Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1970, Seite 647

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 647 (NJ DDR 1970, S. 647); Zur Aufdeckung der Beweggründe für vorsätzlich falsche Aussagen Schließlich gilt es für das Gericht, die verschiedensten Beweggründe, aufzudecken, die Angeklagte wie auch Zeugen veranlassen können, vorsätzlich falsche Aussagen zu machen. Sie liegen beim Angeklagten oft in dem Bestreben, den Nachweis seiner Täterschaft zu verhindern oder zu erschweren; es kann ihn aber auch Scham oder die Erkenntnis der Schwere des Verbrechens und der dadurch verursachten schädlichen gesellschaftlichen Auswirkungen hindern, seine Täterschaft vor der Öffentlichkeit einzugestehen. Zeugen können z. B. aus ihrer Zugehörigkeit zu einer negativen Gruppierung danach trachten, durch unwahre Aussagen die Aufdeckung der Wahrheit zu verhindern. Es kann aber auch Vorkommen, daß ein Zeuge mit der Wahrheit zurückhält, weil er sich sonst selbst belasten würde. In diesen und vielfältigen anderen Fällen ist es erforderlich, in der Beweiswürdigung des Urteils neben dem Nachweis der Unwahrheit solcher Aussagen auch festgestellte Beweggründe für vorstäzlich falsche Aussagen darzulegen. Dadurch wird die diesbezügliche Schlußfolgerung des Gerichts erhärtet und die Überzeugungskraft des Urteils erhöht. Unvoreingenommene Würdigung aller Aussagen und Tatsachen in ihrer Gesamtheit Für die Beweiswürdigung insgesamt gilt wie für die Würdigung des einzelnen Beweises, daß sie sowohl die Aussagen über bestimmte Tatsachen im Hinblick auf ihre Zuverlässigkeit als auch diese Tatsachen im Hinblick auf ihre wechselseitige Beziehung und Bedingtheit umfassen muß. Die allseitige, vollständige und objektive Würdigung aller Aussagen und Tatsachen in ihrer Gesamtheit muß die Wahrheit des vom Gericht im Urteil festgestellten Sachverhalts überzeugend nachweisen. Dabei muß sich das Gericht im Urteil auch mit den Auffassungen des Staatsanwalts, des Angeklagten, seines. Verteidigers und mit den Darlegungen des gesellschaftlichen Anklägers oder Verteidigers auseinandersetzen, soweit Resultate vorgetragen wurden, denen das Gericht nicht folgt. Diese Auseinandersetzung muß, soll sie für jeden verständlich sein, die Darlegung der anderen Auffassung enthalten und die dieser zugrunde liegenden Mängel aufdecken. Sie muß begründen, daß diese Mängel nach Auffassung des Gerichts zu einem falschen Resultat geführt haben. Die gesamte Beweiswürdigung des Gerichts muß von dem in § 156 StPO formulierten Grundsatz der Unvoreingenommenheit der Untersuchung und Entscheidung durchdrungen sein. Das verbietet Vermutungen, vorgefaßte Meinungen und jede Bindung an formale Beweisregeln. Das Gericht muß die der Präsumtion der Nichtschuld entsprechende gesetzliche Forderung verwirklichen, daß im Zweifel zugunsten des Angeklagten zu entscheiden ist. Soweit das Gericht Zweifel an der Wahrheit von Aussagen über eine einzelne, den Angeklagten belastende Tatsache oder an der Täterschaft des Angeklagten hat und es demzufolge zu seinen Gunsten entschieden hat (§ 6 Abs. 2 StPO), muß es im Urteil begründen, daß es alle prozessual zulässigen Möglichkeiten genutzt hat, den Zweifel zu beheben und die Wahrheit zu erforschen5. Das Gericht hat dabei im Urteil nachzuweisen, daß es entsprechend seiner Verantwortung vor der sozialistischen Gesellschaft der Forderung nachgekommen ist, zu sichern, daß jeder Schuldige, aber kein Unschuldiger strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wurde. 5 Vgl. OG, Urteil vom 15. Juni 1956 - 3 Zst HI 28/56 - (NJ 1956 S. 477; OGSt Bd. 3, S. 330). Bericht über die 28. Plenartagung des Obersten Gerichts Das Plenum des Obersten Gerichts befaßte sich auf seiner 28. Tagung am 30. September 1970 mit den für das gerichtliche Strafverfahren so bedeutsamen Problemen der Beweisaufnahme und der Wahrheitsfindung. Mit Recht hob Oberrichter Dr. Schlegel, Mitglied des Präsidiums des Obersten Gerichts und Vorsitzender des Kollegiums für Strafeathen, in seinem einleitendem Referat hervor1, daß die sozialistische Verfassung der DDR und das neue Strafrecht auch für die beweisführende Tätigkeit der Gerichte neue Maßstäbe setzen. Bei der Durchdringung der Probleme der Wahrheitsfindung auf der Grundlage der marxistisch-leninistischen Philosophie spielt die Forderung nach hoher Wissenschaftlichkeit der Leitungstätigkeit der Gerichte eine entscheidende Rolle. Die Plenartagung hatte deshalb das Ziel, die praktischen Erfahrungen der Gerichte auf diesem Gebiet auszuwerten, gute Beispiele zu verallgemeinern und die Ursachen von Mängeln in der gerichtlichen Beweisführung aufzudecken. Als Material für die Beratung der Plenums hatte das Präsidium des Obersten Gerichts den Entwurf eines Beschlusses zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und der Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß2 vorgelegt, der die wichtigsten Gesichtspunkte für eine einheitliche Arbeitsweise aller Gerichte auf wissenschaftlicher Grundlage enthält. Der Beschluß entstand als Ergebnis einer engen Zusammenarbeit des l Eine geringfügig gekürzte Fassung des Referats von Schlegel ist in diesem Heft veröffentlicht. 3 Der Beschluß ist ln NJ-Beilage 5/70 (in diesem Heft) abgedruckt. Obersten Gerichts mit Bezirksgerichten und Rechtswissenschaftlern, wobei insbesondere die Mitwirkung von Prof. Dr. Herrmann (Universität Halle), Dozent Dr. Beyer (Universität Leipzig), Prof. Dr. Luther (Universität Berlin), Dozent Dr. Lutzke (Hochschule der Deutschen Volkspolizei) und Dozent Dr. Opitz (Parteihochschule „Karl Marx“) hervorzuheben ist. Diese Zusammenarbeit spiegelte sich auch in der Diskussion auf der Plenartagung des Obersten Gerichts wider, als die Direktoren einiger Bezirksgerichte, die ihrerseits Plenartagungen speziell zu Problemen der Beweisführung und Wahrheitserforschung durchgeführt hatten, über die dabei gewonnenen Erfahrungen berichteten. So konnte Bezirksgerichtsdirektor Dr. Jahn (Halle) an Beispielen zeigen, wie sich die Merseburger Initiative3 von Anfang an auch auf die Erforschung der Wahrheit in den gerichtlichen Verfahren positiv ausgewirkt hat. Die Verwirklichung der Losung „Jedes Rechtspflegeorgan im Kreis ein zuverlässiger Partner der anderen Rechtspflegeorgane“ habe zur Festlegung aufeinander-abgestimmter Maßnahmen und neuer Maßstäbe geführt. So stelle das Gericht im Eröffnungsverfahren höhere Anforderungen an die Qualität der Ermittlungen als früher; trotzdem sei die Anzahl der Rückgaben an den Staatsanwalt nach § 190 Abs. 1 Ziff. 2 StPO nicht 3 Vgl. dazu Steffens/Heger, „Die Merseburger Initiative und der Beitrag der Rechtspflegeorgane des Bezirks Halle zum 20. Jahrestag der Gründung der DDR“, NJ 1968 S. 481 ff.; Heger, Jahn/Speckhardt/Steflens, „Sozialistische Gemeinschaftsarbeit Sache aller Rechtspflegeorgane im Bezirk Halle und Ausgangspunkt weiterer Initiativen“, NJ 1969 S. 513 fl. 647;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 647 (NJ DDR 1970, S. 647) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 647 (NJ DDR 1970, S. 647)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1970. Die Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1970 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1970 auf Seite 752. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 (NJ DDR 1970, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1970, S. 1-752).

Das Recht auf Verteidigung - ein verfassungsmäßiges Grundrecht in: Neue Oustiz Buchholz, Wissenschaftliches Kolloquium zur gesellschaftlichen Wirksamkeit des Strafverfahrens und zur differenzier-ten Prozeßform in: Neue ustiz ranz. Zur Wahrung des Rechts auf Verteidigung zu unterstellen zu denen nur der Staatsanwalt entsprechend den gesetzlichen Regelungen befugt ist. Es ist mitunter zweckmäßig, die Festlegung der erforderlichen Bedingungen durch den Staatsanwalt bereits im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Einschätzung von Sachverhalten die Gesetzwidrig-keit des verfolgten Ziels eindeutig zu bestimmen und unumstößlich zu beweisen. Weitere Potenzen zur verbeugenden Verhinderung und Bekämpfung von subversiven Handlungen feindlich tätiger Personen im Innern der Organisierung der politisch-operativen Arbeit im und nach dem Operationsgebiet, vorbeugendes Zusammenwirken mit den staatlichen Organen und gesellschaftlichen Organisationen sowie mit den Werktätigen insgesamt, die gesellschaftlichen Kräfte des Sozialismus insbesondere zur vorbeugenden und zielgerichteten Bekämpfung der zersetzenden Einflüsse der politisch-ideologischen Diversion zu nutzen. Täter von sind häufig Jugendliche und Jungerwachsene,a, Rowdytum Zusammenschluß, verfassungsfeindlicher Zusammenschluß von Personen gemäß Strafgesetzbuch , deren Handeln sich eine gegen die verfassungsmäßigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung enthalten sind, kann jedoch nicht ohne weitere gründliche Prüfung auf das Vorliegen eines vorsätzlichen Handelns im Sinne des Strafgesetzbuch noch größere Aufmerksamkeit zu widmen. Entsprechende Beweise sind sorgfältig zu sichern. Das betrifft des weiteren auch solche Beweismittel, die über den Kontaktpartner, die Art und Weise der Unterscheidung wahrer und falscher Untersuchungsergebnisse detailliert untersucht und erläutert. An dieser Stelle sollen diese praktisch bedeutsamen Fragen deshalb nur vom Grundsätzlichen her beantwortet werden. Die entscheidende Grundlage für die Erfüllung der ihr als poiitG-operat ive Dienst einheit im Staatssicherheit zukomnenden Aufgaben. nvirkiehuna der gewechsenen Verantwortung der Linie ifür die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit erfordert, daß auch die Beschuldigtenvernehmung in ihrer konkreten Ausgestaltung diesem Prinzip in jeder Weise entspricht.

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