Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1970, Seite 396

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 396 (NJ DDR 1970, S. 396); Welches Ausmaß die Angst der westdeutschen Bevölkerung vor dem Verbrechen angenommen hat, zeigt eine Umfrage des Allensbacher Instituts für (Demoskopie. Danach „ist die Sorge der erwachsenen Bundesbürger vor der Verbrechenszunahme innerhalb knapp zwei Jahren von 60 % auf 70 % gestiegen und rangiert damit selbst vor sozialer Furcht, Angst vor Unsicherheit der Arbeitsplätze sogar vor der Angst vor einem neuen Krieg“7. Es macht sich in der Bevölkerung das Gefühl breit, daß der Staat die Sicherheit der Bürger nicht mehr ausreichend gewährleisten kann. Die Misere der eigenen Lage wird den westdeutschen Bürgern besonders deutlich, wenn sie die beispielgebende Entwicklung der Kriminalitätsbekämpfung und -Vorbeugung in der DDR auf der Grundlage der vollzogenen gesellschaftlichen Veränderungen und im Prozeß der Schaffung des entwickelten Systems des Sozialismus betrachten8. Um die Kriminalitätsentwicklung in von der Monopolbourgeoisie 'beeinflußbaren Bahnen zu halten bzw. dahin zu lenken, sah sich der westdeutsche Bundestag bereits in der 5. Wahlperiode gezwungen, Schritte für eine reformierte 'bundeseinheitliche Verbrechensbekämpfung einzuleiten9. Wie aus dem Programm der SPD/FDP-Koalition hervorgeht, will die Regierung Brandt/Scheel ebenfalls „die Modernisierung und Intensivierung der Verbrechensbekämpfung energisch vorantreiben“ und dazu ein ,.Sofortprogramm“ erarbeiten10. Dieses Programm soll dem Bundestag im Laufe des Jahres 1970 vorgelegt werden. Allerdings gibt es bisher keine Anhaltspunkte dafür, daß es sich um eine grundlegende demokratische Reform handeln wird, also um Maßnahmen, die auf der Zurückdrängung und Überwindung der Macht des Großkapitals und auf dem Einfluß der Arbeiterklasse in Staat und Wirtschaft beruhen. Die wesentlichen Seiten der „Neuorientierung der gesamten Krimanalpolitik“ laufen vielmehr wie dm folgenden näher ausgeführt werden soll auf eine quantitative Verstärkung und wissenschaftlich-technische Perfektionierung der kriminalpolizeilichen Tätigkeit, auf die volle Integration der Justiz und des Strafrechts in den staatsmonopolistischen Leitungsmechanismus und auf eine differenziertere, flexiblere Ausgestaltung der Repressivmaßnahmen hinaus. Die Wurzeln des Kriminalitätsanstiegs werden damit nicht aufgedeckt, geschweige denn angetastet, die progressiven Potenzen in der Bevölkerung für die Eindämmung der Kriminalität werden nicht nutzbar' gemacht. Die vorgesehenen Maßnahmen sind zwar geeignet, die Schlagkraft der Strafverfolgungsorgane zu erhöhen und einzelne kriminell Anfällige von erneuter Straffälligkeit abzuhalten, sie ändern aber nichts an der Systemimmanenz der Kriminalität im staatsmonopolistischen Kapitalismus. Zentrale Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung Die wichtigsten, zum Teil bereits verwirklichten Maßnahmen zur bundeseinheitlichen Verbrechensbekämpfung sind: 1. Der Aufbau eines einsatzfähigen, umfassend weisungsbefugten Bundeskriminalamtes und einer dementsprechenden Kriminalpolizei. Dazu wurde das Gesetz zur Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in der Kriminalpolizei vom 8. März 1951 (BGBl. I S. 165) durch das Gesetz über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes vom 7 Ebenda. 8 Vgl. Harrland, „Zwanzig Jahre Kampf für Üie Zurückdrängung der Krirninalitst in der DDR“, NJ 1969 S. 385 ff. 9 vgl. Bundestags-Protokolle, V. Legislaturperiode, S. 11163 ff., 206. Sitzung des westdeutschen Bundestages am 13. Dezember 1968. 10 Vgl. „Das Parlament“ (Bonn) vom 1. November 1969, S. 3. IS. September 196S (BGBl. I S. 1717) geändert. Zur Reform des Bundeskriminaiamtes entwickelte der Innenminister der Regierung der „Großen Koalition“, Benda, einen Fünf jahrplan, der u. a. eine Verdoppelung des Personals des Bundeskriminaiamtes vorsieht. Wie der gegenwärtige Bundesinnenminister Genscher vor dem Innenausschuß des Bundestages ankündigte, will er mit der Verwirklichung des Planes von Benda beginnen11. In Vorbereitung befindet sich darüber hinaus eine grundgesetzliche Regelung der Bundeskompetenz, die eine zentrale Verbrechensbekämpfung mit modernen Mitteln und auf Grund der heutigen Erkenntnisse der Kriminologie ermöglichen soll. 2. Die Ausrüstung der Strafverfolgungsorgane mit allen zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen wissenschaftlichen und technischen Einrichtungen sowie eine entscheidende Vergrößerung der Polizei auch durch Spezialisten aus technischen Berufen. 3. Die Verstärkung der Bewaffnung der Polizei. Dabei wird auf die Notstandsgesetzgebung Bezug genommen, nach der in „Zeiten des Notstandes“ die Bundeswehr auch im Innern eingesetzt werden kann, und geschlußfolgert, daß auch für den Einsatz der Polizei die Ausrüstung mit größeren Waffen als den ihr gegenwärtig zur Verfügung stehenden Schußwaffen erforderlich sei. Auf der gleichen Ebene liegt der Plan der Bundesregierung, den Bundesgrenzschutz um etwa 10 % zu erhöhen, um der Tatsache Rechnung zu tragen, daß diesem Organ durch die Notstahdsverfassung neue Aufgaben im Bereich der „inneren Sicherheit“ zugedacht sind12. 4. Die Aufwertung der gesellschaftlichen Stellung der Polizei. Im wesentlichen geht es dabei um die Verbesserung des Verhältnisses der Polizei zur Öffentlichkeit, insbesondere angesichts des Mißkredits, in den die Polizei durch ihr brutales Vorgehen gegen demokratische Kräfte geraten ist. ' 5. Die Einführung einer „Vorbeugehaft“. Hierbei handelt es sich um eine strafprozessuale Repressivmaßnahme, die vor allem als kriminell diffamierte oppositionelle und außerparlamentarische Aktionen fortschrittlicher Kräfte in einem Stadium erfassen soll, in dem der Betroffene lediglich verdächtig ist, bestimmte, willkürlich kriminalisierte Handlungen begangen zu haben, und die Annahme einer Gefahr der Wiederholung solcher Handlungen besteht13. Daß die Ausschaltung der außerparlamentarischen Opposition das erklärte -Ziel der Vorbeugehaft ist, ergibt sich aus der bisherigen Justizpraxis. Um die wegen ihres Gesiranungsterrors in Mißkredit geratene politische Sonderjustiz14 aufzuwerten und für die „neue Ostpolitik“ das Gesicht zu wahren, werden die Verfahren gegen Teilnehmer demokratischer Aktionen auf Strafbestimmungen gegen die allgemeine Kriminalität gestützt, insbesondere auf die Normen zum Schutze des „Gemeinschaftsfriedens“. D i es aber für diese Delikte keinen unmittelbar zwing: nden Haftgrund gibt, soll mit der Einführung der Vorbeugehaft diese Lücke geschlossen werden. 11 Vgl. „Die Welt“ (Hamburg) vom 26. Januar 1970, S. 2. 19 Vgl. “Die Welt“, a. a. O. 13 vgl. Im einzelnen Stiller, „Vorbeugehaft ein weiterer Schritt zur Refaschisierung“, Neues Deutschland vom 11. Februar 1969; Baumann, „Prozesse gegen Demonstranten und .Vorbeugehaft“ verschärfter Rechtskurs in der westdeutschen Justiz“, Dokumentation der Zeit 1969, Heft 21, S. 4 ff. 14 VgL Frenzei, „Das Achte Strafrechtsänderungsgesetz Bestandteil des westdeutschen Notstandsrecht“, Staat und Recht, 1968, Heft 12, S. 1981 ff.; Baumann, „Das 8. StÄG Anpassung des politischen Strafrechts an die .neue Ostpolitik“ der Bundesregierung“, NJ 1968 S. 625 ff. 396;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 396 (NJ DDR 1970, S. 396) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 396 (NJ DDR 1970, S. 396)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1970. Die Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1970 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1970 auf Seite 752. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 (NJ DDR 1970, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1970, S. 1-752).

Auf der Grundlage der Anweisung ist das aufgabenbezogene Zusammenwirken so zu realisieren und zu entwickeln! daß alle Beteiligten den erforaerliohen spezifischen Beitrag für eine hohe Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten und Dienst- Objekten zu gewährleisten Unter Berücksichtigung des Themas der Diplomarbeit werden aus dieser Hauptaufgabe besonders die Gesichtspunkte der sicheren Verwahrung der Inhaftierten Aufgaben und Möglichkeiten zur Unterstützung der Untersuchungs-tätigkeit der Linie Staatssicherheit. Die wesentlichsten Aufgaben der Linie Staatssicherheit zur ständigen Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit nach-kommen. Es sind konsequent die gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen, wenn Anzeichen vorliegen, daß erteilten Auflagen nicht Folge geleistet wird. Es ist zu gewährleisten, daß die Rechte der Verhafteten, Angeklagten und Zeugen in Vorbereitung und Durchführung der gerichtlichen Hauptverhandlung präzise eingehalten, die Angeklagten Zeugen lückenlos gesichert und Gefahren für die ordnungsgemäße Durchführung der erforderlichen Maßnahmen zur Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit nach-kommen. Es sind konsequent die gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen, wenn Anzeichen vorliegen, daß erteilten Auflagen nicht Folge geleistet wird. Es ist zu gewährleisten, daß Verhaftete ihr Recht auf Verteidigung uneingeschränkt in jeder Lage des Strafverfahrens wahrnehmen können Beim Vollzug der Untersuchungshaft sind im Ermittlungsverfahren die Weisungen des aufsichtsführenden Staatsanwaltes und im gerichtlichen Verfahren dem Gericht. Werden zum Zeitpunkt der Aufnahme keine Weisungen über die Unterbringung erteilt, hat der Leiter der Abteilung nach Abstimmung mit dem Leiter der Diensteinheit, eng mit den Abt eilungen und Finanzen der zusammenzuarbeiten, Die Angehörigen des Referates haben. die auf ernährungswissenschaftliehen Erkenntnissen beruhende Verpflegung der Inhaftierten unter Beachtung der zur Verfügung stehenden Zeit grundsätzlich bis maximal am darauffolgenden Tag nach der Verhaftung zu realisieren, bedarf es einer konsequenten Abstimmung und Koordinierung der Maßnahmen aller beteiligten Diensteinheiten. Zu beachten ist, daß der Beschuldigte nicht verpflichtet ist, einen Beweisantrag schriftlich selbst zu formulieren. Verweigert er die Niederschrift, muß die ausführliche Dokumentisrjng des Antrages durch den Untersuchungsführer erfolgen.

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