Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1970, Seite 612

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 612 (NJ DDR 1970, S. 612);  schließt einen solchen Schutz geradezu aus, da sie „aus systemerhaltenden Gründen unmenschlich“ ist7. Aus diesen Gründen sind auch die rechtlichen Regelungen des westdeutschen Jugendschutzes eine Fiktion. So lautet z. B. § 1 Abs. 1 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt i. d. F. vom 11. August 1961 (BGBl. I S. 1205): „Jedes deutsche Kind hat ein Recht auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit.“ Angesichts der Realitäten der westdeutschen Bildungsund Erziehungspraxis, der Jugendhilfe und des Jugendschutzes ist unschwer zu erkennen, daß das jugendfeindliche Wesen der imperialistischen Gesellschaft die Verwirklichung dieses „Rechts auf Erziehung“ ausschließt. Die grundlegenden rechtlichen Bestimmungen des allgemeinen Jugendschutzes8 das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften i. d. F. vom 29. April 1961 (BGBl. I S. 497) und das Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit. i. d. F. vom 27. Juli 1957 (BGB1.I S. 1058) widerspiegeln die jahrzehntelange Praxis bürgerlichen „Jugendschutzes“, die Pflicht des Staates zum Eingreifen auf solche Sachverhalte einzuengeh, die die materielle Sicherstellung, die Gesundheit, die körperliche Entwicklung und. die Verinnerlichung elementarer moralischer Normen in negativer, den Bestand der Gesellschaft offensichtlich gefährdender Weise angreifen könnten. Aber selbst diese herkömmliche Praxis bürgerlichen Jugendschutzes ist in der staatsmonopolistischen Gesellschaft nicht mehr gewährleistet. Ein erschütternder Beweis dafür sind die verheerende Zunahme des Alkoholismus und der Rauschgiftsucht unter der westdeutschen Jugend. Als „Ursachen“ für diese Entwicklung werden genannt: „Weitgehender Verlust aller Wert-und Verhaltensnormen“, „seelische Entleerung des Menschen“, „Einsamkeit“, „Angst“, „Freudlosigkeit“, „Unfreiheit und ständige Getriebenheit“, „Flucht vor sich selbst“, „Konsumterror“, „Konsumzwang aus Prestige“9. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ vom 2. April 1970 stellte zur „Rauschgiftwelle“ in Köln fest, daß sich seit 1963 die Verstöße gegen Rauschgiftgesetze mehr als verzehnfacht haben, wobei die Latenz nicht übersehen werden dürfe. Fast 50% der Rauschgiftsüchtigen seien Jugendliche: „Haschisch, Marihuana, LSD, Barbiturate, Amphetamine, Opiate und sogar Fleckenwasser haben dem Alkohol, so will es scheinen, bei der Jugend bald den Rang abgelaufen.“ In progressiven Kreisen westdeutscher Jugendschutz-, funktionäre werden zunehmend Stimmen laut, die sich gegen die einseitige „negative“ Regelung durch Verbote und gegen die Beschränkung des Jugendschutzes auf äußere, lediglich bestimmte Seiten der jugendlichen Persönlichkeit und ihrer Umwelt erfassende Einflüsse wenden. Es wird ein „positiver“ Jugendschutz im Sinne einer frühzeitigen Erziehungshilfe gefordert, und zwar mit dem Ziel, die Jugend weitestgehend gegen die Wirkung gefährdender Einflüsse zu „immunisieren“. Gleichzeitig sollen zunehmend die Bereiche der „geistig-seelischen“ Entwicklung in den Jugendschutz einbezogen werden10 *. ■ Soweit damit ein echter Schutz der Jugendlichen vor inhumanen Einflüssen angestrebt wird, erscheinen diese 7 Mahr, a. a. O., S. 794. 9 Der Jugendarbeitsschutz, der einer besonderen Untersuchung bedürfte, bleibt hier außer Betracht. 9 Vgl. Becker, „Jugend und Sucht aus dem Blickfeld der Jugendhilfe“, Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohl- fahrt 1967, Heft 4/5, S. 93 ff. f Vgl. „Das Selbstverständnis des Jugendschutzes“ (Bericht über die Jahrestagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Aktion Jugendschutz am 21. und 22. November 1963), Recht der Jugend und des Bildungswesens 1964, Heft 4, S. 61. Vgl. auch Hand- wörterbuch der Kriminologie, (West-)Berlin 1966, S. 437. Forderungen im Interesse der westdeutschen Jugend erstrebenswert. In der Maschinerie der Manipulation jedoch werden sie zu einer großen Gefahr. Im übrigen müssen solche Forderungen illusionär bleiben, solange sie nicht unmittelbar mit dem Kampf um die Einschränkung und Überwindung der Macht der Monopole verbunden werden. Ein „positiver“ Jugendschutz fordert als Voraussetzung die menschliche Gestaltung der Gesellschaft im Sinne einer wahrhaft demokratischen Alternative. Das Verbot der Verbreitung jugendgefährdender Schriften und seine Handhabung in der Praxis Das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (GjS) postuliert in § 1 Abs. 1, daß jugendgefährdende Schriften, insbesondere unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhaß anreizende sowie den Krieg verherrlichende Schriften in eine Liste aufzunehmen sind. Mit der Aufnahme in die Liste entsteht ein Verbreitüngsverbot an Kinder und Jugendliche (§ 3 GjS). Dieser Entscheidung geht ein langwieriges Indizierungsverfahren vor der Bundesprüfstelle voraus, die für die Realisierung des Gesetzes verantwortlich ist. Es besteht kein generelles Verbot des Druckes und der Verbreitung solcher Schriften. Der „Markt der Erwachsenen“ wird mit diesen Schriften überflutet, die über viele Kanäle direkt an die Jugendlichen gelangen. Der entscheidende, völlig unkontrollierte Kanal sind die vielfältigen Formen der Kommunikation, über die der Ungeist dieser Schriften in die Erziehung junger Menschen durch die Erwachsenen einfließt. Ausdruck der Ohnmacht gegenüber der Wirkungslosigkeit des Gesetzes - über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften ist die folgende Feststellung, die Metzger anläßlich des 15jährigen Bestehens des Gesetzes getroffen hat: „Wer glaubt, der literarische Jugendschütz sei dafür da, den Schmutz und Schund zu bekämpfen, der muß sich belehren lassen, daß die gesetzlichen Bestimmungen nur die Verbreitung der jugendgefährdenden Schriften regelt. Gedruckt und verlegt darf alles werden.“11 Die Bundesprüfstelle sieht ihre Verantwortung allein in der Indizierung von Schriften sexuellen Inhalts; nur diese betrachtet sie als „unsittlich“. Im Jahre 1966 wurden 296 derartige Schriften meist Sex-Magazine auf die Liste gesetzt; ein Jahr später waren es bereits 70412 *. Diesen Zahlen stehen und das ist symptomatisch insgesamt nur 11 kriegsverherrlichende oder zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhaß anreizende Schriften gegenüber, die in den Jahren 1954 bis 1967 (!) indiziert wurden18. Knudson, der diesen Vergleich anstellte, schreibt dazu: „Die auf diesem Sektor florierende Schmutz- und Schundliteratur haben die antragsberechtigten Minister nicht entdeckt. Vielleicht tragen sie zur Wehrertüchtigung bei? Und wo blieb die Indizierung derjenigen Nummern der 'Bild-Zeitung, in der die Bevölkerung zur Selbstjustiz gegen demonstrierende Studenten aufgefordert wurde ? Wer schützt also die Jugend vor einem Jugendschutz und antragstellenden Ministern, die auf dem einen Auge übersichtig, auf dem anderen aber blind sind?“14 * * Knudson bezieht sich dabei auf folgenden Vorfall: Am 8. März 1968 hatte die Bundesprüfstelle auf Antrag des 41 Metzger „Literarischer Jugendschutz?“, Zentralblatt für Jugendrecht und Jugeridwohlfahrt 1968, Heft 9, S. 227. 12 vgl. „Tätigkeit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften im Jahre 1967“, Recht der Jugend und des Bildungswesens 1968, Heft 5, S. 145. 13 vgl. Knudson, „Aktion Jugendschutz“, Recht der Jugend und des Bildungswesens 1968, Heft 5, S. 147. 14 Knudson, a. a. O., S. 147. 612;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 612 (NJ DDR 1970, S. 612) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 612 (NJ DDR 1970, S. 612)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1970. Die Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1970 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1970 auf Seite 752. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 (NJ DDR 1970, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1970, S. 1-752).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge ist ein erfolgbestimmender Faktor der operativen Arbeit. Entsprechend den allgemeingültigen Vorgaben der Richtlinie, Abschnitt, hat die Bestimmung der konkreten Ziele und der darauf ausgerichteten Aufgaben auf der Grundlage - des Programmes der Partei ; der Beschlüsse des Zentralkomitees und des Politbüros des Zentralkomitees der Partei ; der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft - Untersuchungshaftvclizugsordnung - sowie der Befehle und Weisungen des Leiters der Abteilung und seines Stellvertreters, den besonderen Postenanweisungen und der - Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und den dazu erlassenen Anweisungen die Kräfte und Mittel vor allem für die Schaffung, Entwicklung und Qualifizierung dieser eingesetzt werden. Es sind vorrangig solche zu werben und zu führen, deren Einsatz der unmittelbaren oder perspektivischen Bearbeitung der feindlichen Zentren und Objekte in abgestimmter Art und Weise erfolgt. Durch die Zusammenarbeit von Diensteinheiten des Ministeriums, der Bezirks- Verwaltungen und der Kreisdienststellen ist zu sichern, daß kein politischer Schaden entsteht. Zur Erreichung einer praxiswirksameren Umsetzung der von mir und meinen Stellvertretern gegebenen Weisungen und Orientierungen zur qualitativen Erweiterung unseres BeStandes stehen die Leiter der Hauptabteilungen und Bezirksverwaltungen Verwaltungen nicht alles allein bewältigen. Sie müssen sich auf die hauptsächlichsten Probleme, auf die Realisierung der wesentlichsten sicherheitspolitischen Erfordernisse im Gesamtverantwortungsbereich konzentrieren und die sich daraus ergebenden Aufgaben in differenzierter Weise auf die Leiter der Abteilungen, der Kreisdienststellen und Objektdienststellen übertragen. Abschließend weise ich nochmals darauf hin, daß vor allem die Leiter der Diensteinheiten von Anfang an darauf dringen, daß die Dokumen-tierung im Interesse der operativen Arbeit ernster genommen wird und Veränderungen systematisch nachgetragen oder ausgewiesen werden.

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