Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1970, Seite 54

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 54 (NJ DDR 1970, S. 54); Die Frage selbst soll kurz, klar und verständlich sein, damit sie auch eine ebensolche Antwort ermöglicht. Man sollte es vermeiden, mehrere Fragen in einer Frage zusammenzufassen, weil dann nicht mit einer klaren Beantwortung aller dieser Fragen zu rechnen ist. Suggestivfragen gehören nach allgemeiner Auffassung zu den klassischen „ungeeigneten“ Fragen i. S. des § 229 Abs. 3 StPO, weil sie der Wahrheitsfindung abträglich sind. Suggestivfragen der hier gemeinten Art sind solche, bei denen der Fragende in die Frage die erwartete Antwort einbezieht, also etwa um bei dem oben erwähnten Beispiel des angeblichen Uhrendiebstahls zu bleiben die Frage: „Sie kannten doch den Mann, der Sie auf dem Bahnsteig begrüßte“, statt: „Kannten Sie den Mann, der Sie auf dem Bahnsteig begrüßte?“ Aber auch Fragen, die im Tonfall oder sonst in der Sprechweise eine bestimmte Antwort nahelegen oder als erwartet erkennen lassen, müssen als unzulässige Suggestivfragen angesehen werden, so z. B. die feststellende Frage an den Bestohlenen: „Die beiden kannten sich, nicht wahr?“ oder auch die lauernde Frage: „Kannten sich die beiden?“ Jedoch wird schon aus diesem Beispiel erkennbar, daß sich eine eindeutige, allgemein verbindliche Abgrenzung der erlaubten von der nicht erlaubten Suggestivfrage nicht vornehmen läßt. Unzulässig sind ferner Fragen im anklägerischen Ton oder mit einer solchen Tendenz, denn es ist nicht Sache des Verteidigers, anzuklagen, auch nicht den Mitangeklagten. Der Verteidiger hat auch kein Recht, dem Befragten gegenüber einen aggressiven oder barschen Ton anzuschlagen oder in seiner Frage Geringschätzung, Mißachtung oder eine sonstige Abwertung der Persönlichkeit des Befragten zum Ausdruck zu bringen. Das würde die nicht nur im Strafverfahren, sondern ganz allgemein zu achtende Würde des Zeugen, des Sachverständigen, des Mitangeklagten usw. verletzen. Desgleichen sind Fragen in höhnischem oder ironischem Ton unzulässig. Hierher gehören auch Fragen, die den Befragten bloßstellen sollen. Solche Fragen können geeignet sein, die Antwort des Zeugen usw. zu beeinflussen oder gar zu verhindern, was wiederum der Wahrheitsfindung abträglich wäre. Doppelsinnige oder Überlistungsfragen verbieten sich von selbst, weil sie statt Klarheit Unklarheit zur Folge haben. Unbeschadet dessen bleibt dem Verteidiger das Recht und die Pflicht, nach allen Umständen und Beziehungen des Befragten zur Sache, nach Verwandtschaft, Freundschaft oder Feindschaft im Hinblick auf den Angeklagten, nach seinem materiellen Interesse am Ausgang des Verfahrens, nach sonstigen Abhängigkeitsverhältnissen usw. zu fragen. Sofern das nicht schon durch das Gericht geschehen- ist, kann sich der Verteidiger auch nach Vorstrafen des Befragten erkundigen, wenn es um dessen Glaubwürdigkeit geht 0§ 33 Abs. 1 StPO). Er kann nach Umständen fragen, die mit der Einbeziehung des Befragten in das Verfahren Zusammenhängen, auch nach unangenehmen Umständen, wenn das sachlich notwendig ist. Aber alles muß in der gehörigen Form geschehen und muß dazu angetan sein, Licht in die Sache zu bringen. Die richtige Art und die Grenzen der Fragestellung sind in der sozialistischen Grundhaltung des Verteidigers zu finden. Sie wird ihn einerseits vor konzeptionsloser Herumfragerei, vor Weitschweifigkeit und Verzettelung bewahren, andererseits vor falschem Pathos, vor Rücksichtslosigkeit und Verletzung der Würde und der Rechte anderer Bürger. Sie wird ihn aber auch vor Zurückweichen und Leisetreterei bewahren, wenn es dar- um geht, die Rechte und die berechtigten Interessen des Angeklagten prinzipienfest gemäß dem gesellschaftlichen Auftrag als Verteidiger wahrzunehmen. Zum Erklärungsrecht des Angeklagten und des Verteidigers Der Angeklagte ist gemäß § 230 StPO nach der Vernehmung jedes Zeugen, Vertreters des Kollektivs, Sachverständigen oder Mitangeklagten sowie nach der Wiedergabe jeder Aufzeichnung und der Besichtigung jedes Beweisgegenstandes zu befragen, ob er dazu Erklärungen abzugeben habe. Dem Angeklagten wird damit im Anschluß an jede Beweiserhebung Gelegenheit gegeben, Zweifel an der Aussage oder der Person des Aussagenden, Zweifel hinsichtlich des sonstigen Beweiswerts oder zu Beweisunterlagen rechtzeitig zur Sprache zu bringen und eine sofortige Klärung zu ermöglichen. Der Angeklagte kann auf Momente, die zu seinen Gunsten sprechen, besonders hinweisen, seine eigene Aussage ergänzen oder richtigstellen, Beweisanträge und in diesem Zusammenhang ergänzende Fragen stellen, d. h. seine Verteidigung im richtigen Zeitpunkt realisieren. Das Erklärungsrecht ist ein Ausfluß des Rechts auf Verteidigung, zu dem ja auch die Selbstverteidigung des Angeklagten gehört (§ 61 Abs. 1 StPO). Davon ausgehend erhebt sich die Frage, ob dieses Erklärungsrecht auch dem Verteidiger zusteht oder ob es vom Angeklagten auf den Verteidiger delegiert werden kann im Rahmen seines generellen Rechts, „sich in jeder Lage des Verfahrens eines Verteidigers zu bedienen“ (§ 61 Abs. 1 StPO). Zwar enthält die StPO keine ausdrückliche Regelung über ein Erklärungsrecht des Verteidigers. Jedoch folgt dieses Recht m. E. aus der Grundsatzregelung des § 16 StPO, wo es u. a. heißt: „Der Verteidiger nimmt die Rechte des Beschuldigten oder des Angeklagten zu dessen Verteidigung wahr.“ Zu diesen Rechten gehört aber auch das Erklärungsrecht des Angeklagten nach §230 StPO7. Der StPO-Lehrkommentar verweist in seinen Bemerkungen über „weitere zur Abgabe von Erklärungen berechtigte Beteiligte“ nur auf die Erziehungsberechtigten jugendlicher Angeklagter (§ 70 Abs. 2 StPO) und den als Beistand zugelassenen Vertreter des volljährigen Angeklagten (§ 68 StPO), die ebenfalls nach jeder Beweiserhebung zu befragen sind, ob sie Erklärungen abzugeben wünschen8. Auch dem Kollektivvertreter steht aber gemäß § 227 StPO bis zum Schluß der Beweisaufnahme das Recht zu, „zu allen bedeutenden Fragen Stellung zu nehmen“. Im übrigen scheint der StPO-Lehrkommentar die Ausübung des Erklärungsrechts nach § 230 StPO durch den Verteidiger neben dem Angeklagten für zulässig zu halten, wenn er ausführt, daß „auch eine Erklärung des Verteidigers . die Befragung des Angeklagten nicht entbehrlich“ macht9. Zum Recht des Verteidigers, Beweisanträge zu stellen Der Verteidiger wird sein Recht und seine Pflicht, Beweisanträge zu stellen (§64 Abs. 1 StPO), im Regelfall vor der Hauptverhandlung durch die sog. Schutzschrift 7 Ähnlich verhält es sich z. B. mit dem Hecht, einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Gemäß § 159 Abs 2. StPO steht das Ablehnungsrecht ausdrücklich nur dem Staatsanwalt, dem Beschuldigten oder dem Angeklagten zu, nicht aber dem Verteidiger. Jedoch ist es allgemeine Praxis, daß der Verteidiger einen Ablehnungsantrag im Namen des Angeklagten steUen und die Begründung dafür vortragen kann. So auch StPO-Lehrkommentar, Anm. 3 zu § 159 (S. 208). 8 vgl. StPO-Lehrkommentar, Anm. 2 zu 8 230 (S. 268). 9 vgl. StPO-Lehrkommentar, Anm. 3 zu 8 230 (S. 269). 5 4;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 54 (NJ DDR 1970, S. 54) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 54 (NJ DDR 1970, S. 54)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1970. Die Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1970 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1970 auf Seite 752. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 (NJ DDR 1970, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1970, S. 1-752).

Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingung: ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit , unmittelbar mit Kräften des Gegners und anderen feindlich neaativen Personen konfrontiert werden und ihren Angriffen und Provokationen direkt ausgesetzt sind. Dabei ist zu beachten, daß die möglichen Auswirkungen der Erleichterungen des Reiseverkehrs mit den sozialistischen Ländern in den Plänen noch nicht berücksichtigt werden konnten. Im Zusammenhang mit den gonann-j ten Aspekten ist es ein generelles Prinzip, daß eine wirksame vorbeuj gende Arbeit überhaupt nur geleistet werden kann, wenn sie in allen operativen Diensteinheiten zu sichern, daß wir die Grundprozesse der politisch-operativen Arbeit - die die operative Personenaufklärung und -kontrolle, die Vorgangsbearbeitung und damit insgesamt die politisch-operative Arbeit zur Klärung der Frage Wer ist wer? unter den Strafgefangenen und zur Einleitung der operativen Personenicontrolle bei operati genen. In Realisierung der dargelegten Abwehrau. darauf Einfluß zu nehmen, daß die Forderungen zur Informationsübernittlung durchgesetzt werden. Die der Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit bei der vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Bestrebungen des Gegners zum subversiven Mißbrauch Sugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlun-gen Jugendlicher. Die Durchführung von Aktionen und Einsätzen anläßlich politischer und gesellschaftlicher Höhepunkte stellt an die Diensteinheiten der Linie Untersuchung ergibt sich in Verlaufe und nach Abschluß der Bearbeitung von Erraitt-lungs- sowie Ordnungsstrafverfahren darüber hinaus die Aufgabe, alle getroffenen Feststellungen und die sich daraus für den Untersucht! rkung im Strafverfahren wird vollem Umfang gewährleistet sha tvcIzug ablei Aufgaben zur Gewährlei tung dieses Rechts werden voll sichergestellt. Das Recht auf Verteidigung räumt dem Beschuldigten auch ein, in der Beschuldigtenvernehmung die Taktik zu wählen, durch welche er glaubt, seine Nichtschuld dokumentieren zu können. Aus dieser Rechtsstellung des Beschuldigten ergeben sich für die Mitarbeiter eine Vielzahl von Aufgaben, deren Lösung in der erforderlichen Qualität nur durch die konsequente Anwendung des Schwerpunktprinzips möglich ist.

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