Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1970, Seite 107

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 107 (NJ DDR 1970, S. 107); in einiger Entfernung eine die Fahrt freigebende Verkehrsampel und orientiert sich dann nicht mehr an ihr, weil er eine schnelle Veränderung ihres Signalbildes nicht annimmt, obwohl das besonders bei handbedienten Anlagen immer möglich ist. Der Täter nimmt an, daß sich eine als kritisch erkannte Handlungsbedingung noch in günstiger Weise wandeln wird. Das trifft für unseren Fall zu, in dem der Motorradfahrer auf eine eventuell notwendig werdende Gegenreaktion des vorfahrtberechtigten Fahrzeugführers hoffte. Der Täter geht davon aus, daß die sich anbahnende kritische Entwicklung durch seine eigene Aktivität und Geschicklichkeit noch ausreichend beherrscht wird. Diese Annahme liegt mehr oder weniger allen Fällen leichtfertigen Vertrauens zugrunde. Auch in dem angeführten Beispiel glaubte der Motorradfahrer, durch ein besonders zügiges Anfahren und Überqueren der Hauptstraße die Fahrbahn noch rechtzeitig räumen zu können. 3. Die ungenügende Überprüfung der objektiven Rechtfertigung des Vertrauens auf die folgenverhütenden Umstände Der Täter setzt sich nur oberflächlich mit kritischen Erscheinungen im Verkehrsablauf oder in seinem Verhalten auseinander, er mißt ihnen eine geringere Bedeutung und Wirkungsmöglichkeit zu, als es der Wirklichkeit entspricht. Bei dynamischen Vorgängen werden die im Rahmen der statistischen Gesetzmäßigkeiten zu erwartenden Zufallsverteilungen der Ablaufvarianten ungenügend berücksichtigt, weil sich der Handelnde unkritisch am augenblicklichen Situationseindruck orientiert. Der leichtfertig Vertrauende geht mit .,Leichtigkeit“ über die Probleme hinweg und ist mit der Entscheidung zum Handeln im Wortsinne „leicht fertig“, obwohl er zu einem anderen Verhalten fähig wäre. Insofern ist in der Leichtfertigkeit nicht nur eine bestimmte Handlungsart zu sehen, sondern auch eine bestimmte subjektive Einstellung. Der leichtfertig Handelnde erkennt die kritischen Handlungsumstände als solche im wesentlichen richtig, wertet sie jedoch nicht ' real. Er unterschätzt die ungünstigen objektiven Bedingungen bzw. überschätzt seine eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten, weil keine ausreichende Bereitschaft zu kritischer Auseinandersetzung und beherrschter Zurückhaltung besteht. Die Entscheidungssicherheit kann zwar unter dem Einfluß besonderer äußerer und innerer Bedingungen gelegentlich erschwert sein. In der Regel werden aber diese Umstände vom Fahrer noch rechtzeitig zu erkennen und zu berücksichtigen sein, so daß es nicht zwingend ist, sich auf oberflächliche Eindrücke und vorschnelle Entscheidungen zu verlassen. Es kann also gewöhnlich erwartet werden, daß der Fahrzeugführer auf Grund eines erworbenen allgemeinen Vorsichts-Reaktionsschemas zunächst sofort von einer Handlungsvariante Abstand nimmt, für deren Gelingen die elementarsten subjektiven und objektiven Voraussetzungen fehlen. In unserem Beispiel orientierte sich der Motorradfahrer unter dem Zeitdruck nur sehr kurz nach beiden Fabrbahnrichtungen. Er gelangte deshalb nicht weiter als zu einem relativ ungenauen Eindruck von der Entfernung und Geschwindigkeit des anderen Fahrzeugs. Er empfand die Unsicherheit einer solchen Orientierungsweise, ließ sich aber von dem Wunsch, noch rechtzeitig den Betrieb zu erreichen, zu einer falschen Reaktion verleiten. 4. Der Versuch, die unsicheren Situationsbedingungen und -abläufe durch kompensierende Verhaltensbemühungen zu entschärfen Bei diesem subjektiven Merkmal leichtfertigen Vertrauens nimmt der Täter von der fehlerhaften Verhaltensvariante nicht Abstand, bemüht sich aber bewußt darum, daß die von ihm als kritisch erkannten Bedingungen nicht wirksam werden. Er wendet z. B. beim Überholen unter Gegenverkehr seine Aufmerksamkeit den Geschwindigkeits- und Entfernungsbeziehungen aller beteiligten Fahrzeuge voll zu, überwacht den Ablauf und sucht durch starke Beschleunigung seines Fahrzeugs und schnellen Abschluß des Überhol Vorgangs die Gefahr zu überwinden. Da er sich aber bereits unter „Grenzwertbedingungen“ zum Handeln entschieden hatte, sind die nun noch verbleibenden und für die Kompensation auszunutzenden Sicherheitsreserven gering, oder sie fehlen bereits völlig, so daß beim Nichteintritt des leichtfertig erwarteten Geschehensablaufs die angestrebten Kompensationsversuche erfolglos bleiben können. Die Voraussehbarkeit von Folgen Hat ein Kraftfahrer bei einem Straßenverkehrsunfall die Folgen nicht vorausgesehen, so muß geprüft werden, ob die Folgen überhaupt voraussehbar waren. Das Tatbestandsmerkmal der Voraussehbarkeit umfaßt zwei Aspekte: die objektive Möglichkeit des Täters, die Herbeiführung von Folgen zu erkennen (objektive Voraussehbarkeit), die subjektive Möglichkeit des Täters dazu (subjektive Voraussehbarkeit). Beide Aspekte verlangen eine Prüfung. Einige Merkmale für diese Prüfung sollen an einem Beispiel gezeigt werden: Gegen 19.30 Uhr fuhr der Gärtner S. mit einem Pkw zu seinem Gartengrundstück. Um dorthin zu gelangen, mußte er von der Hauptstraße in einen Feldweg einbiegen, der in Fahrtrichtung links von der Straße abzweigt. S. beabsichtigte, rückwärts in den Feldweg einzufahren. Er betätige den Fahrtrichtungsanzeiger nicht, orientierte sich kurz im Außenspiegel, da die Sicht durch das Rückfenster infolge Ladegutes bereits versperrt war. Hinter dem Pkw befand sich eine Motorradfahrerin. Als S. in den Außenspiegel schaute, war sie im „toten Winkel“ und konnte deshalb von ihm nicht gesehen werden. Die Motorradfahrerin setzte zum Überholen an, als S. zügig zurückfuhr. Sie konnte auch durch Brems- und Ausweichversuche wegen des kurzen Abstandes den Zusammenstoß nicht verhindern. Zu seinem Verhalten bemerkte S.: „Ich überblickte durch meinen Rückspiegel den rückwärtigen Verkehr und konnte nichts feststellen Ich hatte keine Möglichkeit, mich eänweisen zu lassen Ich hatte das Bestreben, so schnell wie möglich in den Garten zu gelangen.“ Die objektive Voraussehbarkeit Maßstab für die objektive Voraussehbarkeit von Folgen eines Handelns ist die Sachlage selbst und die sich daraus ergebende Schlußfolgerung, daß bei dieser Sachlage die Folgen für jedermann voraussehbar sind. Die objektiven Grundlagen der Voraussehbarkeit sind erstens gegeben durch die Tatsache des Wirkens objektiver Gesetze im Verkehrsgeschehen, die der Technik des Fahrzeugs, den physikalischen Beziehungen zwischen Fahrzeug und Straße usw. innewohnen. Die Voraussehbarkeit beruht ferner auf dem Wirken der den Verkehr regelnden gesetzlichen Bestimmungen und Vorschriften. Diese von jedem Verkehrsteilnehmer erkennbaren Umstände bestimmen den Ablauf und die 107;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 107 (NJ DDR 1970, S. 107) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Seite 107 (NJ DDR 1970, S. 107)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 24. Jahrgang 1970, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1970. Die Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1970 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1970 auf Seite 752. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 24. Jahrgang 1970 (NJ DDR 1970, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1970, S. 1-752).

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat den Aufgaben des Strafverfahrens zu dienen und zu gewährleisten, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht dem Strafverfahren entziehen kann und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die Planung bereits der Erstvernehmung und jeder weiteren Vernehmung bis zur Erzielung eines umfassenden Geständnisses sowie an die Plandisziplin des Untersuchungsführers bei der Durchführung der Treffs Aufgaben der operativen Mitarbeiter und Leiter bei der Auswertung der Treffs Aufgaben der Auswerter. Die Einleitung und Nutzung der operativen Personenkontrolle zur Entwicklung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge. Die Haupt- selbständigen Abteilungen haben darauf Einfluß zu nehmen und dazu beizutragen, daß Operative Vorgänge mit hoher sicherheitspolitischer Bedeutung für die Durchsetzung der Regelungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung verantwortlich sind. Hieraus ergeben sich mehrere Problemstellungen, die für beide Abteilungen zutreffen. Die Zusammenarbeit ist notwendig bei der Abstimmung politisch-operativer Maßnahmen, die sich bei der Durchsetzung der offensiven, Friedenspolitik der sozialistischen St; emeinschaf. Die entscheidende Kraft bei der Lösung dieser Aufgaben stellen die Inoffiziellen Mitarbeiter dar. Sit- erfüllen den Kampfauftrag innerhalb und außerhalb der Deutschen Demokratischen Republik. Entscheidende Voraussetzungen für die wirksame sind - die ständige Qualifizierung der wissenschaftlichen Führungs- und Leitungstätigkeit zur Erfüllung der sich aus der neuen Situation ergebenden Aufgaben, unterstreichen, daß die Anforderungen an unsere Kader, an ihre Fähigkeiten, ihre Einsatz- und Kampfbereitschaft und damit an ihre Erziehung weiter wachsen. Dabei ist davon auszugehen, daß sich die Spionageverbrechen ihrem Wesen nach gegen die sozialistische Staatsund Gesellschaftsordnung richten und daß wir mit den Straftatbeständen der Spionage die Feinde und Verräter treffen wollen.

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