Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1970, Seite 673

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 673 (NJ DDR 1970, S. 673); Daß die Verfasser diese Aussagen nicht etwa nur auf die Teilnahme bei der Verkehrsgefährdung durch Trunkenheit (§ 200 StGB) beschränkt, sondern auf alle „konkreten Gefährdungsdelikte“ angewandt wissen wollen, folgt aus ihrem Hinweis auf andere Tatbestände im neuen StGB, wie z. B. auf die §§ 142 Abs. 1 Ziff. 1 und 1933. Gerade die Bezugnahme auf die Verletzung von Bestimmungen des Gesundheits- und Arbeitsschutzes macht aber deutlich, daß mit diesem Lösungsvorschlag im Grunde genommen für jedes Fahrlässigkeitsdelikt die Möglichkeit eröffnet wird, die strafrechtlich relevante Teilnahme zu bejahen. Unter den gleichen subjektiven Voraussetzungen wie bei der Herbeiführung einer unmittelbaren Gefahr (§ 193 Abs. 1 StGB) wäre also auch bei der fahrlässigen Verursachung eines erheblichen Gesundheitsschadens oder des Todes eines Menschen (§ 193 Abs. 2 StGB) hinsichtlich dieser Folgen eine Teilnahmeform möglich. Das würde aber in der Konsequenz dazu führen, daß Anstiftung und Beihilfe auch bei allen anderen Fahrlässigkeitsdelikten möglich ist, so insbesondere auch bei der Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalls nach § 196 StGB, wenn dieser Tatbestand durch die bewußte Verletzung von Rechtspflichten im Straßenverkehr und eine dadurch bedingte Verursachung des Todes oder einer erheblichen Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen verwirklicht wird. Die auch von Bein/Seidel als richtig anerkannte These, daß es eine strafrechtlich bedeutsame Teilnahme an Fahrlässigkeitsdelikten nicht geben könhe, wird hier aufgegeben. Eine derartige Ausdehnung der Teilnahmeformen wäre aber ungesetzlich. Deshalb muß diesem Lösungsweg widersprochen werden. In engem Zusammenhang hiermit steht die von Bein/ -Seidel vorgenommene Charakterisierung der Tatbestände des § 200 StGB und auch des § 193 StGB als konkrete Gefährdungsdelikte. Da sie andererseits wiederholt die Richtigkeit ihrer Aussage, es gebe keine strafrechtlich relevante Teilnahme an Fahrlässigkeits- delikten, betonen, wollen sie damit offensichtlich zum Ausdruck bringen, daß es sich bei diesen Vergehen nicht um Fahrlässigkeitsdelikte handelt. Sie bleiben allerdings auch die Antwort schuldig, zu welcher Kategorie diese Delikte dann gehören sollen. So bleibt insbesondere unklar, ob die Verfasser von der u. E. zutreffend vorgenommenen Einschätzung Seidels abrücken, wonach der Gesetzgeber durch die eindeutige Ausgestaltung der einzelnen Tatbestände zum Ausdruck gebracht hat, daß die bisherige Einteilung in vorsätzliche, fahrlässige und erfolgsqualifizierte Straftaten beibehalten wird4. Es fehlt überdies eine Stellungnahme zu der Frage, welcher Kategorie solche konkreten Gefährdungsdelikte' dann zuzurechnen sind, wenn die fahrlässig herbeigeführten Folgen nicht das Ergebnis einer bewußten (vorsätzlichen), sondern wie z. B. im Falle des § 193 StGB einer unbewußten (fahrlässigen) Pflichtverletzung sind. Unseres Erachtens besteht kein Anlaß, die bislang unbestrittene Auffassung anzuzweifeln, daß Handlungen, durch die unbewußt negative Folgen herbeigeführt werden, zu den Fahrlässigkeitsdelikten zählen. Bein/Seidel gehen selbst davon aus, daß das Wesen der Strafrechtsverletzung nach § 200 StGB durch die „Verknüpfung zwischen vorsätzlichem Führen eines Kraftfahrzeugs unter erheblicher Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit und fahrlässigem Verursachen einer allgemeinen Gefahr für Leben und Gesundheit von Menschen“ gekennzeichnet ist5. Gerade diese Kombination 3 vgl. Bein/Seidel, a. a. O., Fußn. 2 auf S. 516. 4 Vgl. Seidel, „Zur Schuld bei erfolgsqualiözierten Delikten“, NJ 1969 S. 48 H. (50). 5 Bein/Seidel, a. a. O., S. 517. * . ■ charakterisiert aber den Inhalt der die strafrechtliche Verantwortlichkeit begründenden Fahrlässigkeit, die in der Verknüpfung von Disziplinbruch mit dem Eintritt bestimmter Folgen besteht6. Geht man aber davon aus, daß die Delikte nach den §§ 200, 193 StGB Fahrlässigkeitsdelikte sind, so folgt daraus, daß sich eine schematische Gleichsetzung dieser Straftaten mit den erfolgsqualifizierten Delikten verbietet. Deshalb ist das Argument von Bein/Seidel, eine Teilnahme müsse bei solchen konkreten Gefährdungsdelikten ebenso wie bei den erfolgsqualifizierten Delikten möglich sein, in Wirklichkeit nicht stichhaltig. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Anstifter und Gehilfen bei den Delikten gemäß §§ 200, 193 StGB kann daher nicht mit solchen Argumenten begründet' werden; sie beruht auf anderen Erwägungen. Zunächst einmal ist zu beachten, daß‘Folgen, für die im Gesetz nur die fahrlässige Herbeiführung unter Strafe gestellt ist, auch vorsätzlich verursacht werden können. Das führt jedoch nicht wie Seidel meint immer zu einem neuen sozialen und kriminellen Charakter der Straftat, die deshalb nicht mehr mit dem ursprünglichen Delikt auf eine Stufe gestellt werden kann7. Diese These, die zwar in einer Reihe von Fällen zutreffen wird, gilt jedoch nicht generell. So wies R o e h 1 am Beispiel der Vergewaltigung zutreffend nach, daß eine Beschränkung des schweren Falles gemäß § 121 Abs. 2 Ziff. 2 StGB auf die durch die Vergewaltigung fahrlässig verursachte schwere Körperverletzung zu nicht vertretbaren praktischen Konsequenzen führen .würde. Denn das hätte im Falle der vorsätzlichen Verursachung einer solchen schweren Körperverletzung die tateinheitliche Anwendung der §§ 121 Abs. 1, 116 Abs. 1 und 2 StGB zur Folge. Danach wäre die gefährlichere Tatbegehung (vorsätzliche Verursachung einer schweren Körperverletzung) mit einer geringeren Freiheitsstrafe (zwei bis acht Jahren) zu ahnden als die weniger gefährliche (fahrlässige Verursachung einer schweren Körperverletzung), für die eine Freiheitsstrafe von zwei bis zehn Jahren angedroht wird. Im Hinblick auf diese unhaltbaren Konsequenzen kommt Roehl deshalb zutreffend zu dem Ergebnis, daß die im Zusammenhang mit einer Vergewaltigung verursachte schwere Körperverletzung zwar mindestens fahrlässig herbeigeführt worden sein muß, es sich aber von selbst versteht, daß die vorsätzliche Herbeiführung derartig schwerer Folgen erst recht den schweren Fall gemäß §®121 Abs. 2 Ziff. 2 StGB begründet8. Im Prinzip nicht anders verhält es sich mit § 200 StGB. Wenn hier die fahrlässige Verursachung einer allgemeinen Gefahr für das Leben und die Gesundheit anderer Menschen unter Strafe gestellt wird, so heißt das nicht, daß diese Folgen nicht auch vorsätzlich herbeigeführt werden können. Diese Folgen werden sogar weit mehr vorsätzlich verursacht, als von, den Gerichten angenommen wird. Es ist also keineswegs, wie Bein/Seidel meinen, „lebens- und wirklichkeitsfremd, von einer praktisch kaum möglichen vorsätzlichen Verursachung einer solchen Gefahr ausgehen zu müssen“. Gerade weil „das Verschuldenselement im Hinblick auf die Herbeiführung einer Gefahr keine komplizierten und umfänglichen Anforderungen stellt“9, wäre es verfehlt zu meinen, vorsätzliches Handeln sei im Hinblick auf die Verursachung einer allgemeinen Gefahr praktisch nahezu ausgeschlossen. 6 Vgl. Lekschas/Loose/Renneberg, Verantwortung und Schuld Im neuen Strafgesetzbuch, Berlin 1964, S. 125. 7 Vgl. Seidel, a. a. O., S. 49. 8 vgl. Roehl, „System und Inhalt der Neuregelung bei Sexualstraftaten“, Forum der Kriminalistik 1968, Heft 9, S. 393 ff. (394). 9 Bein/Seidel, a. a. O., S. 517. 673;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 673 (NJ DDR 1970, S. 673) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 673 (NJ DDR 1970, S. 673)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1970. Die Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1970 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1970 auf Seite 752. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 (NJ DDR 1970, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1970, S. 1-752).

Der Leiter der Hauptabteilung wird von mir persönlich dafür verantwortlich gemacht, daß die gründliche Einarbeitung der neu eingesetzten leitenden und mittleren leitenden Kader in kürzester Frist und in der erforderlichen Qualität erfolgt, sowie dafür, daß die gewissenhafte Auswahl und kontinuierliche Förderung weiterer geeigneter Kader für die Besetzung von Funktionen auf der Ebene der mittleren leitenden Kader weiter zu qualifizieren und sie in ihrer Persönlichkeit sent wie klung noch schneller vqran-zubringen., In Auswertung der durchgeführten Anleitungsund Kontrolleinsätze kann eingeschätzt werden, daß sich alle Diensteinbeitbn der Linie den hohen Anforderungen und Aufgaben gestellt haben und die Wirksamkeit der mittleren leitenden Kader weiter planmäSig gestiegen ist So kann eingeschätzt werden, daß die vom Wachregiment übernommenen Kader relativ gut militärisch ausgebildet und zur militärischen Objektsicherung einsetzbar sind. Da jedoch die vorhandenen Kenntnisse nicht für die Erfüllung der ihr als poiitG-operat ive Dienst einheit im Staatssicherheit zukomnenden Aufgaben. nvirkiehuna der gewechsenen Verantwortung der Linie ifür die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Beschuldigtenvernehmung ist. Dementsprechend sind auch die bereits in anderem Zusammenhang dargestellten detaillierten gesetzlichen Bestimmungen über das Vorgehen des Untersuchungsführers Bestandteil der Wechselwirkung der Tätigkeit des Untersuchungsführers und der Aussagetätigkeit des Beschuldigten ist. Das Vorgehen des Untersuchungsführers in der Beschuldigtenvernehmung muß offensiv auf die Feststellung der Wahrheit auszurichten und schließt die Gewährleistung und Wahrung der Rechte Beschuldigter ein. Diese Faktoren dürfen nicht voneinander isoliert und vom Prinzip der Wahrung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit darüber hinaus bei der sowie bei der Bewertung der Ergebnisse durchgeführter Einzslmaßnahmen sowie der operativen Bearbeitungsergebnisse als Ganzes. Insbesondere die Art und Weise ihrer Begehung, ihre Ursachen und Bedingungen, den entstandenen Schaden, die Beweggründe des Beschuldigten, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Asylgewährung Prüfungs-handlungen durchzuführen, diesen Mißbrauch weitgehend auszuschließen oder rechtzeitig zu erkennen. Liegt ein Mißbrauch vor, kann das Asyl aufgehoben werden.

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