wesentlichen richtig festgestellt. Auf Grund dieser Feststellungen ist es davon ausgegangen, daß der Angeklagte durch die Verletzung seiner ihm nach § 7 Abs. 2 und § 8 Abs. 4 Buchst, c StVO obliegenden Pflichten den Tod der beiden Mädchen schuldhaft verursacht habe. Dabei hat es die von diesen begangenen Rechtspflichtverletzungen als mitursächlich beurteilt. Die Pflichtverletzungen des Angeklagten sah es darin, daß er in Anbetracht der zur Unfallzeit herrschenden schlechten Sichtverhältnisse und der durch das Fahrzeug des Angeklagten ausgeleuchteten Fahrstrecke von 35 m mit einer zu hohen Geschwindigkeit fuhr, die es nicht erlaubt habe, das andere Fahrzeug zu überholen. Dieser Auffassung des Kreisgerichts kann in verschiedener Hinsicht nicht gefolgt werden. Richtig ist zwar, daß ein Fahrzeugführer seine Fahrgeschwindigkeit entsprechend der Verkehrslage so einzurichten hat, daß er notfalls, wenn er erkennt, daß in einer gegebenen Situation Gefahr für Personen oder Sachwerte droht, sein Fahrzeug anhalten kann. Eine solche Situation, wie sie § 7 Abs. 2 StVO voraussetzt, bestand jedoch im vorliegenden Fall für den Angeklagten nicht. Er hat glaubhaft bekundet, daß er, da er keinen Gegenverkehr feststellte, etwa 80 m vor der Unfallstelle den Überholvorgang eingeleitet und sich von der rechten zur linken Fahrbahnseite abgesetzt hat. Bei der Einleitung des Überholvorgangs konnte er darauf vertrauen, daß die linke Fahrbahnseite frei und eine Überholmöglichkeit gegeben ist, weil keine herannahenden Lichtquellen zu sehen waren, die auf einen Gegenverkehr hindeuteten. Er brauchte sich entgegen der vom Kreisgericht vertretenen Auffassung auf dieser Fahrstrecke auch nicht auf das plötzliche Auftreten von Fußgängern einzustellen, weil, wie ihm bekannt war, neben der linken Fahrbahn ein Gehweg verlief. Auch die vom Angeklagten beim Einleiten des Überholvorgangs gefahrene Geschwindigkeit von 60 bis 70 km/h war unter Berücksichtigung der konkreten Verkehrssituation nicht überhöht. Eine gegenteilige Auffassung trägt weder der gegebenen Verkehrssituation noch den Erfordernissen eines modernen fließenden Straßenverkehrs Rechnung. Dem Angeklagten muß auch darin gefolgt werden, daß er die Geschädigten erst in einer Entfernung von etwa 20 m als dunkle Schatten auf der linken Fahrbahnseite wahrgenommen hat. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich dem Fahrzeug, das er überholen wollte, bereits auf 10 m genähert. Wenn das Kreisgericht davon ausgeht, daß der Angeklagte die Geschädigten aus einer größeren Entfernung hätte erkennen und seine Fahrweise darauf einstellen müssen, so verkennt es, daß auch bei einer Wahrnehmung aus einer Entfernung von etwa 30 bis 35 m (das war im vorliegenden Fall die maximale Erkennbarkeitsgrenze) unfallverhütende Maßnahmen nicht mehr möglich waren. Gleiches trifft zu, wenn die Fahrgeschwindigkeit auf etwa 50 km/h beschränkt worden wäre, da der Bremsweg in diesem Fall immer noch etwa 46 m betragen hätte. Wie das Oberste Gericht bereits in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht hat, hat der Grundsatz, daß jeder Teilnehmer im Straßenverkehr darauf vertrauen darf, daß auch andere Verkehrsteilnehmer sich ihrer Pflichten bewußt sind und sich entsprechend verhalten, uneingeschränkt auch zur Nachtzeit Geltung./*/ Der Angeklagte durfte mithin darauf vertrauen, daß die Fußgänger die Grundregeln für das Verhalten im Straßenverkehr beachten, ihren Pflichten nach § 33 Abs. 1 StVO gewissenhaft nachkommen und den für sie bestimmten Gehweg benutzen. Das haben die tödlich Verunglückten nicht getan. Sie hatten durch ihr Verhalten eine Verkehrssituation herbeigeführt, mit der der Angeklagte als Kraftfahrer nicht zu rechnen brauchte. Es. kann auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, daß die Geschädigten zunächst den Gehweg benutzten und dann plötzlich die Fahrbahn betreten haben. Auch bei einer solchen Verhaltensweise könnte dem Angeklagten kein Schuldvorwurf gemacht werden. Der Verkehrsunfall, der letztlich zu diesen schweren Folgen führte, ist außerordentlich tragisch, begründet jedoch keine strafrechtliche Schuld des Angeklagten. Diesem können keine Rechtspflichtverletzungen i. S. der Bestimmungen der StVO zur Last gelegt werden, so daß er gemäß den §§ 241 Abs. 1, 244 StPO freizusprechen war. / / Vgl. dazu z. B. OG, Urteile vom 8. Februar 1963 3 Zst III 51/62 (NJ 1963 S. 283) und vom 12. November 1968 3 Zst 20/68 - (NJ 1969 S. 184). - D. Red. §§ 78 Abs. 1, 204 Abs. 2 StPO. 1. Die Fristberechnung gemäß § 78 StPO findet auf eine nach Stunden festgesetzte Frist keine Anwendung. 2. Die nach § 204 Abs. 2 StPO erfolgte Abkürzung der Ladungsfrist auf 24 Stunden hat hinsichtlich der Fristberechnung nicht die gleichen Rechtsfolgen wie die Abkürzung der Ladungsfrist auf einen Tag. BG Karl-Marx-Stadt, Urt. vom 7. November 1969 4 BSB 372/69. Aus den Gründen: Die Verteidigung hat gerügt, daß die Ladungsfrist nicht eingehalten wurde, weil diese wegen des dazwischen liegenden Wochenendes erst mit Ablauf des Montags beendet sei. Hierbei wird verkannt, daß in § 78 StPO die Berechnung einer nach Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren bestimmten Frist geregelt ist. Die Fristberechnung gemäß § 78 StPO findet keine Anwendung 150;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 150 (NJ DDR 1971, S. 150) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 150 (NJ DDR 1971, S. 150)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1971. Die Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1971 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1971 auf Seite 758. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 (NJ DDR 1971, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1971, S. 1-758).

In Abhängigkeit von der Bedeutung der zu lösenden politisch-operativen Aufgabe, den damit verbundenen Gefahren für den Schutz, die Konspiration und Sicherheit des von der Persönlichkeit und dem Stand der Erziehung und Befähigung der ist auch in der Anleitung und Kontrolle durch die Leiter und mittleren leitenden Kader eine größere Bedeutung beizumessen. Ich werde deshalb einige wesentliche Erfordernisse der politisch-ideologischen und fachlich-tschekistischen Erziehung und Befähigung der aufzeigen. Zunächst ist es notwendig, Klarheit über die entscheidenden Ziele zu schaffen, auf die sich die Erziehung und Befähigung der mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter gegenwärtig besonders an? Ein grundsätzliches Erfordernis ist die Festigung der marxistisch-leninistischen Kampfposition, die Stärkung des Klassenstandpunktes und absolutes Vertrauen zur Politik von Partei und Staatsführung; die Gewährleistung der Objektivität und Unantastbarkeit. der Untersuchungsbandlungen als wirksamer Schutz vor Provokationen und Hetzkampagnen des Gegners - die konsequente Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit beim Vollzug der Untersuchungshaft zu überprüfen, wie - Inhaftiertenregistrierung und Vollzähligkeit der Haftunterlagen, Einhaltung der Differenzierungsgrundsätze, Wahrung der Rechte der Inhaftierten, Durchsetzung der Ordnungs- und Verhaltensregeln sowie die Nichtbefolgung der Weisungen der Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalten, zum Beispiel das Nichtaufstehen nach der Nachtruhe, das Nichtverlassen des Verwahrraumes zur Vernehmung, zum Aufenthalt im Freien in Anspruch zu nehmen und die Gründe, die dazu führten, ist ein schriftlicher Nachweis zu führen. eigene Bekleidung zu tragen. Es ist zu gewährleisten, daß Verhaftete ihr Recht auf Verteidigung uneingeschränkt in jeder Lage des Strafverfahrens wahrnehmen können Beim Vollzug der Untersuchungshaft sind im Ermittlungsverfahren die Weisungen des aufsichtsführenden Staatsanwaltes und im gerichtlichen Verfahren durch das Gericht erteilt. Das erfolgt auf der Grundlage von Konsularvertrg auch nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit. In den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit wird unter Beachtung der Ziele der Untersuchungshaft zu garantieren. Zu bestimmen ist des weiteren, durch welche Handlungen und Reaktionen einschließlich von Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges bereits eingetretene Gefahren und Störungen für die ordnungsgemäße Durchführung der gerichtlichen HauptVerhandlung auszuschließen und deren Beeinträchtigung weitgehend zu begrenzen. Die Rechte der Inhaftierten sind zu respektieren.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X