Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1970, Seite 620

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 620 (NJ DDR 1970, S. 620); Sachwerten an der Lokomotive, am Oberbau und anderen Verkehrseinrichtungen wie Weichen u. ä. er-erstrecke bzw. zwangsläufig die bei der Räumung der Unfallstelle entstehende Behinderung des- fahrplanmäßigen Verkehrs im Bereich der Schadensstelle erfasse. Daß das Bezirksgericht die Gemeingefahr nur auf den Rangierbereich beschränkt wissen wollte, folgt weiter auch daraus, daß nach seinen Feststellungen der Angeklagte die Weiterfahrt der Lokomotive nicht beabsichtigt und auch die Gefährdung von den den Bahnweg passierenden Personen bzw. die Totalbeschädigung der Lokomotive durch Entgleisung auf einen anderen Abschnitt der Reichsbahn nicht in seinen Vorsatz aufgenommen gehabt hätte. Zu dieser Feststellung ist das Bezirksgericht durch die Aussage des Angeklagten in der Hauptverhandlung gekommen, daß er den Regler geöffnet, sodann die Bremse gelöst habe und dann nach Anfahrt der Lok abgesprungen sei. Mit dieser unkritischen Übernahme der Aussage des Angeklagten in der Hauptverhandiung ist aber das Bezirksgericht seiner Pflicht, als Grundlage seiner Entscheidung über die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten alle erforderlichen Tatsachen in belastender und entlastehder Hinsicht festzustellen, nicht nachgekommen. Der Angeklagte hat nämlich in seinen polizeilichen Vernehmungen eine ganz andere Darstellung vom Ablauf seiner Handlung, für die er sich entschieden hatte, gegeben. So hat er wiederholt ausgesagt, daß er vorerst auf der Lokomotive verblieben und erst dann von ihr abgesprungen sei, als sie an der von ihm beabsichtigen Stelle nicht entgleiste. Von diesem Moment an sei ihm klar gewesen, daß durch die ohne Personal unkontrolliert fahrende Lokomotive nunmehr eine größere Gefahr eintreten könnte; wobei er auch Zusammenstöße mit anderen Lokomotiven und Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen für möglich hielt. Diese unterschiedlichen- Aussagen hätte das Bezirksgericht dem Angeklagten Vorhalten und sich mit diesen Widersprüchen auseinandersetzen müssen, denn es ist für das objektive Tatgeschehen und für das Ausmaß der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten bedeutsam, ob er die Lokomotive tatsächlich nach kurzer Fahrt zur Entgleisung bringen wollte wobei ausgehend von dem Sachverständigengutachten dabei der Schaden relativ klein geblieben wäre oder ob er, nachdem er feststellte, daß diese Stelle bereits erfolglos überfahren war, die Lokomotive mit dem Wissen um die möglichen schwerwiegenden Gefahren für Menschen und Material weiterfahren ließ, ohne den realisierbaren Versuch unternommen zu haben, sie abzubremsen. Für den letzteren Fall stünde zweifellos fest, daß der Angeklagte damit vorsätzlich eine nicht nur auf den Rangierbereich beschränkte Gemeingefahr verursacht hat, weil, ausgehend von diesem Sachverhalt, die unmittelbare Gefahr nicht nur für Menschen und Material innerhalb des Bahnbetriebswerks, sondern weit darüber hinaus, insbesondere auch für die den Übergang an der P.-Str. benutzenden Menschen, bestand. Aber selbst für den Fall, daß der Angeklagte noch vor der von ihm beabsichtigten Entgleisungsstelle von der Lokomotive abgesprungen wäre, kann nicht davon ausgegangen werden, daß er nur strafrechtlich verantwortlich wäre für die Herbeiführung einer Gemeingefahr innerhalb des Rangierbetriebes. Mit dieser Auffassung wird der Charakter der Gemeingefahr nach § 192 StGB in Verbindung mit den Besonderheiten des Eisenbahnbetriebes verkannt, der infolge der Schienengebunden-'heit gegenüber anderen Verkehrsbereichen in der Regel mit größeren Gefahren verbunden ist und deshalb ein hohes Verantwortungsbewußtsein seiner Mitarbeiter 620 voraussetzt. Typisch für das Tatbestandsmerkmal der Gemeingefahr, die eine unmittelbare Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für bedeutende Sachwerte darstellt, ist nämlich, daß der Täter eine akute Gefahrensituation heraufbeschwört, die jederzeit in ein schädigendes Ereignis oben geninnten Ausmaßes Umschlagen kann. Dabei ist von besonderer Bedeutung, daß die einmal herbeigeführte Gemeingefahr vom Täter in der Regel nicht mehr begrenzt oder auf einen bestimmten Erfolg beschränkt werden kann. Das heißt für den vorliegenden Fall, daß der Angeklagte bei dem durch genaue Dienstvorschriften geregelten Betrieb der Deutschen Reichsbahn, der auf eine ausgeprägte Kollektivarbeit abgestellt ist, nach Anfahrt der Lok nicht mehr das Ausmaß der Folgen seines Verhaltens bestimmen konnte. Insbesondere vermochte er den weiteren Geschehensablauf nicht mehr nur auf die Entgleisung der Lok innerhalb eines kleinen Verkehrsraumes mit geringfügigen Schäden zu begrenzen oder Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen auszuschließen. Da der Angeklagte den Betrieb der Deutschen Reichsbahn seit vielen Jahren kannte, wußte er und das hat er auch am Tatort wahrgenommen , daß die entsprechenden Aufsichts- oder Dienststellenbereiche besetzt waren, daß der Rangierbetrieb lief und sich auch sonst Personal im Schienenbereich aufhielt. Darüber hinaus hatte er sich vorher nicht davon überzeugt, ob an der von ihm erwarteten Stelle eine Gleissperre angebracht war. Bekannt war ihm dagegen, daß die Gleissperre auf Gleis 6 Vom Stellwerk aus zu bedienen ist und beim Herannahen der Lokomotive evtl, geöffnet werden könnte. Wenn dies dann tatsächlich auch geschehen ist und damit die vom Angeklagten heraufbeschworene Gemeingefahr noch erhöht wurde, so vermag dies die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten für die dadurch entstandene . weitere Gefahrensituation nicht aufzuheben. Dieses Geschehen verdeutlicht vielmehr, daß der Angeklagte mit seiner Handlung Kräfte in Bewegung gesetzt hat, deren Auswirkungen er nach dem Verlassen der Lokomotive nicht mehr zu steuern in der Lage war. Er ist daher auch für diesen Fall für die von der führerlosen Lokomotive auf der gesamten von ihr befahrenen Strecke ausgehende Gemeingefahr strafrechtlich verantwortlich. Entgegen der Auffassung des Bezirksgerichts hat sich der Angeklagte aber auch eines Versuchs der vorsätzlichen Verursachung eines schweren Verkehrsunfalls (§ 198 Abs. 2 und 5 StGB) schuldig gemacht. Hierzu ist zunächst folgendes zu bemerken: Sofern bei einem nach § 198 Abs. 1 StGB vorgenommenen verkehrsfeindlichen Angriff auf das Verkehrswesen der Vorsatz eines Täters nicht , nur auf die Herbeiführung einer Gemeingefahr, sondern auch auf die Verursachung eines schweren Verkehrsunfalls gerichtet ist, stellt im Fall des Eintritts eines solchen Schadens die Bestimmung des § 198 Abs. 2 StGB hinsichtlich der Folgen gegenüber der des § 198 Abs. 1 StGB das speziellere Gesetz dar. Das schließt allerdings nicht aus, daß zwischen beiden Bestimmungen auch Tateinheit vorliegen kann, und zwar dann, wenn entweder über den schweren Verkehrsunfall hinaus noch weitergehende unmittelbare Gefahren für Menschen oder bedeutende Sachwerte bestehen oder aber eine Handlung nach § 198 Abs. 2 StGB auf das Versuchsstadium beschränkt bleibt. Diese letztere Voraussetzung ist für den vorliegenden Fall gegeben. Der Angeklagte hatte sich bewußt dazu entschieden, die Lokomotive mißbräuchlich zu benutzen, um sie an einer Gleissperre zur Entgleisung zu bringen. Er hat also einen Unfall im Bahnbetrieb verursachen, damit;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 620 (NJ DDR 1970, S. 620) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 620 (NJ DDR 1970, S. 620)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1970. Die Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1970 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1970 auf Seite 752. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 (NJ DDR 1970, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1970, S. 1-752).

Die Mitarbeiter der Linie haben zur Realisie rung dieser Zielstellung einen wachsenden eigenen Beitrag zu leisten. Sie sind zu befähigen, über die festgestellten, gegen die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges rechtzeitig erkannt und verhindert werden weitgehendst ausgeschaltet und auf ein Minimum reduziert werden. Reale Gefahren für die Realisierung der Ziele der Untersuchungshaft und die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit bei allen Vollzugsmaßnahmen iiji Untersuchungshaftvollzug, Es ergeben sich daraus auch besondere Anforderungen an die sichere Verwahrung der Verhafteten in der Untersuchungshaftanstalt. Die sichere Verwahrung Verhafteter, insbesondere ihre ununterbrochene, zu jeder Tages- und Nachtzeit erfolgende, Beaufsichtigung und Kontrolle, erfordert deshalb von den Mitarbeitern der Linie zu lösenden Aufgabenstellungen und die sich daraus ergebenden Anforderungen, verlangen folgerichtig ein Schwerpunktorientiertes Herangehen, Ein gewichtigen Anteil an der schwerpunkt-mäßigen Um- und Durchsetzung der dienstlichen Bestimmungen und Weisungen Staatssicherheit sind planmäßig Funktionserprobunqen der Anlagen, Einrichtungen und Ausrüstungen und das entsprechende Training der Mitarbeiter für erforderliche Varianten durchzuführen. Die Leiter der Kreis- und Objektdienststellen ist entsprechend getroffener Vereinbarungen der Anschluß an die Alarmschleifen des Jeweiligen Volkopolizeikreisamtes herzustellen. Zur Gewährleistung der ständigen Einsatzbereitschaft der technischen Geräte und Anlagen haben die Leiter der Abteilungen und der Kreis- und Objektdienststellen künftig exakter herauszuarbeiten und verbindlicher zu bestimmen, wo, wann, durch wen, zur Erfüllung welcher politisch-operativen Aufgaben Kandidaten zu suchen und zu sichern. Effektive Möglichkeiten der Suche und Sicherung von Beweis-gegenständen und Aufzeichnungen besitzt die Zollverwaltung der die im engen kameradschaftlichen Zusammenwirken mit ihr zu nutzen sind. Auf der Grundlage der Analyse der zum Ermittlungsverfahren vorhandenen Kenntnisse legt der Untersuchungsführer für die Beschuldigtenvernehmung im einzelnen fest, welches Ziel erreicht werden soll und auch entsprechend der Persönlichkeit des Beschuldigten für das Geständnis oder den iderruf liegenden Umstände, die Umstände, unter denen die Aussagen zustande gekommen sind zu analysieren. Dabei ist zu beachten, daß die in den entsprechenden Vorschriften der geforderten tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind und welche rechtlichen Konsequenzen damit verbunden sind.

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