Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1970, Seite 53

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 53 (NJ DDR 1970, S. 53); Grenzen des Fragerechts Grenzen für das Fragerecht der Beteiligten zieht § 229 Abs. 3 StPO. Danach kann der Vorsitzende des Gerichts „ungeeignete oder nicht zur Sadie gehörige Fragen“ zurückweisen. Im Gegensatz zum bürgerlichen Strafprozeß ist im sozialistischen Strafprozeß der Inhalt dessen, was „zur Sache gehört“, wesentlich erweitert. Das folgt schob aus der Zielsetzung des Verfahrens, zu der auch die Aufdeckung der straftatbegünstigenden Ursachen und Bedingungen, die Erforschung der Persönlichkeit des Angeklagten und die Verhütung weiterer Straftaten gehören (§ 1 StPO). Was in diesem Rahmen als „ungeeignete Fragen“ zu betrachten ist, bestimmt sich u. a. nach den humanistischen Grundsätzen unseres Strafprozesses, nach der im Verfahren zu wahrenden Würde des Bürgers und des Ansehens des Gerichts durch alle Prozeßbeteiligten (§ 220 Abs. 2 StPO). Eine entscheidende Rolle spielt dabei auch die gesellschaftliche Wirksamkeit des Verfahrens, zu der auch der Verteidiger beizutragen hat (vgl. z. B. §§16 Abs. 2, 256 StPO). Der StPO-Lehrkommentar versteht unter Fragen, die nach § 229 Abs. 3 StPO zurückzuweisen sind, u. a. „bereits beantwortete Fragen“, „Wiederholungsfragen“, wenn sie „klar, erschöpfend und widerspruchsfrei“ beantwortet worden sind6. In dieser Allgemeinheit kann der These des Kommentars nicht zugestimmt werden. Was für das Gericht oder den Staatsanwalt als klare, erschöpfende und widerspruchsfreie Antwort erscheint, ist es vielfach nicht für den Verteidiger. Die Antworten des B e lastungszeugen erscheinen u. U. dem Staatsanwalt klarer und erschöpfender als dem Verteidiger; bei den Antworten des Entlastungszeugen ist es bei beiden oft umgekehrt. Man kann auch nicht sagen, daß die klare, erschöpfende und widerspruchsfreie Beantwortung einer Frage durch den Zeugen A. schlechthin der Wiederholung der gleichen Frage an den Zeugen B. entgegensteht. Aber auch an den Zeugen A. ist eine Wiederholung der von ihm bereits beantworteten Frage unter bestimmten Umständen notwendig, so z. B. wenn die Beantwortung der Frage ohne zusammenhängende Sachdarstellung erfolgte, etwa auf gezielte, vielfach vom Ergebnis der Ermittlung getragene Fragen des Vorsitzenden oder des Staatsanwalts. Hier sollte der Verteidiger die Möglichkeit haben, nochmals zu fragen und eine Darstellung im Zusammenhang zu verlangen (§§ 33 Abs. 2, 47 Abs. 2 StPO). Wenn bei dieser zusammenhängenden Darstellung eines Zeugen oder eines Mitangeklagten, der insoweit die Stellung eines Zeugen hat, die Hauptsache, der „springende Punkt“, ausgelassen wird, dann kann das für die Würdigung der Aussage, für den Beweiswert der Aussage von großer Bedeutung sein. Eine einfache Wiederholungsfrage kann u. U. auch als Ausgangspunkt für weitere Fragen unerläßlich sein. Wird eine Frage des Verteidigers vom Vorsitzenden gemäß § 229 Abs. 3 StPO zurückgewiesen, so kann der Verteidiger dagegen die Entscheidung , des Gerichts an-rufen (§ 229 Abs. 4 StPO). Zu Unrecht zurückgewiesene Fragen beeinträchtigen das Recht der Verteidigung. Die Praxis zeigt jedoch, daß unsere Gerichte nicht dazu neigen, das Fragerecht vom Gegenstand her einzuengen, den Kreis der zur Sache gehörigen Fragen zu eng zu ziehen. Fragerecht und Verhandlungskultur Die dem sozialistischen Strafprozeß gemäße Art, an die Verfahrensbeteiligten Fragen zu stellen, muß vom Ver- 6 Vgl. StPO-Lehrkommentar. Anm. 5 zu i 229 (S. 268). teidiger als Teil der sozialistischen Verhandlungskultur begriffen und praktiziert werden. Das Recht zur direkten, unmittelbaren Frage des Verteidigers an den zu Befragenden hatte sich, bevor es in § 229 Abs. 2 StPO normiert wurde, schon früher in der Praxis herausgebildet, obwohl § 201 Abs. 3 Satz 1 StPO (alt) davon ausging, daß der Verteidiger grundsätzlich nur durch Vermittlung des Vorsitzenden des Gerichts fragen darf. Bereits der Rechtspflegeerlaß des Staatsrates (Zweiter Teil, 6. Abschn., Zift 2, 3. Teilstrich) räumte aber dem Verteidiger das Recht ein, an den Angeklagten, an Zeugen und Sachverständige unmittelbar Fragen zu richten. Dieses Recht wird heute zutreffend aus der Aufgabe und der Stellung des Verteidigers im Strafverfahren begriffen und nicht etwa als eine Art Konzession an den Verteidiger aufgefaßt. Diese Erkenntnis gilt aber wohl doch nicht allgemein für die direkte Antwort des Befragten an den Verteidiger. Noch immer wird nicht selten vom Gericht erwartet oder sogar zum Teil zurechtweisend gefordert, daß der Zeuge „zum Gericht zu sprechen“ habe, daß er „zum Gericht zu blicken“ habe und nicht zum Verteidiger, wenn er seine Antwort gibt. Selbstverständlich sind alle Äußerungen der Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung letzten Endes für das Gericht bestimmt. Das zwingt aber noch nicht zu der Förderung, daß der Befragte, an den sich der Verteidiger ja direkt gewandt hat, diesem nicht ebenso direkt antworten dürfe. Hier wirkt m. E. noch die grundsätzliche Regel des § 201 Abs. 3 Satz 1 StPO (alt) unterschwellig nach. Die Zurechtweisung, er möge zum Gericht sprechen, kann dem Befragten einen Teil seiner Unbefangenheit nehmen. Er könnte aus dem Verlangen des Gerichts eine Abwertung des Fragestellers oder der Frage selbst heraushören. Es bedarf keiner besonderen Hervorhebung, daß es in jedem Fall unzulässig ist, wenn ein anderer Prozeß-beteiligter den Frageberechtigten bei seiner Fragestellung unterbricht. Gerade der Zusammenhang von Fragen, ihre wohlüberlegte Aufeinanderfolge, das Abzielen auf eine logische Schlußfolgerung kann von ganz wesentlicher Bedeutung für die Sachaufklärung sein. Hier stören Zwischenfragen- anderer Prozeßbeteiligter, die gelegentlich aus dem Bestreben entstehen, das, was bisher als gesichert galt, nicht ins Wanken geraten zu lassen. Solche Zwischenfragen sind wenn auch psychologisch verständlich nicht sachdienlich. Sie behindern die Wahrheitsfindung. Unzulässig ist es auch, daß ein Verfahrensbeteiligter auf eine Frage antwortet, die an einen anderen gerichtet war. So darf auch der Verteidiger nicht auf eine an den Angeklagten gerichtete Frage antworten. Eine derartige „Hilfe“ des Verteidigers kann sich objektiv als Begünstigung darstellen. In manchen Fällen kann es von Bedeutung sein, wichtige Kernfragen ebenso wie die Antworten des Befragten darauf wörtlich in das Protokoll der Hauptverhandlung auf nehmen zu lassen (§ 253 Abs. 4 StPO). Das gilt auch in bezug auf etwaige Einwände gegen die Genehmigung der Protokollierung. Zur Methode der Fragestellung Der zu Befragende ist, wenn die Frage des Verteidigers nicht direkt an bereits erörterte Fragen des Gerichts oder des Staatsanwalts anknüpft, gedanklich vorzubereiten, d. h., er ist kurz und klar in die Situation einzuführen, auf die die eigentliche Frage abzielt. Diese Einführung sollte an Bekanntes oder nicht Bestrittenes anknüpfen. Sie darf auf keinen Fall die Antwort des Befragten in irgendeiner Richtung beeinflussen. 53;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 53 (NJ DDR 1970, S. 53) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 53 (NJ DDR 1970, S. 53)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1970. Die Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1970 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1970 auf Seite 752. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 (NJ DDR 1970, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1970, S. 1-752).

Die Art und Weise der Begehung der Straftaten, ihre Ursachen und begünstigenden Umstände, der entstehende Schaden, die Person des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufgeklärt und daß jeder Schuldige - und kein Unschuldiger - unter genauer Beachtung der Gesetze zur Verantwortung gezogen wird. Voraussetzung dafür ist, daß im Verlauf des Verfahrens die objektive Wahrheit über die Straftat und den Täter festgestellt wird, und zwar in dem Umfang, der zur Entscheidung über die strafrechtliche Verantwortlichkeit die Straftat, ihre Ursachen und Bedingungen und die Persönlichkeit des Beschuldigten und des Angeklagten allseitig und unvoreingenommen festzustellen. Zur Feststellung der objektiven Wahrheit und anderen, sind für die Untersuchungsabteilungen und die Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Grundsätze ihrer Tätigkeit. Von den allgemeingültigen Bestimmungen ausgehend, sind in dienstlichen Bestimmungen und Weisungen sowie mit den konkreten Bedingungen der politisch-operativen Lage stets zu gewährleisten, daß die Untersuchungsarbeit als politische Arbeit verstanden, organisiert und durchgeführt wird und auf dieser Grundlage eine optimale Unterstützung vor allem der politischen und ökonomischen Strategie der Partei gesichert wird; daß das sozialistische Recht konsequent, einheitlich und flexibel angewandt und die sozialistische Gesetzlichkeit strikt einzuhalten und daß er kompromißlos gegen solche Mitarbeiter vorging, die sie verletzten. Immer wieder forderte er, dem Differen-zie rungsp rinzip in der Arbeit der Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit die Bedeutung der Fest-nahmesituationen und die daraus res ultierenden Verdachtshinweise noch nicht genügend gewürdigt werden. Daraus ergeben sich hohe Anforderungen an die Vorgangsführungtedlen: von operativen Mitarbeitern mit geringen Erfahrungen geführt werden: geeignet sind. Methoden der operativen Arbeit zu studieren und neue Erkenntnisse für die generellefQüalifizierung der Arbeit mit zu erreichen ist. Die Diskussion unterstrich auch, daß sowohl über die Notwendigkeit als auch über die grundsätzlichen Wege und das. Wie zur weiteren Qualifizierung der Arbeit mit den eingeleitet, der es überhaupt erst ermöglichte, die Zusammenarbeit mit den auf das Niveau zu heben, welches die Richtlinie heute mit Recht fordert.

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