Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 765

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 765 (NJ DDR 1969, S. 765); heit ausnutzte, um sich der Frau sexuell zu nähern. Der Angeklagte war sofort in den Affekt geraten und stach ohne zu zögern auf den Geschädigten ein. Die Entscheidung macht zunächst einmal deutlich, daß bei exakter Feststellung der einzelnen Faktoren auch eine Abgrenzung der unterschiedlghen Voraussetzungen für die Begründung verminderter/Zurechnungsfähigkeit (§ 16 Abs. 1 StGB) von denen der Tötung im Affekt (§ 113 Abs. 1 Ziff. 1 StGB) möglich ist. Der Sachverhalt läßt aber zugleich erkennen, daß das Verhalten des Geschädigten und die Reaktionsweise des Angeklagten vom Tatbestand des § 113 Abs. 1 Ziff. 1 StGB vollständig erfaßt werden, so daß kein Raum für die weitere Anwendung des § 113 Abs. 1 Ziff. 3 StGB bleibt. Damit wird aber keineswegs ausgeschlossen, daß unter bestimmten Voraussetzungen beide Regelungen nebeneinander angewandt werden können. Insofern trifft das zum Verhältnis des §16 Abs. 2 zu §113 Abs. 1 Ziff. 3 StGB Gesagte sinngemäß auch hier zu. Das Oberste Gericht geht davon aus, daß die Umstände, die § 113 Abs. 1 Ziff. 1 StGB umfaßt, in der Regel solche Tatfaktoren sind, wie sie ihrem Wesen nach auch von § 113 Abs. 1 Ziff. 3 StGB erfaßt werden. Beide führen zur Milderungskonsequenz des für einen Totschlag vorgesehenen Strafrahmens. In § 113 Abs. 1 Ziff. 1 StGB sind die spezifischen Probleme einer Tötung im Affekt geregelt. Diese spezielle Regelung war erforderlich, da es zu unvertretbaren Konsequenzen geführt hätte, die Schuldminderung durch außergewöhnliche Umstände gemäß § 14 StGB auf Tötungsverbrechen anzuwenden6. Zu den Voraussetzungen einer psychischen Zwangslage als Tatumstand, der die strafrechtliche Verantwortlichkeit mindert Das Oberste Gericht hatte bei der Anwendung des § 213 StGB (alt) ein Handeln des Täters aus einer „seelischen Notlage“ heraus als mildernden Umstand im Sinne des Gesetzes anerkannt7. Nach dem Inkrafttreten des neuen StGB wird der Begriff der seelischen Notlage nicht mehr gebraucht. Das neue Strafrecht (§ 113 Abs. 1 Ziff. 3 StGB) macht es erforderlich, einen Begriff zu verwenden, der besser geeignet ist, die psychischen Besonderheiten zu erfassen, die mit einem solchen subjektiven Tatumstand verbunden sind. Das vermag der Begriff der psychischen Zwangslage. Die psychische Zwangslage ist eine Motivkonstellation, die das Handeln entscheidend bestimmt und aus einer Konfliktsituation sowie einer auf.Grund der Konfliktsituation für die Entscheidung zur Tat disponierten Persönlichkeit resultiert. Die Feststellung der Motivation einer Tat ist Aufgabe des Gerichts. Zu beachten ist aber, daß bei vorsätzlichen Tötungen die Fragen des Affekts oder einer evtl, schwerwiegenden abnormen Entwicklung der Persönlichkeit mit Krankheitswert sowie andere Voraussetzungen der §§ 15, 16 StGB, die die Zurechnungsfähigkeit mindern oder ausschließen, oft eine Rolle spielen. Diese Bestimmungen enthalten aber nicht nur eine psychiatrisch-psychologische Diagnose, sondern umfassen auch die Beziehung der Persönlichkeit und der besonderen Situation dieser Persönlichkeit zur Tat, zum Tatzeitpunkt und damit zum Opfer und zum gesamten Tatgeschehen. 6 Vgl. hierzu Mörtl, „Schuldminderung durch außergewöhnliche Umstände“, NJ 1969 S. 276. 7 Vgl. insbesondere OG, Urteil vom 25. September 1964 5 Zst 17/64 - (OGSt Bd. 7 S. 94); OG, Urteil vom 16. Dezember 1966 -5 Ust 64/66 - (NJ 1967 S. 197); OG, Urteil vom 20. Januar 1967 - 5 Ust 70/66 - (NJ 1967 S. 353); OG, Urteil vom 25. August 1967 - 5 Ust 46/67 - (NJ 1968 S. 89). Der Sachverständige ist also von vornherein gezwungen, sich mit der subjektiven Seite der Tat, vor allem der Motivkonstellation, auseinanderzusetzen. Das ermöglicht es ihm, mit seinen gutachterlichen Darlegungen zur Zurechnungsfähigkeit des Täters dem Gericht zugleich solche Faktoren mitzuteilen, die für die Feststellung von Tatumständen i. S. des § 113 Abs. 1 Ziff. 3 StGB bedeutsam sein können. Da eine psychische Zwangslage nicht nur in einer objektiven Situation besteht, sondern zumindest im gleichen Umfang auch die subjektive Verarbeitung durch den Täter betrifft, muß der Sachverständige zwangsläufig den unter solchen Bedingungen zum Tötungsentschluß führenden subjektiven Prozeß analysieren. Es ist nicht seine Aufgabe, zu werten, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des § 113 Abs. 1 Ziff. 3 StGB vorliegen. Er erfüllt seine gutachterlichen Pflichten, indem er die Probleme der Zurechnungsfähigkeit des Täters tatbezogen darstellt und dem Gericht darüber hinaus wesentliche Informationen vermittelt, die für die Schuldbewertung bedeutsam sein können. Eine psychische Zwangslage entwickelt sich zwar häufig über eine längere Zeit. Sie findet jedoch eine Kulmination zum Tatzeitpunkt. Motivkomponenten, die in der frühen Kindheit beispielsweise zur Entwicklung einer schwerwiegenden abnormen Persönlichkeit mit Krankheitswert beigetragen haben, können im Rahrhen des § 16 Abs. 1 StGB oder bei Jugendlichen des § 66 StGB diskutiert werden. Für die Beantwortung der Frage, ob sie auch zur Herausbildung einer psychischen Zwangslage, in die der Täter gestellt ist, beitrugen, haben sie jedoch keine wesentliche Bedeutung. Solche Motivkomponenten können jedoch insoweit wieder relevant werden, als die durch sie mitbedingte Persönlichkeitsstruktur des Täters bei der subjektiven Verarbeitung der aktuellen Zwangslage eine Rolle spielt. Die Motivationspsychologie ist eine relativ junge Wissenschaft8 *. Sie stützt sich auf die Grundlagen der dialektisch-materialistischen Psychologie. Damit bleibt kein Raum für psychoanalytische oder andere idealistische Konzeptionen, nach denen nicht nur die Grundlagen einer Persönlichkeitsstruktur, sondern auch die sich hieraus entwickelnde Konflikthaftigkeit bereits in der frühen Kindheit gelegt und damit auch die aktuelle psychische Zwangslage und ihre Folgen dem Täter in keiner Weise angelastet werden dürfen. Beim Versuch eines exakten wissenschaftlichen Vorgehens stehen der Gutachter und auch das Gericht vor der Frage der Objektivierung von Motivkomponenten und ihrer Bedeutung für die Tat. Auch hier müssen sich Gutachter und Gericht hüten, mögliche, aber nicht beweisbare und nicht den Grundlagen der psychiatrischen und psychologischen Wissenschaft entstammende Motivkomponenten spekulativ zu analysieren. Wittenbeck hat diejenigen Fälle als typisch für „besondere Tatumstände“ charakterisiert, in denen die Mutter Selbstmord begehen will und die Kinder vorher tötet, um sie nicht allein zu lassen (sog. erweiterter Suizid)". Hier wird die psychische Zwangslage des Täters zu Recht als ein entscheidendes Merkmal für die Anwendung von Tatumständen, die die strafrechtliche Verantwortlichkeit mindern, betrachtet. Neben dem in der Fachliteratur relativ einheitlichen Begriff „erweiterter Suizid“10 gibt es aber weitere Voraussetzungen, die zwar sehr unterschiedliche Grundlagen haben, aber doch nach einheitlichen Gesichtspunkten diskutiert wer- 8 Vgl. hierzu Dettenborn, „Motivdefinition und Motivfeststellung in Kriminologie und Kriminalistik“, Staat und Recht 1968, Heft 4, S. 621 ff. 9 Vgl. Wittenbeck, „Möglichkeiten der Strafmilderung bei Totschlag“, NJ 1966 S. 677. 10 vgl. Lange, Der mißlungene erweiterte Suizid, Jena 1964. / 765;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 765 (NJ DDR 1969, S. 765) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 765 (NJ DDR 1969, S. 765)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern, Gemeinsame Festlegungen der Hauptabteilung und der Abteilung Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit. Diese Festlegungen tragen im wesentlichen orientierenden Charakter und sind unter ständiger Berücksichtigung der politisoh-operativen Lage und Erfordemisse durch die Leiter der selbst. Abteilungen und deren Stellvertreter. Entsprechend den Erfordernissen hat eine Abstimmung mit der zuständigen Diensteinheit der Linie zu erfolgen. Die unmittelbare Vorbereitung und Durchführung dieser Werbungen sind durch die Leiter der Abteilungen mit den zuständigen Leitern der Diensteinheiten der Linie abzustimmen. Die Genehmigung zum Empfang von Paketen hat individuell und mit Zustimmung des Leiters der zuständigen Diensteinheit der Linie und der Staatsanwalt das Gericht unverzüglich zu informieren. Bei unmittelbarer Gefahr ist jeder Angehörige der Abteilung zur Anwendung von Sicherungsmaßnahmen und Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges Sicherungsmaßnahmen dürfen gegen Verhaftete nur angewandt werden, wenn sie zur Verhinderung eines körperlichen Angriffs auf Angehörige der Untersuchungshaftanstalt, andere Personen oder Verhaftete, einer Flucht sowie zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Unt ers uchungshaf ans alt. Die ungenügende Beachtung dieser Besonderheiten würde objektiv zur Beeinträchtigung der Sicherheit der Untersuchungshaft-anstalt und zur Gefährdung der Ziele der Untersuchungshaft sowie fürdie Ordnung und Sicherheit der Untersuchungshaftanstalt erwachsen können. Verschiedene Täter zeigen bei der Begehung von Staatsverbrechen und politisch-operativ bedeutsamen Straftaten der allgemeinen Kriminalität in Erscheinung treten. Sie weisen eine hohe Gesellschaftsgefährlichkeit auf, wobei die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit der Mitglieder von zu beachten ist.

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