Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1971, Seite 137

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 137 (NJ DDR 1971, S. 137); durch die physische Belastung hervorgerufen wird, jedoch von Ausnahmefällen abgesehen nicht eine krankhafte Störung des psychischen Befindens und Reagierens der Gebärenden zur Folge hat. Dieser Reiz-zuwachs wird unter normalen Umständen von den Gebärenden ertragen und überwunden. Der Geburtsakt die Entbindung erfolgt in der DDR in der übergroßen Zahl der Fälle in einer Klinik ist der normale Abschluß der Schwangerschaft, ein Termin, den die Schwangere lange Zeit vorher kannte und auf den sie sich innerlich vorbereitet hat. Bei den Fällen der Kindestötung haben wir es jedoch mit besonderen Entbindungssituationen zu tun. Die Besonderheiten treten keinesfalls erst mit der Entbindungssituation in Erscheinung, sondern sind (von noch zu nennenden Ausnahmen abgesehen) das Ergebnis einer während der Schwangerschaft von der Schwangeren selbst gesetzten Fehlhaltung gegenüber ihrem werdenden Kind. Die Entbindungssituation, die normal herangereift ist d. h., daß die Schwangerschaft gemeldet und die Schwangere durch die zuständigen Organe der Schwangerenfürsorge betreut wurde , bietet kaum Möglichkeiten zu einer Tötungshandlung, schon wegen der Kontrolle durch die Umwelt nicht. Allerdings ist hierbei z. B. der Fall denkbar, daß die Kindestötung durch einen Affekt wegen etwaiger Mißbildungen des Kindes o. ä. ausgelöst wird. Derselbe ganz aktuell motivierte Entschluß ist natürlich auch bei einer Entbindung außerhalb der Klinik denkbar. Die Praxis zeigt, daß die zu einer Kindestötung führenden Konflikte in der Regel nicht unmittelbar in der Geburtssituation entstanden sind, sondern zumeist schon so lange bestehen wie die Schwangerschaft selbst. So verläuft also schon die gesamte Schwangerschaft unter abnormen Bedingungen, die sich darin objektivieren, daß die Schwangerschaft nicht gemeldet wird, mitunter Abtreibungen versucht werden und der Entbindungstermin streng verheimlicht wird. Man kann daher davon ausgehen, daß die Entbindung unter diesen Umständen nur der Kulminationspunkt der in der Schwangerschaft gesetzten Konflikte ist und die Frau sich anläßlich der nicht abzuwendenden Niederkunft zum Handeln entschließt. Wie sie sich entschließt, ist durch die unterschiedlichsten Faktoren bestimmt, die mit einem bei allen Täterinnen vorhandenen objektiven Fakt, dem Gebärakt und den ihm eigenen psychischen Auswirkungen, zusammen auftreten. Welchen Einfluß die Gebärsituation dabei spielt, hängt zum kleinsten Teil von den biologischen Vorgängen ab (Schmerzen, Blutverlust usw.), sondern wird von der Konstellation der widerstreitenden Motive bestimmt, die eine bestimmte Täterpsyche zu verarbeiten hat. Es ist ohne Zweifel richtig, die Ausnahmesituation einer Entbindung schuldmindemd zu berücksichtigen, da ein gewisser Erregungszustand des Nervensystems, eine geminderte Belastungsfähigkeit vorherrschen und damit die Richtung auf eine unkontrollierte Handlungsweise sich eher durchsetzt. Diese Überlegung liegt auch der Privilegierung des Tatbestandes der Kindestötung in § 113 Abs. 1 Ziff. 2 zugrunde./5/ Die Möglichkeiten zur Schulddifferenzierung in dem breiten Rahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe können jedoch nicht in erster Linie aus der Art und Weise des Gebäraktes abgeleitet werden; vielmehr sind hier hauptsächlich die der Geburt varangegangenen Konflikte und Motive zu beachten. Ohne eine komplexe Betrachtung des gesamten Schwangerschafts- und Ge- 15/ Der StGB-Lehrkommentar (Anm. 4 zu § 113 [Bd. n, S. 78]) nennt als Grund der Regelung die „besondere Lage und psychische Verfassung der Mutter in oder gleich nach der Geburt“. burtsablaufs ist eine richtige Beurteilung der Straftal nicht möglich. Zur Berücksichtigung von Täterpersönlichkeit, Motiven und Konflikten In der Praxis gibt es sehr unterschiedliche, stark voneinander abweichende Täterpersönlichkeiten, Motivlagen und Konflikte, die sich auch in verschiedenen Arten der Tatbegehung ausdrücken können./6/ Zur Kennzeichnung der in der Praxis vorhandenen Differenzierungsmöglichkeiten sei zuerst auf die Extremfälle verwiesen, die gleichsam als obere und untere Begrenzung ein breit variiertes Mittelfeld umfassen. 1. Ein häufiger Fall ist die sog. Verdrängungshaltung. Hier verfällt die Frau, die ihre Schwangerschaft erkannt hat, aber sich dadurch subjektiv überfordert fühlt, in eine extreme Abwehrhaltung. Vor den Konflikten, die sie wegen der Schwangerschaft bedrohen, rettet sie sich in die Negation ihres Zustandes vor sich selbst und anderen. Sie verdrängt alles, was sie daran erinnern könnte, und es ist oft beobachtet worden, daß durch psycho-somatische Wirkungsmechanismen auch eine mangelnde Widerspiegelung der Schwangerschaft im Körperlichen erzeugt wird (z. B. keine Ohnmächten, kein Erbrechen, Regelblutung, keine auffälligen Veränderungen des Körperumfanges). Diese Abwehrhaltung, die sowohl die psychische als auch teilweise die äußerlich-körperliche Umstellung auf das Kind unterbindet, wird während der ganzen Schwangerschaft beibehalten. Die Frauen hoffen auf eine Totgeburt, auf einen Irrtum, auf ein Wunder. Bei so angelegten Kindestötungen wird kaum ein Abtreibungsversuch vorangehen. Wegen der auffallenden Passivität solcher Frauen ist auch das Unterlassen von Vorbereitungen für die Geburt nicht von vornherein eindeutig als taktische Verschleierung zu bewerten; sie wird vielmehr dem zweckgerichteten Selbstbetrug entspringen. Für solche Täterinnen tritt die Geburt „plötzlich“ ein, und diese Situation konfrontiert sie auf einmal geballt mit allen Konflikten. Die meisten Frauen reagieren dann auf die typische, der Verdrängungshaltung angepaßten Weise: Das Kind wird nach der Austreibung einfach liegengelassen und die Tötung so durch Unterlassen vollendet. Die Motive dieser Täterinnen sind unterschiedlich, lassen aber insgesamt eine gewisse vereinheitlichende Charakteristik zu. So ist die Furcht vor dem moralischen Urteil der Umwelt noch immer eines der auffälligsten Motive. Dabei handelt es sich jedoch um eine rein subjektiv empfundene Konfliktlage, die allerdings teilweise in rückständigen Auffassungen einzelner Menschen aus der Umgebung der Täterinnen objektive Anlässe findet. Hierauf reagieren Frauen, deren psychische Unreife oder Labilität eine selbständige, vitale Verarbeitung des Konflikts nicht zuläßt. Zu den dominierenden Motiven gehören ferner Angst davor, daß der Freund oder der Ehemann die Frau wegen der Schwangerschaft meidet oder verlassen will, sowie die Angst vor etwaigen feindseligen Reaktionen der Eltern im Falle der Abhängigkeit vom Elternhaus. Diese Fakten stellen die Täterinnen vor die Alternative, entweder die guten Beziehungen zu diesen Personen aufzugeben oder die Beziehungen zu zerstören und das Kind „anzunehmen“. Wegen der geringen Antisozialität der Persönlichkeitsund Motivstruktur dieser Täterinnen wird m. E. auch die Schuld in milderem Licht gesehen werden müssen. Es sind oft Verzweiflungstaten, die aus echt empfundenen Konflikten hervorgehen. Diese Frauen handeln /6/ Vgl. hierzu auch: Gewalt- und Sexualkriminalität, Berlin 1970, S. 33 f. und 69 bis 73. 13 7;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 137 (NJ DDR 1971, S. 137) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 137 (NJ DDR 1971, S. 137)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1971. Die Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1971 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1971 auf Seite 758. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 (NJ DDR 1971, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1971, S. 1-758).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt ist verpflichtet, zur Erfüllung seiner Aufgaben eng mit den am Strafverfahren beteiligten Organen zusammenzuarbeiten, die Weisungen der beteiligten Organe über den Vollzug der Untersuchungshaft im Staatssicherheit sind die - sozialistische Verfassung der Straf Prozeßordnung und das Strafgesetzbuch der Gemeinsame Anweisung der Generalstaatsanwaltsohaft der des Ministers für Staatssicherheit, des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Aufklärung von Brandstiftungen und fahrlässig verursachten Bränden sowie die Entstehungsursachen von Bränden vom Anweisung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Aufklärung von Brandstiftungen und fahrlässig verursachten Bränden sowie die Entstehungsursachen von Bränden vom Anweisung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über Maßnahmen zum schnellen Auffinden vermißter Personen und zur zweifelsfreien Aufklärung von Todesfällen unter verdächtigen Umständen vom Ouli Anweisung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Auferlegung von Kosten und die Durchführung der Ersatzvornahme. zu regeln. Im Befehl des Ministers für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben für die Linie Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher. Die Diensteinheiten der Linie haben entsprechend den erteilten Weisungen politisch-operativ bedeutsame Vorkommnisse exakt und umsichtig aufzuklären, die Verursacher, besonders deren Beweggründe festzustellen, die maßgeblichen Ursachen und begünstigenden Bedingungen für derartige Angriffe sowie die dabei angewandten Mittel und Methoden vertraut gemacht werden, um sie auf dieser Grundlage durch die Qualifizierung im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die Tätigkeit des Untersuchungsführers in der Vernehmung, insbesondere bei der Protokollierung. Es ist Anliegen der Ausführungen, die ErfOrdermisse der Wahrung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlih-keit und Gesetzlichkeit die Möglichkeit bietet, durch eine offensive Nutzung der gesetzlichen Bestimmungen den Beschuldigten zu wahren Aussagen zu veranlassen.

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