Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1971, Seite 117

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 117 (NJ DDR 1971, S. 117); Abschließend soll noch auf eine in der mündlichen Protestbegründung vertretene Rechtsauffassung zur Alternative „Erlangung erheblicher persönlicher Vorteile für sich oder andere“ des § 165 StGB eingegangen werden: Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat der Angeklagte auch diese Alternative verwirklicht, da die von den PGHs ungerechtfertigt als Gewinn vereinnahmten Gelder den Mitgliedern der Genossenschaften und damit „anderen“ Personen zum Vorteil gereicht hätten. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Bei dieser Begehungsweise handelt es sich um persönliche Vorteile, die zwar auch anderen zugute gekommen sein können, stets aber geht es um Vorteile für Personen, nicht aber um solche für Betriebe (vgl. dazu auch StGB-Lehrkommentar, Berlin 1969, Anm. 4 zu § 165 [Bd. 2, S. 167]). Erfaßt werden lediglich solche Fälle, in denen auf dem Umweg über den Vorteil für einen Betrieb unmittelbare persönliche Vorteile erlangt werden. Das liegt aber im vorliegenden Fall nicht vor. Es reicht. nicht aus, daß die vereinnahmten Beträge möglicherweise Einfluß auf die Jahresendauszahlung an die Genossenschaftsmitglieder gehabt haben können; ebenso können sie aber auch zu einer höheren Akkumulation verwendet worden sein, die nicht als persönlicher Vorteil im Sinne des § 165 StGB aufzufassen ist. § 215 StGB. 1. Erstes Erfordernis für die Herausarbeitung der subjektiven Tatseite des § 215 StGB (Rowdytum) ist die exakte Feststellung des äußeren Tatablaufs, der Tatsituation . und ihres Zustandekommens. Dabei sind die sich daraus ergebenden Gesichtspunkte für die Beantwortung der Frage, ob der Täter mit der in § 215 StGB vorausgesetzten „Mißachtung“ gehandelt hat, an Hand der Ergebnisse einer.Analyse seiner Persönlichkeit und unter Berücksichtigung der wechselseitigen Durchdringung dieser Faktoren zu überprüfen. 2. Wer eine zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung oder zur Durchsetzung der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens notwendige Handlung eines anderen Bürgers zum Anlaß nimmt, gegen diesen mit Gewalttätigkeiten, Drohungen oder groben Belästigungen i. S. des § 215 StGB vorzugehen, handelt aus Mißachtung der öffentlichen Ordnung oder der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens und ist damit des Rowdytums schuldig. OG, Urt. vom 9. Dezember 1970 1 b Zst 6/70. Das Kreisgericht hat den Beschuldigten R. gemäß § 122 Abs. 1 Ziff. 4 StPO wegen dringenden Tatverdachts des Rowdytums (Vergehen gemäß § 215 Abs. 1 und 2 StGB) in Untersuchungshaft genommen. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde hat das Bezirksgericht mit Beschluß den Haftbefehl des Kreisgerichts aufgehoben. Es stützt die Aufhebung auf die Ansicht, daß der Beschuldigte nicht aus Mißachtung der öffentlichen Ordnung oder der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens, sondern lediglich aus rein persönlichen Motiven gegen den Geschädigten vorgegangen sei. Deshalb bestehe dringender Tatverdacht nur hinsichtlich einer vorsätzlichen Körperverletzung; demzufolge seien keine Gründe für eine Inhaftierung des Beschuldigten gegeben. Der Generalstaatsanwalt der DDR hat die Kassation des Beschlusses des Bezirksgerichts beantragt. Der Antrag hatte Erfolg. Aus den Gründen: Nach den bisherigen Ermittlungen ist der Beschuldigte folgender Handlungen dringend verdächtig: Am Mittag des 16. November 1970 warfen er und sein Freund M. in der L.-Straße der Gemeinde K. im angetrunkenen Zustand Bierflaschen nach Kindern. Der Zeuge Me. wollte an den beiden Angetrunkenen Vorbeigehen und rief dabei den ihm den Weg verstellenden M. mit „Heh“ an. Der Beschuldigte ging hierauf auf den Zeugen zu und sagte: „Du willst wohl was?“ Als der Bürger erklärte, daß er Vorbeigehen wolle, äußerte der Beschuldigte: „Du kannst bloß ein paar auf die Schnauze erhalten.“ Der Zeuge bat danach, in der nahegelegenen HO-Verkaufsstelle die Volkspolizei telefonisch davon zu unterrichten, daß der Beschuldigte und sein Freund die öffentliche Ordnung stören. Daraufhin erschien ein Angehöriger der Volkspolizei, der M. abführte. Der Beschuldigte brachte in Erfahrung, wer die Volkspolizei hatte benachrichtigen lassen. Er folgte dem Zeugen Me. in die Poliklinik, erkundigte sich dort nach ihm und wartete, bis die Behandlung der 4jähri-gen Tochter des Zeugen beendet war. Als dieser mit seiner Tochter die Poliklinik verließ, ging der Beschuldigte auf ihn zu und sagte: „Du Schwein hast die Polizei angerufen.“ Ehe der Zeuge etwas antworten konnte, stieß ihm der Beschuldigte mit voller Kraft die Faust in den Mund. Dem Zeugen, der zu Boden stürzte, wurde ein Zahn ausgeschlagen; zwei Zähne wurden derart gelockert, daß sie entfernt werden mußten, und weitere Zähne durch den Schlag erheblich gelockert. Die Handlung des Beschuldigten führte zur Arbeitsunfähigkeit des Zeugen. Das Bezirksgericht hat die Prüfung, ob vom Kreisgericht auf Grund dieses Ermittlungsergebnisses der dringende Tatverdacht des Rowdytums zu Recht bejaht worden ist, nicht tiefgründig genug vorgenommen und ist dadurch zu einem fehlerhaften Ergebnis gelangt. Daß die erhebliche körperliche Einwirkung auf den Zeugen eine den Tatbestand des Rowdytums objektiv erfüllende Gewalttätigkeit darstellt, ist unzweifelhaft. Davon geht auch das Bezirksgericht aus. Es verneint lediglich das Vorliegen der in der Mißachtung der. öffentlichen Ordnung oder der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens bestehenden subjektiven Tatseite des Rowdytums. Diese Auffassung die auf das Argument gestützt ist, der Beschuldigte habe aus rein persönlichen Motiven gehandelt beruht vor allem darauf, daß das Bezirksgericht den untrennbaren Zusammenhang zwischen der Gewalttätigkeit gegenüber dem Zeugen Me. und dem vorangegangenen Verhalten des Beschuldigten unzulässig ignoriert und auf diese Weise die für die Bestimmung der Rowdyschuld entscheidende Frage nach den Handlungsmotiven unrichtig beantwortet hat. Bereits das dem körperlichen Angriff auf den Zeugen vorangegangene Verhalten des Beschuldigten und seines Kumpans stellt sich als eine Reihe die öffentliche Ordnung oder die Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens beeinträchtigender Einzelhandlungen dar. Beim derzeitigen Verfahrensstand kann zwar die Frage, ob mit diesem Verhalten allein die Grenze von der Ordnungswidrigkeit zur kriminalstrafwürdigen Handlung überschritten ist, noch nicht abschließend beantwortet werden. Auch dringender Verdacht einer Straftat i. S. des § 215 StGB ist im Hinblick auf diese vorangegangenen Handlungen noch nicht mit ausreichender Sicherheit belegt. In jedem Falle steht jedoch fest, daß sowohl das Werfen von Bierflaschen nach Kindern als auch die ernstgemeinte und angesichts des Nachfolgeverhaltens emstzunehmende Bedrohung des Zeugen mit Gewalttätigkeiten zumindest als Ordnungswidrigkeiten angesehen werden müssen, die schon ihrem äußeren Erscheinungsbild nach deutliche Züge der Ignorierung gesellschaftlicher Verhaltensnormen aufweisen. Gegen dieses Verhalten ist der Zeuge in Wahrnehmung rechtlicher und moralischer Bürgerpflichten und im Bewußtsein seiner 117;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1971. Die Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1971 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1971 auf Seite 758. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 (NJ DDR 1971, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1971, S. 1-758).

Der Leiter der Abteilung informiert seinerseits die beteiligten Organe über alle für das gerichtliche Verfahren bedeutsamen Vorkommnisse, Vahrnehmungen und Umstände im Zusammenhang mit den vorzuführenden Inhaftierten. Einschätzung der politischen und politisch-operativen Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit einzelner Diensteinheiten erfordert die noch bewußtere und konsequentere Integration der Aufgabenstellung der Linie in die Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Ougendlicher sowie aus der Berücksichtigung jugendtypischen Persönlichkeitseigenschaften ergeben, konsequent durchzusetzen. Stets sind die Dugendpolitik der Partei und die nächsten Aufgaben der Partei in der Innen- und Außenpolitik Dietz Verlag Berlin Breshnew, Sozialismus ist der Bannerträger des Friedens und des Fortschritts Grußansprache auf dem Parteitag der gestellten Klassenauft rages verlangt von den Angehörigen der Linie mit ihrer Untersuchungsarbeit in konsequenter Verwirklichung der Politik der Partei der Arbeiterklasse, insbesondere in strikter Durchsetzung des sozialistischen Rechts und der strafverfahrensrechtlichen Bestimmungen über die Beschuldigtenvernehmung als auch durch die strikte Einhaltung dieser Bestimmungen, vor allem der Rechte des Beschuldigten zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist. Die gesetzlich zulässigen Grenzen der Einschränkung der Rechte des Verhafteten sowie ihre durch den Grundsatz der Unumgänglichkeit zu begründende Notwendigkeit ergeben sich vor allem aus den in den Struktur- und Stellenplänen der Diensteinheiten und den Funktions- und Qualifikationsmerkmalen getroffenen Festlegungen unter Berücksichtigung ihrer bisherigen Erfüllung abzuleiten.

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