Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 90

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 90 (NJ DDR 1969, S. 90); Es ist richtig, daß der Angeklagte glaubte, er müsse sich gegen einen Angriff durch den Zeugen H. vertei- v digen. Angemessen sind jedoch nur solche Verteidigungsmittel und -methoden, die -zur Abwehr des konkreten Angriffs, seines Ausmaßes und seiner Gefährlichkeit für den Angegriffenen erforderlich sind. In der Berufungsschrift hat der Angeklagte ausgeführt, er habe erwartet, daß der Zeuge H. ihn anspringen werde. In der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht führte er aus, daß H. auf ihn zugekommen sei und er angenommen habe, H. werde dem Zeugen M. als dessen Schwager beistehen. Der Schlag mit dem Bierglas auf den Kopf des Zeugen H. wäre aber nur dann eine angemessene Verteidigung gewesen, wenn dem Angeklagten auf Grund der Gefährlichkeit des Angriffs nichts weiter übriggeblieben wäre, um eigenen schweren Verletzungen zu entgehen. In der Hauptverhandlung erster Instanz hatte der Angeklagte wiederholt ausgesagt, er habe gedacht, H. werde ihm auf die Hand schlagen oder an den Arm greifen, um zu verhindern, daß er dem Zeugen M. ebenfalls Bier in das Gesicht schütte. Aus der Wahrnehmung, daß H. in gebückter Haltung auf ihn zukam, und der Kenntnis, daß der 'Zeuge Judokämpfer ist, leitete der Angeklagte seinen Entschluß zum Zuschlägen ab. Es liegen auch keine konkreten Umstände vor, aus denen sich ergeben könnte, daß er mit einem gefährlichen Angriff auf seine Person hätte rechnen können. Der Zeuge hat ihn nicht bedroht, nicht beschimpft und keinen anderen Anlaß gegeben, woraus eine bestimmte Gefährlichkeit des Verhaltens gegen den Angeklagten abzuleiten wäre. Folglich durfte der Angeklagte in dieser Situation niemals das Bierglas auf den Kopf des Zeugen H. schlagen, weil damit die Gefahr schwerer, ja sogar tödlicher Verletzungen verbunden war. Der Angeklagte hat somit in Überschreitung der Notwehr gehandelt. Aus der Charakterisierung der konkreten Umstände geht auch hervor, daß die Annahme hochgradiger Erregung beim Angeklagten (§ 17 Abs. 2 StGB) zur Tatzeit nicht begründet ist. Diese überstieg keineswegs die mit einer solchen Situation zwangsläufig verbundene Taterregung, zumal kein Umstand vorlag. der eine solche psychische Reaktion beim Angeklagten hätte auslösen können, wie etwa ein Angriff mit einem gefährlichen Werkzeug, ein unübersehbarer Angriff des Nachts u. ä. Der Angeklagte hat folglich den Zeugen H. vorsätzlich körperlich verletzt und sich gemäß § 115 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. Er hat insofern verantwortungslos gehandelt, weil er sich keine Beschränkung bei der Verteidigung gegenüber einem vermeintlichen Angriff auferlegte und rücksichtslos gegen den Zeugen vorging. Selbst wenn der Auffassung des Bezirksgerichts zu folgen wäre, daß der Schlag mit dem Bierglas dem vermeintlichen Angriff angemessen gewesen sei, ist es unrichtig festzustellen, der Angeklagte sei nicht mehr in der Lage gewesen, die Situation real einzuschätzen; deshalb liege auch hinsichtlich eines Irrtums keine Fahrlässigkeit vor. Es muß von jedem Bürger verlangt werden, daß er ehe er mit einem so gefährlichen Gegenstand zuschlägt überlegt, ob die konkrete Situation ein solches Handeln erfordert, um nicht unnötig andere Bürger zu verletzen. Zu dieser Überlegung war der Angeklagte auch fähig. Er hätte bei angestrengtem Willen die richtige Entscheidung treffen können. Er hat jedoch blitzschnell zugeschlagen und keine Sekunde des Zögerns aufgebracht. Aus der Motivierung seines Verhaltens geht hervor, daß er durchaus übersah, daß sich ihm H. genähert hatte und ihm im Zusammenhang mit dem Angriff des Zeugen M. ein weiterer Angriff drohte. Für den Fall des Irrtums hätte das Bezirksgericht daher zumindest fahrlässige Schuld des Angeklagten bejahen müssen. Für die Strafzumessung ist beachtlich, daß der Angeklagte in Notwehrüberschreitung handelte. Er hat die Tatsituation nicht selbst herbeigeführt und war zuerst angegriffen worden. Erst aus dem Entschluß, sich verteidigen zu müssen, erwuchs die strafbare Handlung. Daher wird eine Verurteilung auf Bewährung (§ 33 StGB) der Tat angemessen sein, mit der er anzuhalten ist, durch gewissenhafte Erfüllung seiner Pflichten die Tat wiedergutzumachen und sich fortan verantwortungsbewußt zu verhalten. Dem Kassationsantrag war somit in Übereinstimmung mit der Auffassung des Vertreters des Generalstaatsanwalts zu entsprechen und das Urteil des Bezirksgerichts gemäß § 321 Abs. 1 StPO aufzuheben. Die Sache wurde gemäß § 322 Abs. 2 StPO an das Bezirksgericht zurück verwiesen. Das Bezirksgericht wird nunmehr erneut über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreis-' gerichts zu entscheiden haben. Es wird dabei das Beweisergebnis im aufgezeigten Sinne zu würdigen und die Tat rechtlich nach den gegebenen Hinweisen zu beurteilen sowie den Angeklagten wegen Vergehens der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 115 Abs. 1 StGB) in Abänderung des Urteils des Kreisgerichts zur Bewährung zu verurteilen haben. §349 StPO; §45 StGB; §2 SVWG. Allein wegen der die Schwere der Tat charakterisierenden Umstände darf einem Verurteilten die Strafaussetzung auf Bewährung nicht generell versagt werden. Mit einer solchen Auffassung wird verkannt, daß die Strafaussetzung ein notwendiger Bestandteil des Systems von Schutz- und Erziehungsmaßnahmen im Strafrecht ist und daß die Schutzfunktion der Strafe nicht mit der Isolierung des Täters oder dem vollständigen Vollzug der Freiheitsstrafe gleichzusetzen ist. Auch bei schweren Verbrechen, für die eine Strafe von mehr als sechs Jahren ausgesprochen wurde, ist eine Strafaussetzung bereits nach Verbüßung der Hälfte der Strafe möglich, weil die Schwere der Tat zwar maßgeblich die Höhe der Strafe bestimmt, für die Strafaussetzung aber gemäß § 2 SVWG die Erreichung des Ziels des Strafvollzugs entscheidend ist. OG, Urt. vom 5. November 1968 3 Zst 21 68. Gegen den Verurteilten ist am 11. April 1963 wegen eines Notzuchtverbrechens in Tatmehrheit mit Aussetzung eine Zuchthausstrafe von sieben Jahren ausgesprochen worden. Davon hat er fast sechs Jahre verbüßt. Der Leiter der Strafvollzugsanstalt hat im Mai 1968 bedingte Strafaussetzung für den Verurteilten beantragt. Diesen Antrag hat das Bezirksgericht zurückgewiesen,. weil in Anbetracht der Tatumstände eine vollständige Verbüßung der Strafe geboten sei. Der Generalstaatsanwalt der DDR hat zugunsten des Verurteilten die Kassation dieser Entscheidung beantragt. Er hat Verletzung des Gesetzes durch Nichtanwendung des § 346 StPO (alt), jetzt § 349 StPO, gerügt. Der Antrag hatte Erfolg. 90;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 90 (NJ DDR 1969, S. 90) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 90 (NJ DDR 1969, S. 90)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

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