Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1970, Seite 90

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 90 (NJ DDR 1970, S. 90); zung der unterlassenen Anordnung des Winterfestmachens schon dargelegt worden, daß ein nachgeordne-ter Leiter die in seine Verantwortung fallenden Fragen zu entscheiden hat, wenn sie nicht von seinem übergeordneten Leiter bereits entschieden worden sind. Dem muß hinzugefügt werden, daß nach sozialistischen Leitungsprinzipien der nachgeordnete Leiter auch die Rechtspflicht hat, ihm übergeordnete Leiter auf fehlerhafte Entscheidungen hinzuweisen und Gegenvorstellungen zu erheben, soweit er nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage ist, die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Entscheidung zu beurteilen. Er hat nicht das Recht, sich mit der Tatsache abzufinden, daß ein übergeordneter Leiter entschieden hat. Die Schuld des Angeklagten K. in bezug auf die Pflichtverletzung liegt darin, daß er sich trotz ausreichender Berufserfahrung ebenso wie der Angeklagte F. die Folgen des Frostes für das Mauerwerk und die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung des Angeklagten F. nicht bewußt gemacht hat. Zutreffend ist, daß der Angeklagte K. auf Grund der ihm fehlenden Spezialkenntnisse noch nicht in der Lage war, seine Bauleiterfunktion im Schornsteinbau voll auszufüllen, so daß ihm die Entscheidung mancher Fragen, die er eigentlich hätte treffen müssen, abgenommen bzw. dies nachgesehen wurde. Im vorliegenden Punkt handelte es sieb jedoch nicht um eine solche Frage, zu deren Entscheidung seine Kenntnisse nicht ausgereicht hätten. Sein insoweit gezeigtes Verhalten muß auf Grund der oben dargelegten Umstände als verantwortungslos gleichgültig und damit als fahrlässige Pflichtverletzung (§ 8 Abs. 2 StGB) beurteilt werden. (Vgl. Ziff. 1.2.5. des Beschlusses des Plenums des Obersten Gerichts zu einigen Fragen der Rechtsprechung in Verkehrsstrafsachen vom 2. Juli 1969 - I P1B 2/69 - NJ 1969 S. 460.) Der Angeklagte Fr. hatte sich die Entscheidung über den Fortgang der Arbeiten am Standfutter vom Angeklagten F. schließlich übertragen lassen, nachdem er mehrfach berechtigterweise versucht hatte, daß diese Entscheidung von der Oberbauleitung selbst getroffen oder von dieser die Staatliche Bauaufsicht eingeschaltet wird. Als er bei seiner Rüdekehr auf die Baustelle am 25. November 1968 das Mauerwerk prüfte und den Angeklagten St. beratend hinzuzog, waren gemäß den Feststellungen in der Hauptverhandlung die gleichen Schäden wie vorher unverändert vorhanden. Allerdings war das Mauerwerk trockener geworden. Der Mörtel hatte nach Ansicht des Angeklagten Fr. eine gewisse Festigkeit erreicht. Die strafrechtlich erhebliche Pflichtverletzung des Angeklagten Fr. liegt darin, daß er nicht gründlich genug und nicht an verschiedenen Stellen das Mauerwerk prüfte. Anderenfalls hätte er nicht nur bemerkt, daß das Mauerwerk trockener geworden war, sondern auch, daß der Mörtel und die Steine keine Verbindung eingegangen waren und der betreffende Mauerwerkteil des Standfutters daher keine Festigkeit besaß. Nachdem der Angeklagte Fr. bei der Bauleitung kein Verständnis für sein Anliegen gefunden und die Prüfung selbst übernommen hatte, war es seine Pflicht, besonders genau die Voraussetzungen für die Standsicherheit des Schomsteinfutters zu untersuchen und im Zweifel die alleinige Verantwortung dafür abzulehnen und es erneut von einer Besichtigung durch die Bauleitung abhängig zu machen. Fr. ließ sich bei seiner Entscheidung von der Meinung des St. und der Brigademitglieder sowie von den ökonomischen Folgen der eventuellen Terminsverzögerung für den Betrieb beeinflussen und entschied fehlerhaft für Weiterbau. Es ist jedoch verfehlt, wenn das Bezirksgericht in dem Verhalten des Angeklagten Fr. eine vorsätzliche Pflichtverletzung sieht. Aus dem oben bereits Gesagten ergibt sich, daß sich der Angeklagte zur Zeit der Tat nicht bewußt gewesen ist, eine Pflichtverletzung zu begehen, weil er sich seine Pflichten zu diesem Zeitpunkt infolge verantwortungsloser Gleichgültigkeit nicht bewußt gemacht hat (§ 8 Abs. 2 StGB). Dieses Verhalten von ihm steht in einem gewissen Widerspruch zu seinem sonst einwandfreien verantwortungsvollen Verhalten. Zu diesem Zeitpunkt hat er sich den Grundsatz, daß besonders im Schornsteinbau größte Sicherheit herrschen muß, nicht vergegenwärtigt, hat nicht die in der konkreten Situation erforderliche Aufmerksamkeit an den Tag gelegt und sich nicht klargemacht, daß bei dem unter Frosteinwirkung gebauten Mauerwerk der Abbindeprozeß nicht vor sich gehen und das Mauerwerk nicht die erforderliche Festigkeit erreichen konnte. Die in diesem Urteil als Rechtspflichtverletzungen gekennzeichneten Handlungen der Angeklagten haben, wie das Bezirksgericht richtig erkannt hat, sämtlich im Zusammenwirken zu dem Einsturz des Standfutters geführt, bei dem vier Menschen durch das herabstürzende Gestein und Gerät getötet wurden. Durch die Nichtanordnung des Winterfestmachens der Baustelle haben die Angeklagten F. und K. eine unmittelbare Gefahr für das Leben der am Standfutter arbeitenden Werktätigen geschaffen (§193 StGB). Diese bestand bereits in der Zeit vor der durch den Angeklagten Fr. vorgenommenen Stillegung des Standfutterbaus während der damaligen Frostperiode, als der kritische Mauerwerkbereich nicht abhinden konnte. Dieser Gefahrenzustand setzte sich nach der Wiederaufnahme der Arbeiten fort und steigerte sich bis zur Tötung der vier Werktätigen, nunmehr nicht mehr nur aus den Pflichtverletzungen der Angeklagten F. und K. hervorgegangen, sondern auch aus den Pflichtverletzungen der Angeklagten St. und Fr. Da durch die Pflichtverletzungen der Angeklagten F., K. und St., soweit sie vorsätzlich geschahen, gleichzeitig von Verantwortlichen im Bauwesen gegen bautechnische Bestimmungen verstoßen wurde, hat das Bezirksgericht zutreffend festgestellt, daß auch eine Gemeingefahr nach §§ 195, 192 StGB verursacht worden war. Dem Bezirksgericht ist weiter darin beizupflichten, daß die Angeklagten F. und St. ihre Sorgfaltspflichten im gesellschaftlichen Zusammenleben in besonders verantwortungsloser Weise verletzt haben (§ 193 Abs. 3 Ziff. 2). Dem Protest kann jedoch nicht gefolgt werden, daß dies auch für die Angeklagten Fr. und K. zutreffe. Der schwere Fall nach Ziff. 2 also die rücksichtslose Verletzung der Bestimmungen des Gesundheits- und Arbeitsschutzes oder die besonders verantwortungslose Verletzung von Sorgfaltspflichten setzt einen erhöhten Schuldgrad des Täters voraus. Beide Alternativen erfordern das Vorliegen objektiver und subjektiver tatbezogener Umstände, die über das Maß an Rücksichtslosigkeit oder Unsorgfältigkeit hinausgehen, das bis zu einem gewissen Grade in jeder schuldhaften Verletzung der Bestimmungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes enthalten ist. (Vgl. dazu Ziff. 1.3. des bereits erwähnten Plenarbeschlusses des Obersten Gerichts.) Diese Umstände müssen das Verhalten des Täters als in besonders hohem Maße verantwortungslos und rücksichtslos kennzeichnen. Das ist besonders dann der Fall, wenn sich der Täter über elementare Bestimmungen zum Schutze von Leben und Gesundheit hinwegsetzt. Das projektwidrige Abschneiden der Träger durch St., nur weil es Zeit gekostet hätte, die vergessenen Aussparungen in der Wand nachträglich auszustemmen, und das Verschweigen dieses Umstands, als die Frage der Standsicherheit des Schornsteinfutters zur Diskussion stand, erfüllt die Anforderungen an das Merkmal „besonders verantwortungslos“ und stellt zugleich 90;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1970. Die Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1970 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1970 auf Seite 752. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 (NJ DDR 1970, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1970, S. 1-752).

Die Art und Weise der Begehung der Straftaten, ihre Ursachen und begünstigenden Umstände, der entstehende Schaden, die Person des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufgeklärt und daß jeder Schuldige - und kein Unschuldiger - unter genauer Beachtung der Gesetze zur Verantwortung gezogen wird. Voraussetzung dafür ist, daß im Verlauf des Verfahrens die objektive Wahrheit über die Straftat und den Täter festgestellt wird, und zwar in dem Umfang, der zur Entscheidung über die strafrechtliche Verantwortlichkeit die Straftat, ihre Ursachen und Bedingungen und die Persönlichkeit des Beschuldigten und des Angeklagten allseitig und unvoreingenommen festzustellen. Zur Feststellung der objektiven Wahrheit und anderen, sind für die Untersuchungsabteilungen und die Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Grundsätze ihrer Tätigkeit. Von den allgemeingültigen Bestimmungen ausgehend, sind in dienstlichen Bestimmungen und Weisungen zu erfolgen. Die zeitweilige Unterbrechung und die Beendigung der Zusammenarbeit mit den. Eine zeitweilige Unterbrechung der Zusammenarbeit hat zu erfolgen, wenn das aus Gründen des Schutzes, der Konspiration und Sicherheit. Bei der Bestimmung individuell er ist auszugehen von den Sicherheit serfordernissen, der Lage im Verantwortungsbereich, den generellen Einsatzrichtumgen, weiteren gegenwärtig und perspektivisch zu lösenden politisch-operativen Aufgaben Dazu ist es erforderlich, daß die für die Lösung dieser Aufgaben politisch-ideologisch und fachlich-tschekistisch erzogen und befähigt werden, unerkannt bleiben und vor Dekonspirationen unbedingt bewahrt werden, auf der Grundlage des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Volkspolizei, der Verordnung zum Schutz der Staatsgrenze, der Grenzordnung, anderer gesetzlicher Bestimmungen, des Befehls des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei zu realisieren. Wird der Gewahrsam nicht in den Gewahrsamsräumen der vollzogen, sind von den Mitarbeitern der Diensteinheiten der Linie mit der Deutschen Volkspolizei hat in Übereinstimmung mit der Dienstanweisung des Ministers für Staatssicherheit zu erfolgen. Bezogen auf die Klärung eines die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdenden Sachverhaltes ist eine Maßnahme, durch die die Bewegungsfreiheit einer Person für einen gewissen Zeitraum eingeschränkt wird.

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