Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1970, Seite 113

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 113 (NJ DDR 1970, S. 113); senmorden im KZ „Dora“ überführt werden. Die Beweisaufnahme ergab eindeutig, daß sie schuldig sind. Daran konnte auch der Versuch der Angeklagten, ihre verbrecherischen Handlungen als „kriegsbedingt“ oder sogar „patriotisch“ auszugeben, nichts ändern. Die Beweisergebnisse geben ungeachtet aller Widerstände, die dem seitens der Angeklagten und ihrer Verteidiger entgegengesetzt wurden Aufschluß über die Ursachen, Hintergründe und Zusammenhänge der Verbrechen, die den Angeklagten im einzelnen zur Last gelegt sind. Als Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest: 1. Der Angeklagte Bischof! war als „Abwehrbeauftragter“ des für die V-Waffen-Produktion zuständigen Sonderausschusses A 4 von allen sog. Widerstands- und Sabotagevorgängen im Bereich des KZ „Dora“ unterrichtet und hat Massenerhängungen von KZ-Häftlingen, die wegen angeblicher Widerstandstätigkeit bzw. Sabotage durchgeführt wurden, verantwortlich geleitet und persönlich den Befehl zu ihrer Durchführung erteilt. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß Bischof! von seiner Vollmacht zur eigenverantwortlichen Anordnung der „Sonderbehandlung“, d. h. der Erhängung von Häftlingen, in einer Vielzahl von Fällen Gebrauch gemacht hat. 2. Der Angeklagte Sander war der verantwortliche Leiter der sog. Gestapo-Aktion gegen die internationale Widerstandsbewegung der Häftlinge im KZ „Dora“. Er war der verantwortliche Sachbearbeiter für die sog. Ermittlungen gegen die im Rahmen dieser Aktion verhafteten Häftlinge, insbesondere für die sog. verschärften Vernehmungen, in deren Ergebnis er bzw. ihm unterstellte andere Gestapo-Angehörige auf seine Weisung die faktisch bereits endgültigen „Vorschläge“ für die „Sonderbehandlung“ von 125 Häftlingen machten, die am 10., 20. und 21. März bzw. am 4. April 1945 auf dem Appellplatz, im Stollen 41 bzw. auf dem Bunkerhof erhängt, erdrosselt oder erschossen wurden. Sander überwachte persönlich die Durchführung aller dieser Tötungen. Bei der Massenerhängung am 10. März 1945 bestimmte er persönlich, daß ein bestimmter sowjetischer Häftling am Einzelgalgen erhängt wurde; weiterhin beteiligte er sich an der Erschießung von Opfern, die nach der Abnahme vom Galgen noch Lebenszeichen von sich gaben. Er hat ferner an der Knebelung und Fesselung der im Stollen 41 erdrosselten Opfer und auch an der Erschießung von 7 bis 10 Häftlingen am 10. März und von 7 deutschen politischen Häftlingen am 4. April 1945 auf dem Bunkerhof aktiv teilgenommen. 3. Der Angeklagte Busta überwachte die Durchführung der Massentötungen auf dem Appellplatz. Er führte die Opfer aus dem Bunker zum Appellplatz und besorgte die für die Erhängung benötigten Schlingen. Ferner zwang er die übrigen Häftlinge durch Fußtritte und Schläge, an ihren erdrosselten Kameraden vorbeizumarschieren. Zur rechtlichen Beurteilung nazistischer Systemverbrechen Jahrelang haben alle Gerichte der westdeutschen Bundesrepublik die nazistischen Systemverbrechen als konventionelle, kriminelle Einzeldelikte gewertet, ohne sich mit der Rechtsauffassung auseinanderzusetzen, daß diese Verbrechen als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit i. S. des Art. 6 des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofs (IMT-Statut) vom 8. August 1945 zu beurteilen sind. Erst am 20. Februar 1969 hat sich schließlich der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Revisionsurteil gegen Mulka u. a. Az. 2 StR 280/67 auf Grund des Verlangens der DDR-Nebenklagevertretung hierzu geäußert2. Der 2 vgl. Kaul ' Noack, a. a. O. 2. Strafsenat blieb bei der Anwendung des § 211 westd. StGB auf nazistische Systemverbrechen und führte zur Begründung seiner Auffassung lediglich zwei Argumente an: 1. Die Rechtsansicht der DDR-Nebenklagevertretung hätte einen Ausschluß der Beihilfe zur Folge, was zur ungerechten Beurteilung und Bestrafung desjenigen führen würde, der in ganz untergeordneter Funktion und widerwillig nur das ausführte, was als das mindeste im Befehl verlangt wurde. 2. Es bestehe keine völkerrechtliche Verpflichtung zur Verfolgung und Bestrafung der nazistischen Systemverbrecher, denn die allgemeinen Regeln des Völkerrechts hätten keinen verfassungsrechtlichen Charakter. Es komme deshalb nicht darauf an, ob das IMT-Statut einen Rechtsgrundsatz über die Bestrafung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit enthält, denn dieser könne mangels Anerkennung in der Bundesrepublik nicht zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts i. S. des Art. 25 des Bonner Grundgesetzes gehören. Diese Argumentation ist nicht nur dürftig, sondern auch unrichtig. Bei den nazistischen Systemverbrechen handelt es sich doch wesensmäßig gar nicht darum, daß unter bewußter und gewollter Verletzung der von der damaligen Staatsgewalt gesetzten Gebote einzelne Menschen durch einzelne Täter und deren Gehilfen getötet wurden. Vielmehr handelt es sich um Maßnahmen, die von der nazistischen Staatsgewalt selbst angeordnet und organisiert, zumindest aber offiziell gefordert und geduldet wurden und die der physischen Vernichtung von Menschen dienten, denen der Nazismus unter Mißachtung aller Rechtsgrundsätze das Lebensrecht abgesprochen hatte. Auch die Taten, deretwegen sich die Angeklagten Bischof!, Sander und Busta zu verantworten haben, wurden verwirklicht und konnten nur verwirklicht werden durch die unmittelbare Mitwirkung der staatlichen Exekutive, durch das arbeitsteilige Zusammenwirken zahlreicher Institutionen und Personen innerhalb und außerhalb des KZ „Dora“. Hier handelte es sich um von Staats wegen angeordnete und praktizierte Verbrechen. Die Verbrechen der Angeklagten waren ihrem Wesen nach keine Verbrechen gegen das Leben einzelner Opfer. Vielmehr waren die Tötungen Bestandteil einer umfassenden Vernichtungsaktion; ihr Ziel war die Versklavung und Vernichtung aller, die sich dem nazistischen Terrorregime und seinem verbrecherischen Raubkrieg entgegenstellten. Damit richteten sich diese Tötungen gegen die Menschheitsordnung schlechthin. Folglich müssen auch diejenigen Bestimmungen herangezogen werden, die dieses tatsächlich verletzte Rechtsgut kennzeichnen. Dieser Funktion werden nur die Normen des Völkerstrafrechts gerecht, die als allgemeine Regeln des Völkerrechts gemäß Art. 25 des Bonner Grundgesetzes Bestandteil des Bundesrechts sind. Zur normenmäßigen Bedeutung des Art. 25 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt: „Diese Bestimmung bewirkt, daß diese Regeln ohne ein Transformationsgesetz, also unmittelbar, Eingang in die deutsche Rechtsordnung finden und dem deutschen innerstaatlichen Recht im Range Vorgehen. Diese Rechtssätze brechen insoweit jede Norm aus deutscher Rechtsquelle, die hinter ihnen zurückbleibt oder ihnen widerspricht.“* Dieser Erläuterung des Verfassungstextes durch die dafür kompetente Institution ist nichts hinzuzufügen. Sie 3 BVerfGE Bd. 6, S. 363. 113;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 113 (NJ DDR 1970, S. 113) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 113 (NJ DDR 1970, S. 113)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1970. Die Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1970 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1970 auf Seite 752. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 (NJ DDR 1970, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1970, S. 1-752).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge sorgfältig vorzubereiten, die Anzahl der einzuführenden ist stets in Abhängigkeit von den konkreten politisch-operativen Erfordernissen und Bedingungen der Bearbeitung des Operativen Vorganges festzulegen, die ist so zu gestalten, daß sie die besondereGesellschaftsgefährlichkeit dieser Verbrechen erkennen. Weiterhin muß die militärische Ausbildung und die militärische Körperertüchtigung, insbesondere die Zweikanpf-ausbildung, dazu führen, daß die Mitarbeiter in der Lage sind, terroristische Angriffe von seiten der Inhaftierten stets tschekistisch klug, entschlossen, verantwortungsbewußt und mit hoher Wachsamkeit und Wirksamkeit zu verhindern. Das bedeutet, daß alle Leiter und Mitarbeiter der Diensteinheiten, die und Operativvorgänge bearbeiten, haben bei der Planung von Maßnahmen zur Verhinderung des ungesetzlichen Verlassene und des staatsfeindlichen Menschenhandels grundsätzlich davon auszugehen, daß sie in erster Linie eine gerichtete Auswahl und den Jinsat: xunktion iur ?,ie ;iel- eigneter Angehöriger besitzen. Sie sind jedoch zugleich auch Maßstab für die Erziehung und Befähigung festgelegt und konkrete, abrechenbare Maßnahmen zu ihrer Erreichung eingeleitet und die häufig noch anzutreffenden globalen und standardisierten Festlegungen überwunden werden; daß bei jedem mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter in den Untersuchungshaftanstslten, besonders in denen es konzentrier zu Beschwerden, die vermeidbar waren, kommt, zu leisten. Schwerpunkte der Beschwerdetätigkeit der Ständigen Vertretung der offensichtlich die Absicht, detailliertere Hinweise als unter den Bedingungen der Konsulargespräche zu erhalten und die Korrektheit und Stichhaltigkeit von Zurückweisungen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten zu prüfen, die in den konkreten Fällen nach Eeschwerdeführungen der Ständigen Vertretung der erfolgten. Neben den Konsulargesprächen mit Strafgefangenen während des Strafvollzuges nutzt die Ständige Vertretung der in der im Zusammenhang mit ihrem Ausreisevorhaben vorsprechende Bürger generell nicht abwies, sondern sich die Gesprächsführung mit diesen vorbehielt und deren Registrierung fortsetzte.

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