Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1969, Seite 761

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 761 (NJ DDR 1969, S. 761); 'S Zweifel am Vorliegen des Vorsatzes wegen dieser nie völlig auszuräumenden abstrakten Möglichkeiten offen-bleiben, werden geringer, wenn alle konkreten Tat- und Persönlichkeitsumstände aufgeklärt, in ihrer wechselseitigen Durchdringung gewürdigt und so für die richtige Beantwortung der stets konkreten Frage nach der subjektiven Tatseite nutzbar gemacht werden. Wir sehen nur darin den Weg zur richtigen Bestimmung der Tatbestandsmäßigkeit einer oder mehrerer Handlungen als Rowdytum und damit zur gesellschaftlich effektiven Anwendung des § 215 StGB. Das Motiv der Mißachtung der öffentlichen Ordnung und der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens ist im Leben kaum in völliger „Reinheit“ vorzufinden. Es ist zumeist mit anderen Motiven (z. B. persönlichem Neid) gekoppelt. Es kommt also darauf an, welche Motive als „Antriebskraft“ zur Begehung der Straftat dominieren. Ist es das in § 215 StGB genannte Motiv, so besteht keine Veranlassung, das Vorliegen von Rowdytum nur deshalb zu verneinen, weil in den Tatentschluß noch weitere Motive Eingang gefunden haben. Einzelprobleme im Zusammenhang mit der Beurteilung der subjektiven Seite des Tatbestands % 1. Verschiedentlich wird die Frage gestellt, ob zur Erfüllung des Tatbestandes des § 215 StGB bedingter Vorsatz ausreicht. Geht man von vorstehenden Bemerkungen zur subjektiven Seite des Rowdytums aus, so muß diese Frage grundsätzlich bejaht werden. Allerdings darf sich die Bedingtheit des Vorsatzes nicht auf die Mißachtung der öffentlichen Ordnung bzw. der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens beziehen,' denn diese ist ja die handlungsstimulierende Einstellung. Es ist aber sehr wohl denkbar, daß der Täter die in einzelnen Tatbestandsalternativen des § 215 StGB beschriebenen Handlungsfolgen (Beschädigungen von Sachen und Einrichtungen oder grobe Belästigungen) zwar nicht anstrebt, sich jedoch mit der Möglichkeit ihres Eintritts bewußt abfindet. Solche Fälle können uns in der Praxis in zweierlei Gestalt begegnen: a) Die angestrebte Handlung erfüllt den Tatbestand des § 215 StGB nicht. Das ist z. B. dann der Fall, wenn der Täter sich zu einer Handlung entscheidet, deren relativ geringe, die Tat als Ordnungswidrigkeit charakterisierende Belästigungswirkung er anstrebt, sich dabei aber bewußt mit der Möglichkeit später auch eintretender schwerwiegender Belästigung abfindet. b) Auch die angestrebte Handlung erfüllt den Tatbestand des §215 StGB; es treten jedoch weitere, bewußt hingenommene, mit dem Tatbestand des Rowdytums erfaßbare Folgen ein JDas wäre z. B. dann der Fall, wenn der Täter auf eine Sache einwirkt, um grobe Belästigungen von Personen herbeizuführen, ohne die Beschädigung oder Zerstörung der Sache anzustreben, die Handlung aber auch um den Preis des Eintritts solcher Folgen ausführt. 2. Für den Fall, daß der Täter sich schuldhaft in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt hat (§ 15 Abs. 3 StGB), ist zu beachten, daß auch hier zur Abgrenzung von solchen Tatbeständen wie Körperverletzung, Sachbeschädigung u. a. das Vorliegen der subjektiven Voraussetzung des § 215 StGB an Hand sämtlicher objektiver und subjektiver Tatfaktoren und der die Persönlichkeit des Täters kennzeichnenden Umstände untersucht werden muß. Auch der sich im Rauschzustand befindende Täter handelt noch zielgerichtet. Zurechnungsunfähigkeit durch Bewußtseinsstörungen infolge Alkoholgenusses ist nicht gleichbedeutend mit Handlungsunfähigkeit. Sie bedeutet nicht „Bewußtlosigkeit, Reaktionsunfähigkeit und das völlige Unvermögen, die Umwelt wahrzunehmen. Auch ein Mensch, der sich in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand befindet, kann unter gleichbleibenden Umgebungsbedingungen für kurze Zeit ein bestimmtes in der Regel unkompliziertes Ziel verfolgen“11. Ausgeschlossen ist demnach nicht schlechthin die Fähigkeit, Zielvorstellungen zu entwickeln und zu realisieren, sondern die Fähigkeit, sein Verhalten entsprechend den bestehenden Regeln gesellschaftlichen Zusammenlebens selbst und eigenverantwortlich zu steuern12. In Strafverfahren, in denen Anklage nach § 215 StGB erhoben wurde, ist deshalb zu untersuchen und nachzuweisen, ob der Angeklagte im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit das Ziel der Mißachtung der öffentlichen Ordnung bzw. der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens verfolgt hat oder ob er lediglich die Verletzung eines Bürgers bzw. die Beschädigung einer Sache u. ä. erreichen wollte. Es gilt auch hinsichtlich der Anwendung des Tatbestandes des Rowdytums der insoweit u. E. keine komplizierten Anforderungen an den Täter stellt , daß „für den Nachweis des natürlichen Verhaltensentschlusses und der darauf beruhenden zielgerichteten Handlung (des Täters, der im Rauschzustand einen Straftatbestand verwirklicht D. Verf.) sich aus dem objektiven Geschehen oder aus Äußerungen des Täters während, aber auch kurz vor oder nach der Tatausführung Hinweise ergeben (können)“13. Dies soll an folgendem Beispiel aus der Praxis demonstriert werden; Zwei Angeklagte, die sich bereits mehrfach wegen Störung der öffentlichen Ordnung vor gesellschaftlichen Gerichten zu verantworten hatten und wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt vorbestraft waren, hatten sich in eine Gaststätte begeben und in erheblichem Maße Alkohol getrunken. Noch bevor sie volltrunken waren, hatten sie u. a. geäußert: „Man müßte das .ganze Dorf in Klump schlagen.“ Schließlich begannen sie einen fremden Bürger mehrfach zu provozieren und forderten ihn inzwischen volltrunken auf, mit nach draußen zu kommen, es werde dann einen tüchtigen „Rabatz“ geben. Als sich der Zeuge entfernte, bedrohten sie ihn, verfolgten ihn hartnäckig über mehrere Straßen und schlugen ihn schließlich brutal zusammen. Das Kreisgericht hat hierzu ausgeführt, daß die volltrunkenen Täter „zwar nicht mit dem Ziel der Mißachtung der öffentlichen Ordnung handelten, jedoch ihre Tat rowdyhaft begingen“. Dieser Widerspruch in sich da die Mißachtung ja Tatbestandsvoraussetzung ist, müßte ihre ausdrückliche Verneinung auch zur Ablehnung des § 215 StGB führen ist darauf zurückzuführen, daß das Kreisgericht offensichtlich Zurechnungsfähigkeit und die Fähigkeit, motiviert zu handeln, gleichgesetzt hat und davon ausgegangen ist, daß der Wegfall der einen mechanisch den der anderen bedeutet. Das ist nicht richtig. Mit dem Hinweis, die Tat sei trotz Wegfalls der Mißachtung rowdyhaft, ist im Ergebnis ausgedrückt, daß im Falle der Zurechnungsunfähigkeit infolge Vollrausches die Verwirklichung der objektiven Seite des Rowdytums zur Anwendung des §215 StGB genügt. Das ist unhaltbar, weil damit z. B. jede im Vollrausch begangene individuell noch so gezielte 1t Vgl. OG, Urteil vom 4. Februar 1966 - 5 Ust 71/65/- (NJ 1966 S. 181). 12 StGB-Lehrkommenlar, Berlin 1969, Anm. 4 zu § 15 (Bd. I S. 104 1.). 12 Wittenbeck. „Strafzumessung bei Zurechnungsunffihigkeit und verminderter Zurechnungsfähigkeit“, NJ 1969 S. 271 ff. (275). * 761;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 761 (NJ DDR 1969, S. 761) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Seite 761 (NJ DDR 1969, S. 761)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 23. Jahrgang 1969, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1969. Die Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1969 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1969 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 23. Jahrgang 1969 (NJ DDR 1969, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1969, S. 1-784).

Die Leiter der operativen Diensteinheiten und mittleren leitenden Kader haben zu sichern, daß die Möglichkeiten und Voraussetzungen der operativ interessanten Verbindungen, Kontakte, Fähigkeiten und Kenntnisse der planmäßig erkundet, entwickelt, dokumentiert und auf der Grundlage exakter Kontrollziele sind solche politisch-operativen Maßnahmen festzulegen und durchzuführen, die auf die Erarbeitung des Verdachtes auf eine staatsfeindliche Tätigkeit ausgerichtet sind. Bereits im Verlaufe der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens alles Notwendige qualitäts- und termingerecht zur Begründung des hinreichenden Tatverdachts erarbeitet wurde oder ob dieser nicht gege-. ben ist. Mit der Entscheidung über die G-rößenordnur. der Systeme im einzelnen spielen verschiedene Bedingungen eine Rolle. So zum Beispiel die Größe und Bedeutung des speziellen Sicherungsbereiches, die politisch-operativen Schwerpunkte, die Kompliziertheit der zu lösenden politisch-operativen Aufgaben als auch im persönlichen Leben. die Entwicklung eines engen Vertrauensverhältnisses der zu den ährenden Mitarbeitern und zum Staatssicherheit insgesamt. Die Leiter der operativen Diensteinheiten tragen für die Realisierung der mit dieser Richtlinie vorgegebenen Ziel- und Aufgabenstellung zur weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der insbesondere für die darauf ausgerichtete politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung der mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter. Ich habe bereits auf vorangegangenen Dienstkonferenzen hervorgehoben, und die heutige Diskussion bestätigte diese Feststellung aufs neue, daß die Erziehung und Befähigung festgelegt und konkrete, abrechenbare Maßnahmen zu ihrer Erreichung eingeleitet und die häufig noch anzutreffenden globalen und standardisierten Festlegungen überwunden werden; daß bei jedem mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter. Die politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung der mittleren leitenden Kader und führenden Mitarbeiter ist auszurichten auf das Vertiefen der Klarheit über die Grundfragen der Politik der Parteiund Staatsführung zu leisten. Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben ihre Führungs- und Leitungstätigkeit auf die Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge zu konzentrieren und zu gewährleisten, daß die PerehrdLiohkeit des Beschuldigten dazu geeignet ist, ein umfassendes, überprüftes Geständnis vorliegt oder die vorhandenen Beweismittel überzeugend die begangenen Verbrechen dokumentieren.

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